Judas, der falsche Böswicht, verrathet Jesum mit einem Kuß.

[99] Es ist ja der gebenedeite Heiland im ganzen Judenland keinem Menschen unbekannt gewesen, massen Er nit in geheimen Schliefwinkeln, nit in finstern[99] Gewölben und verborgenen Orten geprediget, sondern im öffentlichen Tempel, auf ebnen Feldern, auf allbekannten Straßen seine Lehr ausgebreitet und vorgetragen, dem auch viel tausend Menschen mit größtem Eifer zugehört, eine unzahlbare Menge Volks ihm stets nachgefolgt, daß auch derenthalben seine Apostel und Jünger ungeduldig worden, um weilen sie von denen ungestümen Leuten immerzu gedruckt und hin und her gestoßen worden. Weil Ihn dann jedermann wegen seiner heiligen Lehre und großen gewirkten Wunderthaten gekennet, auch insgemein von den Buben auf der Gasse der Wundermann von Nazareth genennet worden, was ists vonnöthen gewesen, daß er durch ein Zeichen von Juda soll verrathen werden? Theophylaktus erörtert diese Frag mit folgenden Worten: wie daß wenig Volk und gemeiner Pöbel sich habe befunden unter denjenigen, die da kommen seynd, Jesum zu fangen, sondern dieselben seynd meistentheils gewesen: Soldaten, Hofbediente Schriftgelehrte und bei dergleichen Standspersonen ist Christus, als die ewige Wahrheit, nit gar viel bekannt; Origenes aber gibt dessen eine andere Ursach, sprechend: es habe der Herr Jesus unterschiedliche Gesichter gehabt, gleichwie das Manna im alten Testament unterschiedliche Geschmach, und seye er einem Jeden anderst erschienen, gleichwie er es würdig oder bedürftig war. Andere glauben, er seye dessenthalben von Juda durch ein gewisses Zeichen verrathen worden, um weil dieser Erzschalk den Hebräern vorgetragen, es seye einer unter seinen Mitkameraden, Namens Jakobus der Mindere, welcher Gesicht halber dem Jesu von Nazareth[100] ganz ähnlich und gleich; damit also sein Fehler noch Irrthum möchte unterlaufen, so seye vonnöthen, durch ein gewisses Kennzeichen ihn zu unterscheiden.

Warum aber, o verruchter Abfaim! durch einen Kuß? warum hast du nicht mit Fingern, die vorhero so diebisch oft die apostolische Kassa visitirt und bestohlen, auf ihn gedeutet, und solchergestalt verrathen? Es ist zu wissen, daß dazumalen unter denen Aposteln dieser löbliche Brauch gewesen, daß sie allezeit, wann sie Geschäften halber ausgangen, und nachgehends wieder nach Haus gekehrt, dem Herrn Jesu einen Kuß gegeben, gleichwie bei unsern Zeiten die untergebenen Geistlichen von ihrer Obrigkeit pflegen die Benediktion zu nehmen, und die Gürtel oder Skapulier zu küssen, weil es dann der Ischarioth nie malen redlich mit seinem Herrn vermeint, sondern allzeit äußerlich sich fromm, freundlich und friedlich gestellt, inwendig aber ein Schelm im Herzen, also wollt er auch dieses letzte Schelmenstück solchergestalt vermäntlen und bescheinigen. O Falschheit!

Wer sucht, der findt, lautet sonst das gemeine Sprichwort; aber das Glück hab ich nit gehabt. Der Esau hat ein Wildprett vor seinen alten und betagten Vater gesucht, und hat es gefunden, der hats Glück gehabt. Der Saul hat die Estin seines Vaters gesucht, und hat sie gefunden, der hats Glück gehabt. Die Agar hat einen Brunnen gesucht vor ihren halbverschmachten Ismael und hat ihn gefunden, die hats Glück gehabt. Die Bedienten des Vice-Königs Joseph haben das Gold und den Mund-Becher gesucht und haben Alles gefunden in den Säcken der Brüder, die[101] haben das Glück gehabt. Die Braut in dem Hohen-Lied Salomonis hat ihren Liebsten gesucht, und hat ihn gefunden, die hats Glück gehabt. Das Weiblein im Evangelio hat den verlornen Groschen gesucht und nach vielem angewandtem Fleiß denselben auch gefunden, die hats Glück gehabt. Petrus zu Abstattung des Tributs hat das erforderte Geld gesucht, auch selbiges in dem Maul des Fisches gefunden, der hats Glück gehabt. Der gute Hirt hat das verlorne Schäflein gesucht in der Wüstes und hat es auch gefunden, der hats Glück gehabt. Maria und Joseph haben den zwölfjährigen Jesum gesucht, denselben endlich nach drei Tagen gefunden in dem Tempel, die haben das größte Glück gehabt. Ich aber suche so viel Jahr nacheinander, suche oben und unten, und auf der Seite, suche allenthalben, suche über und über, und hab es noch nit gefunden, werd auch das Glück nit haben, daß ich es werde finden, benanntlich die Redlichkeit.

Ich hab mich anfänglich in die Kirche begeben, der gänzlichen Hoffnung, daselbst die liebe Redlichkeit anzutreffen, aber leider bald mehr Falschheit gefunden als anderwärts. Meine Augen waren zum Allerersten geworfen auf die Kanzel, und gedachte unfehlbar daselbst zu sehen, nachdem ich so lang getracht, das Widerspiel aber hat sich bald erzeigt, indem ich geglaubt, diese sey mit dem besten Gold überzogen, unterdessen war es nur Metall und von dem Firniß in solchen Glanz gezogen. An Gott! sagte ich bei mir selbsten, auf der Kanzel soll alles wahr seyn, anjetzo aber triff ich das Widerspiel. Auf dem Altar[102] erblickte ich sechs große Leuchter, die ich alle vor das beste Silber gehalten, und schätzte sie von Augsburger Prob, fand aber nachgehends mit eigner Schamröthe, daß sie Lugenburger Prob von Kupfer, also künstlich getrieben, stark übersilbert, und inwendig mit einer eisernen Seel verstärkt, das verdroß mich schon, wie ich wahrgenommen, daß fast alles nur auf den äußerlichen Schein gemacht seye. Weil aber dazumalen der Priester etliche fromme und eifrige Christen kommunizirt, wollte ich noch den Segen des höchsten Gutes erwarten, dessen ich auch, dem Himmel seye gedankt, theilhaftig worden, und anbei mich zugleich verwundert über das wunderschöne mit Gold gestickte Röckl des Ciborii, konnte mich derenthalben nicht enthalten daß ich den Meßner gar zu bescheiden angeredet, und gefragt, was selbiges doch möchte kosten? der mir aber zur geschwinden Antwort gesagt, wie daß solches nur falsches Gold, nur leonisch, und folgsam nit im großen Werth; dieses hat mich dergestalten bestürzt gemacht, daß ich fast über den Opferstock gefallen; ich machte mir keine andere Hoffnung, als daß ich allenthalben werde lauter Falschheit, und nirgends die Redlichkeit antreffen, weilen man auch bei dieser verkehrten Welt das höchste Gut selbsten mit falschem Gold kleidet, hab mich demnach ohne weitere Saumung aus der Kirche begeben; im Ausgang daselben hab ich mich nit wenig verwundert über das stattliche Portal, und hätte ich mit einem weiß nit was gewettet, es wäre von Salzburg mit großen Unkosten dahin gebracht worden, mir aber hat gleich ein altes Bettelweib allda die Meinung versalzen, indem[103] sie mit ihrem Aftermaul mich eines Irrthums beschuldiget, sprechend: es seye dieses große Thürgestell ganz und gar nit aus Marmor, sondern nur von Gipsarbeit, und auf Marmorart also pallirt. Ei pallir dich du Alte der Pokkränzky! gedachte ich ganz ungeduldig bei mir, so kommt mir dann nichts Redliches, sondern lauter Falschheit vor die Augen, hab mich sodann abgewendet von dieser baufälligen Redstube, und unweit derselben einen armen mühseligen Bettelmann angetroffen, dessen erbärmliche Gestalt mich billig zu einem Mitleiden bewogen, dann ihm der ganze Leib mit Siechthum und abscheulichen Rufen dermassen überzogen war, daß einem gedunkte, er habe sich mit eichenen Rinden bekleidet. O! seufzte ich, wann ich bei Geldmittlen wäre, wie mancher reiche und wohlhabende Gesell, wie gern und urbietig wollte ich mit diesem Tropfen das Meinige theilen, weil ich weiß, daß das denari do bei Gott dem Herrn meistens das Spiel gewinnet. Wie der Herr Jesus aus den Grenzen Tyri durch Sidon an das galliläische Meer kommen, da führten die Leute zu ihm einen, der da taub und stumm war, auch ersuchten sie den Herrn, daß Er die Händ auf ihn legte, und Er nahm ihn von dem Volk besonders, und leget ihm seine Finger in die Ohren, thät anbei ausspeien und sprach zu ihm Ephpheta, das ist »thue dich auf.« Zu wünschen wäre, daß mancher Reiche thäte zu seinem angefüllten Treidkasten sagen, Ephpheta, thue dich auf! zu Küsten und Truhen, die mit Kleidern angestrotzt, Ephpheta, thue dich auf! zu Taschen, Beutel und Geldsack, Ephpheta thue dich auf zur Hilf der[104] Armen, alsdann würde er spüren, daß solches Allmosen, alle Maßen verstehe, alle Sünden bei Gott auszutilgen. In Erwägung dessen hätte ich so gern dem armen und elenden Bettler, der wie ein anderer Job daselbst anzusehen war, von dem Meinigen etwas dargestreckt, weil aber das meum bei denen Religiosen und Ordensleuten von der evangelischen Armuth verfolgt wird, und ein barfüßiger Mönch mit Baarschaft gar nit versehen, also mußte meine Gutthat bestehen in gutem Willen. Anbei aber ist mir eingefallen jene Wundergeschicht, so sich mit einem frommen und heiligen Bischof in Frankreich zugetragen, dieser war ein absonderlicher Gutthäter der Armen, forderist aber willfährig und freigebig gegen die Aussätzigen, also zwar, daß er auf öffentlicher Gasse je und allemal dergleichen arme und elende Leut mit einem freundlichen Kuß empfangen. Einsmal aber begegnet ihm ein Aussätziger mit solcher abscheulichen Gestalt, daß sich darob jedermann entsetzte, massen das faule Eiter aus der Massen häufig herab geflossen, der heilige Mann war ganz freigebig gegen diesen bedrängten Menschen, und reichte ihm dar ein reichliches Allmosen von baarem Geld, welches er aber geweigert anzunehmen, sondern allein gebeten, er Bischof, wolle ihm doch nur das Angesicht abtrücknen, welches er auch aus Antrieb der Lieb urbietig vollzogen, es beklagte sich aber er Aussätzige, daß er ihm hierdurch zu große Schmerzen verursache, bat also, er wolle ihm die geschwürige Materie mit der Zung ablecken, ob welchem anfangs der heilige Wann ein natürliches Abscheuen getragen, doch endlich allem Widerstand der Natur ganz lobwürdig[105] obgesieget, und als er bereits mit der Zung den Unflath aus der Nase wolle ziehen, siehe Wunder! anstatt des eiterigen Wustes, zog er ein sehr kostbares Edelgestein in den Mund, worüber dieser elende Aussätzige, massen Christus der Herr selbsten gewesen, augenblicklich verschwunden.

Die Erinnerung dieser Geschichte hat mich mehr zum Mitleiden bewogen, absonderlich, weil ich sah, daß der grausliche Aussatz diesen Menschen gar so häufig überzogen, da ich nun in Mitte dieser Gedanken gestanden, redet mich ein bekannter Barbierer an, ich soll mich doch von diesem gewissenlosen Lumpengesind nit bethören lassen, als welches durch lauter Betrug und Falschheit das Allmosen von den Leuten erpresse, er wisse nur gar zu wohl, daß dieser lose Gesell der gesundeste Mensch, seine Gestalt zwar dem Aussatz gleich sehe, aber in der Wahrheit seye nichts als die Falschheit, er nehme, wie ihm gar zu wohl bekannt, Bohnenmehl, gedörrte Wurzel vom wilden Sauerampf, die Suppen von gesottnen Ochsenfüßen, mache hieraus eine Masse oder Teig, streich damit die Haut an, welches nachmals der Tausende vor einen natürlichen Aussatz thue halten. O Schelmen! gedachte ich, wie groß ist euer Anzahl? so findet man dann allerseits nichts als die Falschheit, a Dio, mein Weg ist weiter.

Kaum hatte ich etliche Schritt gethan, da kamen mir unter die Augen zwei sehr prächtig aufgeputzte Frauen, die auch Gestalt halber der schönen Rachel, um welche Jakob so viele Jahre gedient, nit viel nachgaben. Es schimmerte alles an ihnen von[106] Gold, Perl und Edelgestein, daß mir schier eingefallen, als hätten sie die spanische Flotta beraubet. O sagte ich bei mir selbsten, das haben fast alle Weiber, daß sie wollen schön seyn, wenig seyn anzutreffen, wie da gewest die heilige Paula, eine spanische Jungfrau zu Abula, welche Gestalt halber sehr oft von vielen muthwilligen Gesellen ist angefochten worden. Als sie auf eine Zeit von einem dergleichen Luder zur Ungebühr gesucht worden, hat sie sich ganz schleunig in die Kirche des heiligen Laurentii begeben, daselbsten die Füß des gekreuzigten Jesu umarmet, und mit nassen Augen den Heiland ersucht, daß er doch möchte von ihr die schöne Gestalt hinwegnehmen, worauf ihr alsobalden ein spannlanger Bart gewachsen, die Stirn voller Runzeln, das Angesicht bäurisch, grob und holzhackerisch, wessenthalben sie aller Gefahr entgangen, auch bis in den Tod einen heiligen Lebenswandel geführt, und in der Legend der Heiligen, Paula barbata, die bartete Paula genennet wird.

Desgleichen wird man wenig zählen in der Welt, wohl aber die Menge derjenigen, so die schöne Gestalt über alles, und gleichsam anbeten, und zwar obgedachte zwei Frauen waren ganz und gar über diesen Leist geschlagen, ich machte mir die Einbildung, als hätten beede erst dieses Jahr geheirathet, dann sie sehr jung scheinen, ich bin aber nit lang hernach mit Wahrheit berichtet worden, wie daß nit ein redlichs Haar an ihnen, beede voller Falschheit, die Kleider falsch mit leonischen Spitzen, die Perl um den Hals falsch von venetianischer Masse, der Geschmuck falsch von böhmischen Steinen, die Haar falsch, massen[107] selbe nur fremde, die Zähn falsch, und zwar von Elfenbein, die sie alle Nacht aus dem hohlen Graben herausziehen, die rothe Farb im Angesicht falsch, dann sie nur ein gemalter Anstrich, sogar mit Ehren zu melden, das Hemd falsch, dann nur die Aermel von aussen her aus subtiler Leinwath, das übrige aber alles aus grobem Zwilch, also sagten die Leut, weilen ich dann alles falsch all diesen zweien Frauen erfahren, hatte ich bei mir entschlossen, gar nit mehr wegen der Redlichkeit umzufragen, zumalen solche nirgends anzutreffen, zweiflete aber gleichwohl, ob selbige nit möcht wenigst in den Gemüthern der Menschen zu finden seyn, dann ich erinnerte mich, was massen Christus der Herr dem Nathanael dieses Lob gegeben, daß er ein wahrhafter Israeliter seye, in dem kein Betrug, aber ich nach allem angewendtem Fleiß konnte keinen Nathanael mehr zu sehen bekommen, und forderist zu Hof hab ich wahrgenommen, daß nit drei Quintl von der Redlichkeit zu spüren, auch der Herr Kandidus völlig vom Hof geschafft seye.

Sehe jemand zu, wie jene zwei Kavalier in der Antecamera so freundlich mit einander reden, mit was großen, auserlesenen, vielfältigen, liebreichen, schönen, artlichen, wohlanständigen, und freundlichen, und höflichen, und manierlichen Ceremonien haben sie da einander empfangen: Ich habe vorhin gelesen, wie daß man die Ceremonien in der Kirche auf keine Weis soll verhöhnen noch auslachen, massen mir selbsten bekannt, wie vor 15 Jahren ein unkatholischer Kaufmannsdiener die Kirchen-Ceremonien in der Charwochen bei St. Stephan allhier zu Wien ausgespottet, gleich hierauf ganz[108] unsinnig worden, und als er nach Haus wurde geführt, ihm selbst unterwegs die Zung abgebissen, also getrauete ich mir auch nit die Ceremonien, ob sie schon nit heilig, dieser zweien Hof-Herren gering zu schätzen, dann ich glaubte, daß die liebe deutsche Redlichkeit selbige in ihrem Rituali habe vorgeschrieben; ich bin aber bald berichtet worden, wie daß solche Zwei aufs Höchste entzweiet seyen, doch aber solchen Haß mit dem Simulanten- Mantel bedecken, und auf Katzen-Art den Wust mit Sägspän zuhüllen, dann bei dergleichen ist der Brauch, mit dem Maul sagen: bona dies, im Herzen aber tragen einen Spieß; mit den Füßen machen Reverenz, im Herzen aber reverenter etwas anders, den Hut tragen in der Hand, einen Filz aber im Herzen; den Leib höflich neigen, im Herzen aber ungeneigt seyn; im Maul ein freundlicher Gruß, im Herzen ein feindlicher Graus; mit der Zung sagen: ich will dir wohl, mit dem Herzen klagen, daß dich der Teufel hol! mit dem Maul sagen frater, im Herzen aber seyn ein Verräther; auf der Zung das Ave, im Herzen Cave, in Summa äußerlich alles Gold, inwendig aber nit hold.

Joab, ein vornehmer Mann in den Diensten des Königs David, Amasa auch nahend beim Brett im selbigen Hof, beide stattlich und statistisch; aber, Joab wußte den Wolfspelz, welches unter dem rauhen Futter zu Hof eine gemeine Tracht, weit besser zu verbergen. Diese beiden Herren begegneten einander bei Gabaon; Joab von weitem fangt schon an die Komplementa zu schneiden, willkomm! willkomm mein lieber Bruder Amasa! fasset zugleich mit der[109] rechten Hand den Kinnbacken, als wann er ihn küssen wollte, unterdessen sticht er ihn mit der linken Hand zu todt, daß ihm das Gedärm herausgehangen. Da hast du die Redlichkeit zu Hof!

Serarius schreibt, daß bei dem Rheinstrom ein Mann seye gewesen, eines frommen und gottseligen Wandels, eine Sach aber wollt er und konnt er nit glauben in der heiligen Schrift, benanntlich daß Samson auf einmal dreihundert Füchs habe gefangen, ihnen brennende Fackeln an die Schweif gebunden, und doch von keinem gebissen worden. Dieser Simplicius hat sollen wissen, gleich wie in Polen und Moskau die Menge der Bären, in Afrika die Menge der Löwen, in England und Holland die Menge der Königlein, also in Palästina, wo Samson sich aufgehalten, die Menge der Füchse zu finden gewesen. Zum andern ist es ein absonderlicher Willen gewesen und Schickung Gottes, daß dem Samson zur Bestrafung der Philistäer so viel Füchs eingangen, gleich wie dem Petro auf einmal so viel Fisch, der vorhero umsonsten die ganze Nacht hindurch hat gearbeitet. Die Menge der Füchs war nit allein zu finden dazumalen in demselbigen Land, sondern nach der Zeit in einem jeden Land der ganzen Welt arglistige und betrogene Füchs seynd allerseits anzutreffen, von der Zeit an, da die Schlang, als die arglistiger laut göttlicher Schrift, als alle Thier auf Erden, unsere ersten Eltern hinter das Licht geführt, ist an allen Orten die Redlichkeit verbannisiret, und hat der Betrug und Falschheit meistens überhand genommen, und was Christus der Herr einst den Aposteln gesagt hat: vos estis lux mundi,[110] et sal terrae, kann man anjetzo den mehristen Leuten, absonderlich zu Hof, sagen, vos estis Fux mundi, et Schaeh terrae etc.

Ein solcher Fuchs war Herodes, nachdem solcher in Erfahrenheit gebracht, daß ein neuer König der Juden, wie es die drei Monarchen aus Orient vorgebracht, sey geboren, hat er alsobald kleinmüthige und furchtsame Gedanken gehabt vom Verlust seines Scepters, demnach alle Mittel ersucht, wie er solchen möcht aus dem Weg raumen, auch hat ihn gedunkt, er könne nit besser zum Zweck gelangen, als durch die Politika, welche eine allgemeine Kupplerin, die alles weiß zuweg zu bringen, stellt sich derhalben gar freundlich gegen erstgedachte drei Könige, sprechend, sie sollen ihm diese Lieb und Freundschaft erzeigen, und ihm die ganze und gewisse Nachricht geben, wann und wo sie den neugebornen König haben angetroffen, damit er auch nach Schuldigkeit denselben möge anbeten und verehren. O schelmischer Fuchs!

Der lieben Redlichkeit hat auch einen großen Schimpf angethan Hatto, ein Erzbischof zu Mainz, welcher Alberto, Grafen zu Bamberg, durch so zuckersüße Wort das Maul gemacht, als woll er ihn bey dem Kaiser Ludwig III., dessen Bruder Konrad er unrecht unterdrückt, wieder in Gnaden bringen, auch es mit einem Eid bestätiget, daß er ihn frisch und gesund wieder nach Haus wolle führen; wie, sie nun wirklich auf dem Weg, damit der arge Hatto seinem Schwur nachkomme, wendet er sich gegen den Grafen, sprechend: wir haben unser Sach so gar weislich nit angegriffen, dann es sehr rathsam, daß wir wieder zurück nach dem[111] Schloß kehren und zuvor ein kleines Mittagmahl einnehmen, welches auch also geschehen, gedachte sodann der schlaue und falsche Hatto, daß er solchergestalten seinem eidlichen Versprechen schon habe genug gethan, indem er ihn frisch und gesund wieder nach Haus gebracht, nach vollendtem Mittagmahl begibt er sich mit dem Grafen und guten. Albrecht von Bamberg, so sich aller Redlichkeit getröst, ganz schleunig in das Lager zu dem Kaiser, überantwortet ganz verrätherisch ihn, wie er dann gleich darauf mit dem Schwerdt daselbst ist hingerichtet worden. O Schalk, und zwar ein Erzschalk!

Die liebe Redlichkeit hat bei der Nase gezogen Absolon, der sonst schöne gekraußte Haar, aber nit ein Haar-groß Redlichkeit hatte, dieser wollte an seinem Bruder Ammon rächen die Schmach, welche er der Schwester Thamar angethan, konnte aber nit anderst, ja wollte nit anderst die Sach angreifen, als mit List und Betrug, begehrt von dem König David, daß Seine Majestät doch wollten seinen Kindern die gnädigste Erlaubnuß ertheilen, daß er sie mit einer geringen Mahlzeit dürfte traktiren, absonderlich aber wolle er gern seinem lieben Bruder Ammon eine Ehr anthun; (ja wohl Ehr) der König David verwilligt es, die durchlauchtigsten Gäst erscheinen, man trägt herrlich auf, es war eine Menge der Schüsseln und guten Bißl zu sehen, die Gläser gallopirten gar lustig bei der Tafel herum, der Ammon bekam zum allerersten einen guten Spitz, und ließ ihm gar nit traumen von einem eisenen Spitz, welche der falsche Bruder durch hierzu verordnete Knecht schon angestellt[112] hatte. Mein lieber Bruder, sagt Absolon zu ihm, das thue mir noch bescheid, schenkt ihms wohl und voll ein, Bruder gar aus! (freilich war es mit ihm gar aus) dann unter diesem Trunk der Absolon seinen Knechten einen Wink gethan, worauf sie den Ammon jämmerlich ermordet. O Falschheit!

Ich sahe also gar scheinbar, daß die Falschheit bei der Hof-Tafel fast den ersten Sitz hatte, und lobte beinebens die Lateiner, daß sie den Hofstaat nit anders genennet haben, als Aula, welches im Buchstaben-Wechsel Laua lautet, das heißt so viel, als wasch mir den Pelz, und mach mir ihn nit naß. Solche falsche Hofleut, die im Maul Honig, im Herzen höhnisch seynd, die in Worten Zucker, im Herzen Zanker seynd, die von aussen eine Lieb, von innen ein Dieb tragen, die kommen mir vor, wie der Zeiger auf einer großen Uhr, dieser auf einer Seite ist gestaltet wie ein Herz, auf der andern Seite sieht er aus wie ein Pfeil, nit viel anderst seynd dergleichen Hofleut, als welche sich die beßten und herzlichsten Freund unter die Augen stellen, im Herzen aber auf allweg suchen denselben zu verfolgen, und ihm tausend Prügel unter die Füß zu werfen.

Nun hatte ich bei mir gänzlich entschlossen, nit aufhören zu suchen, bis ich die liebe Redlichkeit würde finden, erblickte demnach in einem Kaufmanns-Gewölb zwei gute Freund bei einer Kandel Wein sitzen, ich hätte mich nit unterfangen, den Kaufmann zu fragen, wer diese seynd? wann wir nit hiezu sein ausgehenkter wunderlicher Schild hätte Anlaß gegeben, dann auf diesem war nichts anders zu sehen, als etliche Bücher mitten im Feuer liegend, hab also mich nit[113] können enthalten zu fragen, warum dieses auf den Schild gemalet worden? worauf mir der Kaufmann die Antwort versetzt, wie daß vorhin so viel Waaren auf Borg ausgenommen worden, und ein jeder versprochen, als ein redlicher Mann zu zahlen, der Wenigste aber sein Wort gehalten, als seye nunmehr der Kredit bei ihm aus dem Leim gangen, und borge auch keinem mehr auf seinen redlichen Namen einen Pfennig, sondern deute allemal auf seinen Schild, wie daß seine Schuldbücher wären im Feuer verbronnen. Ich seufzte bei mir selbst, daß auch allhier die Redlichkeit nit anzutreffen, und fragte beinebens, wer diese Zwei wären, die also stark die Festung Kandelberg belägerten? da mußte ich anhören daß einer ein reicher und wohlhabender Herr seye, der andere aber nur ein Schmarotzer, und gebe sich zwar aus vor seinen guten Freund, dem aber nit also, da ist mir gleich eingefallen der geduldige Job, welcher auch geglaubt, er habe die redlichsten Freund, unterdessen aber hat es geheißen, ubi dapes, ibi apes, Brod-Freund, und nit Noth-Freund.

Nachdem Gott der Allmächtige den Job wieder in guten Stand gesetzt, und ihm alles verdoppelt, ja dergestalten bereichet, daß er 14000 Schaf, 6000 Kameelthier, 1000 Joch-Ochsen, 1000 Eselinnen bekommen, und in allem und jedem den Ueberfluß, da haben sich seine Freund in der Menge und Länge angemeldet, venerunt et comederunt panem cum eo, mit ihm wohl auf, und guter Ding gewest, mein Bruder, hats geheißen, ich erfreue mich von Herzen deines Wohlstands, deiner Gesundheit, es gilt eins[114] Nachbaur Phatuel, in Gesundheit unsers liebsten Bruders Job, Vivat, auf viel, und gar 300 Jahr Vivat! So lang Job Fortunatus hat geheissen, so lang der Herr Faelicianus sein Hauspfleger war, so lang die Kuchl bei ihm geraucht, so lang waren Freund genug bei ihm, an ihm, um ihm: sobald er aber Gut verloren, Blut verloren, Geld verloren, Zelt verloren, Haus verloren, Schmaus verloren, und zuletzt gar kommen auf den Misthaufen, da hat er auch verloren den andern Haufen, nämlich einen ganzen Haufen Freunde, fratres meos longe fecit a me, diese haben sich aus dem Staub gemacht, wie die Fliegen aus einer kalten Kuchl, diese haben es gemacht, wie die Schwalben, welche so lang den Hausherrn mit ihrem Geschwätz liebkosen, wie lang es warme und lustige Zeit ist, sobald aber der kühle Herbst herbei nahet, sodann nehmen sie hinter der Thür den Abschied, und verlassen nichts hinter sich, als ein beschmutztes Nest. Diese haben es gemacht, wie ein klares Bächlien, welches so lang mit seinem silberstrahlenden Wässerl zwischen dem Gehäg und Stauden daher rauschet, so lange es warme Zeit ist, sobald aber der rauhe Winter anklopft, so dann es aufhört zu rinnen, ja ganz und gar erstarret. Diese haben es gemacht wie die Fisch im Teich oder Weiher, welche niemalen den Kopf aus dem Wasser in die Höhe heben, ausser man wirft ihnen etliche Brocken Brod hinein, diese haben es gemacht wie die Egel, welche so lang dem Menschen anhangen, bis sie mit Blut gnugsam gesättiget, alsdann tanzen sie den Kehraus.[115]

Mannlius von Sinzerau hatte einen, seines Gedunken nach, den besten Freund, ohne den konnt er nie leben, ohne den konnt er nit essen, ohne den konnt er nit seyn, ohne den trank er keinen Wein, dann solcher gar das Leben vor ihn zu lassen, öfters versprochen, und mit tausenderlei Verheissungen das Maul gemacht, ja, sagte er mehrmalen, ich biete einen Trutz des Diokletiani seiner Grausamkeit, des Domitiani seiner Unmenschheit, des Valentiniani seiner Tyrannei, des Maximinian seiner Keierei etc. Diese und alle andern sollen mich nit können abwendig machen. O! O! O! (Vocativus du schlimmer) O wollt Gott, es wäre die Gelegenheit, auch tausend Leben vor dich zu geben, all Teufel in der Hölle Regimentweis kommen und holen mich, wann ich nit vor dich, liebster Bruder, lebe und sterbe etc. Mannlius wollt es doch probieren, ob dem also? läßt derohalben zu einer andern Zeit, nach vielen freundlichen Diskursen, einen gar guten Wein auftragen, und nachdem sie beederseits gar eine schleunige Expedition mit den Gläsern gemacht, fängt Mannlius folgende Wort an zu reden:

Mein Bruder, unsere Freundschaft müssen wir rechtschaffen bestätigen, zu dem End laßt uns heede niederknien, und ein jeder drei Gläsl austrinken, unterdessen aber fängt Mannlius eine lange, lange Histori und Geschicht zu erzählen, und machte mit allem Fleiß dessen kein End, dahero der andere Prahlfreund aus Ungeduld in diese Wort ausgebrochen: Du Parlaments-Narr, stehe lieber auf, und erzähle dieses Mährl, der Teufel knie wegen deiner so lang etc. So, setzt hinwieder der Mannlius, so bist du ein solcher[116] Freund! du hast allen Teufeln in der Hölle die Ohren abgeschworen, daß vonnöthen wäre, sie thäten derenthalben Parokka tragen, du wollest vor mich sterben, und tausend Leben geben, anjetzo aber kannst nit eine kleine Zeit wegen meiner knien, auf solche Weis bist du nur ein Kandl-Freund, und kein erkanntlicher Freund, auf solche Manier bist du nur ein Waarfreund, und kein wahrer Freund, auf solchen Schlag bist du nur ein Ramant, und nit ein Amant etc.; dieser aber bekräftigte es mit tausend Schwüren, daß er es nit also vermeint habe.

Ein andersmal wollt es wiederum der Mannlius versuchen, ob dieser Feingold oder Leonisch seye, zu solchem End steckte er auf eine Zeit ein abgestochenes Kalb in einen Sack, daß aller Orten das Blut durch und durch schweiste, trägt solches bei nächtlicher Weil zu mehrbesagtem Freund, weinend und lamentirend, was ihm vor ein Unglück widerfahren; o liebster Bruder, sprach er, was hab ich gethan! Ach was Elend hat mich überfallen! wann du mir nit an die Hand gehest, so bin ich verloren, verloren bin ich etc. ich hab aus jähem Zorn meinen Buben, den Valentin, umgebracht, es weiß noch kein Mensch nichts davon, also bitte ich dich, liebster Bruder, ich bitte dich um Gottes willen, begrab solchen in der Still in deinem Garten, damit also diese meine Unthat nicht lautmährig werde. Sagt der andere, du den Valentin todt geschlagen? ich den Valentin hinter mein Haus begraben? nur das nit, begehr nur das nit von mir, da käm ich in des Täubels Händ, Potz tausend Element, was thät ich mir selbsten vor[117] ein Bad zurichten, da behüt mich Gott, daß ich mir wollt den Fleiß ohne F. in Pelz setzen. Ho! ho! spricht der Mannlius, und macht anbei den Sack auf, zeigt das abgestochene Kalb, bist du ein solcher guter Freund, der mir alles in der Welt versprochen, auch meinetwegen gar in Tod zu gehen, anjetzo aber spüre ich, daß bei dir Herz und Mund weiter von einander, als Passau und Erlau, nun erkenne ich, daß du nur ein Interesse-Freund, und kein Prodesse-Freund, ein reditus-Freund, und kein redlicher Freund, ein Semmel-Freund, und kein Semper-Freund, schlagt ihn anbei mit dem tobten Kalb über den Haufen, und verläßt ihm das Prädikat und Ehren-Titul eines falschen Schelmen.

Wie Christus der Herr von dem Berg Arlon, nit weit von Nazareth, auf die Ebne herabgestiegen, da hat er eine große Menge Volk wahrgenommen, worüber er sich alsobalden erbarmet, und solche wunderbarlicher Weis mit fünf Gerstenbrod und zwei Fischen dergestalten gespeist, und gesättiget, daß gleichwohl, unangesehen der Männer allein, ohne Weiber und Kinder fünftausend gewesen, die Aposteln von den überbliebenen Bröcklein Brod noch zwölf Körb angefüllet, wie dann zu Rom ein solches Brod und Fisch bei St. Joan. Laterano noch gezeigt wird.

Dieß Wunder hat sich zugetragen den 13. April, als Christus 32 Jahr, 3 Monat und 12 Tag alt war. Gleich nach diesem vollbrachten Wunderwerk wollte das Volk Christum den Herrn zu einem König machen, er aber ist verschwunden.[118]

Sonsten nie wollte das Volk ihn zu einem König machen, als diesmal, weil er nämlich ihnen das Maul ausgewaschen, dann aus den Fischen ein solcher edler Saft gangen, als wäre es der beste Wein, weil er sie in allweg gesättiget, dessenthalben seynd sie ihm also affektionirt gewesen. Es zählet Mancher eine ziemliche Zahl der guten Freunde, die seynd Tag und Nacht auf seiner Seite, die sumsen um ihn herum wie die Wespen um einen Zuckerhut, die loben ihn, lieben ihn, wie ein Marktschreier seine Wurmzeltl, er ist alles, er gilt alles, er hat alles, er bleibt alles, darum, weil er gibt alles, dahero solche nur Tafelfreund und Taffetfreund, nur Brockenfreund und Sockenfreund, nur Schüsselfreund und Bisselfreund zu nennen, auch nichts redliches an ihnen ausser das Maul, ihr ganzes Esse, ist wegen des Essens, ihr ganzer Affekt wegen des Konfekt, ihre ganze Brüderschaft wegen des Brättlsaft.

Bei dem Schwemmteich zu Jerusalem hat unser lieber Herr einen elenden und preßhaften Menschen angetroffen, der schon 38 Jahr daselbst war, dahero ihn der Herr befragt, warum er nit in so langer Zeit seine Gesundheit gesucht in solchem Fischteich? dar auf er die Antwort gegeben, er habe keinen Menschen: weil er arm gewesen, in der Noth gewesen, dessentwegen ist er auch verlassen gewesen. O wie Mancher ist von Haus und Hof kommen? wie Mancher vom Regimentsstab zum Bettelstab gerathen? wie Mancher von großen Mittel kaum einen Kittel anzulegen? frage ihn, wie daß er nit besser fortkomme? so würdest du hören, er habe keinen Menschen,[119] der ihm unter die Arme greise, vorhero Leut genug, bevor er zum Leiden kommen, vorhero Freund genug, Freund satt, so lang er sie hat gesättiget; vorhero Gäst genug, ehe es so garstig hergangen, jetzt in der Noth gehen 77 auf ein Loth, so ist auch unter guten Freunden wenig Redlichkeit zu finden.

Weilen ich dann die wertheste Redlichkeit auch nit unter den guten Freunden hab angetroffen, so hab ich mir gänzlich vorgenommen, noch weiter dieselbe zu suchen, wann mir auch sollten tausend Blattern auf den Füßen auffahren, bin dahero den geraden Weg zu zwei Brüdern gangen, weil ich wußte, daß aus diesen einer dem andern nit einmal ein ungeschaffnes Wort habe geben, aber dannoch leider! ist mir daselbst die Falschheit bei der Hausthür entgegen getreten.

Dies hat man schon bei denen ersten zwei Brüdern Kain und Abel wahrgenommen, wie der Kain hundert und fünfzehen Jahr alt war, hat er wegen des gefaßten Neid bei sich beschlossen, den Abel aus dem Weg zu räumen, aber durch Betrug und Falschheit, massen er den 25. Tag des März den Abel, so dazumal das hunderte Jahr erreicht, also angeredet: »Liebster Bruder, weilen heut der Himmel uns mit so günstigem Wetter anlachet, und die Annehmlichkeit der Luft allerseits gespüret wird, so laß uns diesen Tag ein wenig auf das Feld hinausspazieren, und die Zeit mit einer freundlichen Untersprechung zu vertreiben.« Wer hätte geglaubt, daß dieser Geselle seye wie die Apothecker-Pillen, so auswendig verguldet, innerhalb aber pfui Teufel! Abel urtheilte nit anderst, als daß er einen redlichen Bruder habe, dahero,[120] ohne weiters Widerreden, sich zu Allem willfährig gezeigt, und folgsam gern und urbietig sich mit ihm in das grüne Feld hinaus begeben, daselbsten unter dem allerfreundlichsten Gespräch und angenehmsten Reden seinen Vortheil ersehen, mit einem Tremmel ihm von Rucksher einen harten Streich auf das Genick versetzt, nachgehends denselben meuchelmörderisch zu todt geschlagen. An diesem Ort, allwo solcher Brudermord vollbracht worden, ist die Erd bis auf heutigen Tag ganz roth, und ist auch dahin die große Stadt Damaskus lange Zeit hernach gebaut worden. So ist dann unter den ersten zweien Brüdern die Redlichkeit schon verbannisirt worden.

In Böhmen hat Bouslaus falscher Weis seinen Bruder Wenzeslaus zu der Mahlzeit geladen, nachmals ihm den Rest geben. Ein solcher falscher Bruder ist wie der Wintergrün, der mit seinen Blättern, so wie die Herz aussehen, einen Baum umhalset, unterdessen aber ihm nach und nach den Saft, und folgsam das Leben nimmt.

In Dänemark hat König Froto V. mit vielem Versprechen und Liebkosen seinen Bruder Haraldus zu sich gezogen, nachgehends unbarmherzig ermordet. Ein solcher falscher Bruder ist wie ein Grabstein, welcher von Aussen sehr stattlich polirt, und herrlich glänzet, verdeckt aber unterdessen nichts anders, als wilden Gestank und abscheuliche Todtenkörper.

In Egypten hat der König Typhon seinen Bruder Osyrim also freundlich gehalten, daß er sich ganz falsch gestellt, als wollt er ihm die Regierung abtreten, Kron und Scepter überlassen, unterdessen nach[121] ersehenem Vortheil ihm das Leben genommen. Ein solcher falscher Bruder ist wie ein Apfel, der von Aussen her schön roth, zeitig, saftig und gut scheinet, inwendig aber durchnagen und wurmstichig.

In Asia hat Kambyses seinem Bruder Smerdem so schön gethan, daß solcher geglaubet, sein Bruder meine es ganz redlich, aber nachmals das Widerspiel mit Verlust seines Lebens erfahren. Ein solcher falscher Bruder ist wie der Schwan, welcher von Aussen mit ganz schneeweißen Federn bekleidet ist, unter diesen aber ein kohlschwarzes Fleisch stecket.

In Schweden hat sich der König Birgerus gegen seine zwei Brüder Valdemarum und Erikum also freundlich gestellt, daß sich keiner hätte träumen lassen von einer Falschheit, und gleichwohl hat er mörderisch seine Händ in dero Blut gewaschen. Ein solcher falscher Bruder ist wie s.v. ein Misthaufen im Winter, der zwar über sich einen schönen weißen Deckmantel, inwendig aber dadurch wild und abscheulich.

In Polen hat der Lechus seinem Bruder Krako lange Zeit den Fuchsschweif gestrichen, bis er ihn endlich hintergangen, und um das Leben gebracht hat. Ein solcher falscher Bruder ist wie Asche, so gar oft äusserlich her weiß und unschuldig einem vorkommt, unterdessen aber stecken gleichwohl glühende Kohlen darunter.

Zu Neapel hat Kaiser Konrad IV. seinem Bruder Henrich fast allemal ein gnädigstes Gesicht gezeigt, dannoch in der Still nach dessen Leben getracht, wie es nachmals im Werk selbsten vollzogen worden. Ein solcher falscher Bruder ist wie eine Wolfsgrube, die[122] über sich mit schönem grünen Gesträuswerk verhüllt, unter sich aber ein tiefer Kerker.

In Ungarn hat sich Attila gegen seinen Bruder Buda fast allemal geneigt und willfährig erwiesen, unterdessen aber denselben zum Tod gesucht. Ein solcher falscher Bruder ist wie manches Haus, so von Aussen her eine sehr schöne und prächtige Facciada zeigt, inwendig aber einer Mördergrube gleich sieht.

Also hat im Judenland der Joram seine sechs Brüder, der Abimelech seine 70 Brüder, in England Richardus der andere Thomam seinen Bruder, in Friaul Odelphus Franziskum seinen Bruder, im Orient Angelus Isaccum seinen Bruder hinter das Licht geführt. Also werden noch auf heutigen Tag in allen Orten der Welt solche Falschheiten unter den Brüdern wahrgenommen, und hat solches der Joseph nit allein erfahren von seinen saubern Brüdern, sondern auch unzählbare andere mehr. O wie mancher Bruder zeigt sich, wie jener Bauer gegen den Fuchsen, welcher vom Jäger mit Hunden gehetzt, und zu allem Glück sich in eine Bauern-Scheune salvirt, auch den Bauern auf das Schönste gebeten, er wolle seinen armen Fuchsbalg schützen, mit hohem Versprechen und Schwören, es soll hinfüro weder von ihm, noch seiner ganzen fuchsischen Kassada seinen Hühnern ein Leid geschehen. Der Bauer ließ sich überreden, und versteckt ihn unter das Stroh, bald hernach kam der Jäger, und fragt den Bauern, ob er nit habe gesehen einen Fuchsen vorbeistreichen? der Bauer antwortete, da und da hab ich ihn gesehen hinauslaufen, winkte aber indessen mit den Augen, daß er hier unter[123] dem Stroh verborgen liege, welches zwar der Fuchs, so unter dem Stroh in größten Aengsten hervor sahe, wohl, der Jäger aber, so nur auf die Wort und Wegweisung des Bauern Acht hatte, nit vermerkt; als nun der Jäger hinweggangen, deckte der Bauer den Fuchsen auf, und ließ ihn laufen, sprechend: »Mein lieber Fuchs, du kannst mir und sollst mir dein Lebentag dankbar seyn, auch deiner Zusagung nachkommen, dann durch meine Wort habe ich dich beim Leben erhalten.« »Ja!« sagt der Fuchs hinwieder, »dein Wund war zwar gut, aber das Augenwinken dank dir der Teufel.« Das ist die Art vieler falschen Brüder, die sich mehrmalen ganz redlich und gut zeigen mit dem Maul, unterdessen in der Stille einen verfolgen, und nach dem Sejnigen trachten. Dergleichen Exempel ist die halbe Welt voll. Um Gottes willen! wo muß ich dann die liebe Redlichkeit antreffen?

Da ich in dergleichen Gedanken gestanden, als wäre fast keine Hoffnung mehr, solche zu finden, erblickte ich ein paar Ehevolk, welche ein so freundliches Gespräch führten, daß ich hätte geschworen, es könne hierinnen keine Falschheit verborgen seyn, sondern beiderseits im Mund und Herzen logiere die Redlichkeit, bin ich aber bald hernach ganz anderst berichtet worden, daß sie Madame ihm zwar schön thäte, aber unterdessen gehe es ihrerseits nit redlich her.

Der König Pharao in Egypten hatte einen Kammerherrn, der zugleich auch ein Feld-Obrister war, Namens Putiphar, dieser aber hätte billiger sollen heißen Putanifer, dann er hatte eine Frau, seiner[124] albern Meinung nach, die allerredlichste, aber sie konnte sich meisterlich in die Falschheit schicken, nachdem sie die Augen geworfen in die schöne Gestalt des Joseph, so daselbsten in Diensten, so war zugleich auch die Keuschheit verworfen, darum ehrliche Weiber sollen beschaffen seyn wie der armen Leut ihre Suppen, die gar wenig Augen haben, sie feierte nit, und sucht in allweg, ihr übles Beginnen zu vollziehen, ja sie feurete nur gar zu stark, als welche der muthwillige Kupido so sehr entzündet hatte. Da auf eine Zeit ein vornehmes Fest eingefallen und mein Herr Putiphar den königlichen Hofstaat in den Tempel begleitet, dazumalen blieb das saubere Frauenzimmer zu Haus, beklagte sich wehmüthig, wie daß sie so überlästige Zahnschmerzen leide, ja die ganze Nacht hindurch habe sie nit ein Aug zugeschlossen, seye demnach ihr nit möglich, in so scharfe Luft zu gehen. Ach das seynd Schmerzen! (O Schelmen-Vieh im Herzen. Ach was leide ich! es wäre kein Wunder, daß ich den Kopf an eine Wand stoße. (O Bestia! an eine spanische Wand, die vor dem Bett stehet.) Ach Jammer! (si, si, wegen der Kammer) Mensch lauf geschwind in die Apothecke bei dem weißen Einkürn (gar recht) bring alsobalden ein gebranntes Hirschhorn (du armer Putiphar merkst das Konzept nit?) In Summa, ihr Herr hatte selbsten ein herzliches Mitleiden mit ihr, er könnte aber wegen seines Dienstes nit zu Haus bleiben, schaffte aber gar ernstlich den Menschern, daß sie auf die Frau Achtung geben und sie bestermaßen bedienen. O nein, mein Schatz, sagte sie, ich hätte dessenthalben einen ewigen Skrupel, wann ich[125] sie bei so hohen Fest nit in die Kirch thäte schicken, es ist schon gnug, wann der Verwalter, der Joseph, zu Haus bleibt, er pflegt ohnedas nit zu seyn bei unsern Festivitäten, weilen er auch nit unsers Glaubens. So seye es; der Herr fahrt aus, die Bedienten gehen aus, und die Zähnschmerzen seynd auch aus; Madame, die unverschämte et caetera etc., begehrt von dem Joseph, was die Ehrbarkeit und Furcht Gottes nit könnte zulassen; weil sie aber einen schlechten Bescheid auf ihr verruchtes Memorial erhalten, also thät sie bald die Lieb in Haß vertauschen, zeigt den Mantel, welchen der flüchtige Joseph in ihren Händen gelassen, ihrem Herrn, mit weinenden Augen, vorgebend, wie daß der vermessene und leichtfertige Hauspfleger ihr habe wollen Gewalt anthun, worauf der Putiphar ohne reifere Erwägung und fernerer Nachfrage der Sachen, gleich den unschuldigen Jüngling in Eisen und Banden schlagen lassen und in eine finstere Keuchen werfen. Da sollt man gehört haben, wie lobwürdig, wie ruhmwürdig er allenthalben von seiner Frau geredet, forderist zu Hof thäte er über alle Massen die Treu seiner Frau hervorstreichen; was wollt Lukretia gegen ihr seyn, glückselig und aber glückselig seye er, daß er ein so ehrliches und redliches Weib bekommen.

O Monsignor Simpl, wie wißt ihr so gar nit, falsitas cujus generis? ihr müßt glauben, daß Lust und List haben einen Sitz auf der Weiber Mist, ihr müßt darvor halten, daß Frau und Fraus einander gar nahend verwandt seynd. Wollte Gott, es wäre nir wahr, aber es ist nur gar zu gewiß, daß[126] eine unzahlbare Anzahl derer gefunden wird, die da glauben, es gehe in ihrem Ehestand ganz redlich her, da unterdessen die vermantlete Falschheit alle Untreu übet.

Jene gab eine sehr kluge Antwort, indem ihr Herr vernommen, daß dieser und jener mehrmalen eine große und namhafte Erbschaft bekommen, und sagte, daß er dießfalls so unglückselig seye, ja was mehr? er glaube, daß wann alle Teufel in der Hölle stürben, so würde er nit ein paar Hörner erben, worauf die Frau, die gar nit die Beste, geantwortet, mein Schatz, haben wir doch schon so genug, laßt uns mit diesem zufrieden seyn, er verstunde aber nit des arglistigen Weibs Bosheit.

Es hat aber auch den begangenen Ehebruch David wollen in Allweg verblümlen, indem er den Uriam gar zu Tisch gerufen, und ihm freundlich zugesprochen, daß er doch möcht ein paar Nächt zu Haus bleiben etc., der Feldzug könne wohl ohne seiner geschehen, er sehe gern, daß er seiner Frau zu Trost das Feld quittiren möchte. David hat auch seines gleichen viel, die sich stellen, als meinten sie es gar redlich, mit ihren Weibern, da unterdessen die Sach in weit anderem Stand und die Falschheit fein warm unter der Decke liegt; tausend Griffl, Vortheil, Arglist, Betrug könnte man beibringen, welche beederseits in dem Ehestand von der vermantelten Falschheit seynd erdacht worden, weilen aber dergleichen Geschichten mehrer zu einer Bosheit, und üblen Unterrichtung, als zu einer heilsamen Lehr möchten dienen, also bleiben solche mit der Verschwiegenheit zugedeckt[127] und verhüllt. Ware mir also sehr leid, daß ich so wenig Redlichkeit auch in diesem sonst lobwürdigsten Stand habe angetroffen.

Ich hörte gleich hierauf ein großes Geschrei, und ungeheures Getümmel im nächsten Haus, aus solchem Wetter und ungestümen Zank-Worten konnte ich mir leicht einbilden, es werde bald einschlagen, wie es dann nit anderst geschehen, und hatte Weib und Mann gergestalten duellirt, daß solcher grobe Takt beederseits eine blutige Musik verursachet, keinen andern Text hörete ich, so viel ich konnte vernehmen, als diesen: du Schelm! du hast mich betrogen, du Mörder! hast dich so fromm und heilig gestellt, daß ich geglaubt, du habest schon eine Supernumerari-Stell in der Litanei Aller-Heiligen, daß ich vermeint, du habest schon eine Expectanz zu einer Kanonization, jetzt sich ich, wie du mich übervortheilt hast. Ovidius fabelt viel, wie ich von unserm Präzeptor gehört, von dem Möttprofosen, oder wie ers genennet, von seltsamen Veränderungen, ich hab es leider anjetzo selbsten erfahren, daß du aus einem guldenen Helm, ein Schelm bist worden, aus einem Tempel, ein Tölpel bist worden, aus einem Engel ein Bengel bist worden. Unser Pater Prediger hat vor acht Tagen gesagt, daß Petrus habe einmal aus dem Wasser einen Fisch gezogen, in dessen Maul er ein Geld gefunden, solches Glück ist mir wegen Deiner nit wiederfahren, ob ich zwar dich als einen groben Stockfisch bekommen, so hab aber nichts anderst gefunden, als Tölpelthaler etc. Ja wohl, setzte hinwieder er, du verfluchte Höllenbrut! du ziehest mit[128] meinen Waaren auf den Markt, dein Konzept ist aus meiner Kanzlei, du, du, du hast mich betrogen, der Laban hat mit dem Jakob nit redlich gehandelt, indem er ihm anstatt der Rachel die Lia gegeben, dein Vater kann es in jener Welt nit verantworten, daß er mich also hinter das Licht geführt, mir spöttlich s.v. vorgelogen, du seyest ein frommes und häusliches Mensch, da unterdessen dich jedermann nennet ein höllisches Pantherthier, du hast dich freilich ganz züchtig gestellt, und hätt ich schier geglaubt, dein Tag seye den 28. Dezember, aber jetzt sieht man, daß in der ganzen Offenbarung Joannis kein ärgers Thier beschrieben wird, als du bist; mit falscher Münz werden die Leut betrogen, und ich mit dir, die seynd ja leichtfertige Leut, welche Zucker im Mund, und Pfeffer im Herzen tragen, das finde ich bei dir etc. Mein Gott! gedachte ich, so wird dann in dieser ganzen und langen Disputation nit einmal die liebe Redlichkeit citirt.

Freilich gibt es die tägliche Erfahrenheit, daß im Heirathen große Falschheiten unterlaufen, es ist die Thamar gar nit allem, welche den Judam im alten Testament, als er auf dem Weg war, nach Thammam, hinter das Licht geführt, und mit ihrer Weiberlist ihn ertappt, sondern es seynd viel tausend ihres Gleichen, welche mit schlauen Griffeln und Verschlagenheit die Männer erwerben. Eines ist, so allhier ungefähr vor 19 Jahren sich zugetragen.

Ein vermöglicher und wohlhabender Kaufmann zu Wien wurde durch einen unverhofften Tod seiner Frau verwittibt, wessenthalben er sich nit allein stark[129] betrübt, sondern es schmerzte ihn zugleich, daß seine Wirthschaft wegen Mangel einer Hausfrau auch handgreiflich den Krebsgang nehme, mußte also gezwungen bei sich beschließen, zur andern Ehe zu treten, konnte aber noch eigentlich nit ein festes Absehen haben auf eine gewisse Person, welches sein arglistiges Dienstmensch gar wohl in Acht genommen, auch auf Mittel und Ränk gedacht, wie sie doch möcht diesen so guten Fisch ins Netz bringen, zu solchem End sie bei nächtlicher Weil einen schwarzen Rock angezogen, die Hälfte aber des obern Leibs war ganz weiß, sogar auch thäte sie das Angesicht mit weißem Semmelmehl überziehen, und solchergestalten mit tiefem Seufzer und Wehklagen ihrem Herrn beim Bett erscheinen, welches ihm, wie unschwer zu glauben, einen sondern Schrecken verursachte, meistens darum, weilen nit lang vorhero seine Liebste mit Tod abgangen, wußte demnach in Gestalt der Sachen keinen bessern Rath zu suchen, als bei den Geistlichen, welche dann ihm sämmtlich nicht anderst eingerathen, als daß er nach vorhergehender vollkommener Beicht und heiligen Kommunion soll unerschrocken den Geist befragen, was dann sein Begehren seye? dem er dann in allem emsig nachgekommen, und wie dieser schlaue Kittelgeist wieder bei der Nacht erschienen, so fragt er ihn, zwar mit Schrecken und Zittern: alle guten Geister loben Gott den Herrn etc., was sein Verlangen seye? wer er seye? in was Stands er seye? Ach! ach! ach! O Schmerzen! O Schmerzen! über alle Schmerzen! ich bin deine geweste Ehewirthin, und bin vor dem gerechten Gott wegen meiner noch nit recht abgebüßten Sünden,[130] auch anderer Unvollkommenheiten in die zeitliche Strafe des Fegfeuers gestoßen worden; ach! ach! ach! O Schmerzen! O Schmerzen! über alle Schmerzen! Wohlan, sagt er, ist dann einiges Mittel, dir zu helfen, und dich aus solchen Peinen zu erlösen, so entdecke es, ich will allen möglichen Fleiß auch Unkosten anwenden, dir zu helfen; ach ja, ja! seufzete dieser langzopfete Geist, ja, sprach er, weilen ich bei Lebzeiten nach Weiberart auch der Hoffart ziemlich ergeben war, derenthalben ich auch anjetzo also leide, so will mich auch der genaue göttliche Richter nit frei- und los lassen aus diesem so peinlichen Kerker, bis du ein Werk der Demuth übest, und dein ohne das treues Dienstmensch die Mariandl heirathen thust. Hiemit packte sich der verstellte Geist wieder aus den Augen, dem Herrn aber nit aus der Gedächtnuß; dann in aller Frühe des andern Tages er sich mit seinen Bekannten und Anverwandten berathschlaget, wie der Sache zu thun wäre? deren etliche es vor eine Geschicht, andere vor ein Gedicht gehalten, der Herr aber hatte schon gänzlich entschlossen, gedachtes Mensch zu freien, es wurden auch alle gehörigen Anstalten hiezu gemacht, und wäre sie unfehlbar zu ihrem gewünschten Ziel gelangt, dafern sie solchen angestellten Possen nit offenbaret hätte ihrer vertrautesten Dauzschwester, welche aus Neid, daß diese sollte eine so große Frau werden, alles umständig entdeckt, und an Tag geben. So viel mir bekannt ist, hat sie nachmals ihren Ehrentag im allgemeinen Zuchthaus gehabt.

So hab ich dann weder Land, weder Stand, weder Sand, weder Hand, weder Wand angetroffen,[131] wo nit einige Falschheit begegnet, aber doch hab ich mir eingebildet, daß solche gar keinen Fuß darf setzen in die Tribunalien und Gerichte, es hat mich aber auch diesfalls meine Meinung betrogen, dann ich allda so viel falsche Bericht, falsche Zeugen, falsche Schwür hab wahrgenommen, daß mir die Haar gen Berg gestiegen, und fast gezweifelt, ob dann ein Ort in der Welt seye, wo alles redlich hergehet. Insonderheit aber ist mit blutigen Zähren zu beweinen, daß solches Unheil auch bei den Gerichten eingeschlichen.

Das hat erfahren der Heiland Jesus selbsten, als er mit großem Ungestüm an Band und Ketten angefesselt, bei nächtlicher Weile vor den Kaiphas geführet worden, welcher in allweg suchte, Christum den Herrn aus dem Weg zu räumen. Zu solchem Ende hat dieser boshafte Hohepriester, welcher durch Geld diese geistliche Dignität von dem König Herode Ascalonita erhandelt, bei der Nacht den ganzen hohen Rath, welcher in zwei und siebenzig Stimmen bestanden, ernstlich lassen ansagen, wobei auch der Herr Jesus, als bereits ein Gefangener und ihrer Bosheit nach vermeinter Uebelthäter erschienen, und weil der vor Zorn rasende Kaiphas der Wahrheit gemäß wider Ihn nit konnte verfahren, so hat er theils durch gute Wort, meistens aber durch Geld und Schenkungen, etliche gewissenlose Schelmen aufgetrieben, die mit allerlei ungegründeten falschen Zeugnissen hervorkommen. Nachdem der Heiland Jesus glorreich vom Todten auferstanden, und solches die Schildwacht bei dem Grab nur gar zu gut gesehen, so haben die Hohepriester und vornehme Synagoger den Soldaten gespendiret,[132] und ein Ziemliches auf eine Pfeife Toback gegeben, damit sie nur sollten falsches Zeugnuß geben, wie daß den Leib des gekreuzigten Nazaräer seine Jünger bei nächtlicher Weile haben hinweg praktiziret, welches dann auch die Quardiknecht, so ohnedas nit gar eng Gewissen tragen, gar gern gethan, und anbei nit betrachtet, wie mißfällig es seye in den göttlichen Augen eine solche Falschheit.

Jene alten Limmel und Schimmel, welche mit falscher Unzucht die keusche Susanna bei der Obrigkeit also angegeben, als ob sie die allerunverschämtiste Ehebrecherinn seye, seynd sein schön von dem allwissenden und gerechten Gott entdeckt, als der gar selten solche Falschheit ungestraft läßt, und von dem gesamten Volk versteinigt worden, die also arm an ihrer Ehr und Redlichkeit gewesen, seynd billig dergestalten steinreich worden.

In dem Leben des heil. Martyrers Quintini wird eine seltsame Geschicht eingeführt: Einer, Namens Bernuinus, war so vermessen, daß er bei Gericht, wegen eines Walds, so von Rechts wegen der Kirche des heiligen Quintini zugehörig, ein falsch Zeugnuß ablegte; worauf aber gleich folgende Nacht der heilige Martyrer diesem gewissenlosen Menschen erschienen, ihn bei der Nase gezogen, sprechend: Du bist ein falscher Schelm. Früh Morgens, als er die Kleider angezogen, erzählet er seinem Weib den gehabten Traum, nun, sagte er, heut hab ich eins von Quintino auf die Nase bekommen, vielleicht, weilen ich ihm habe eins auf die Nase geben, wäschet hierüber nach Gewohnheit das Angesicht, und als er mit[133] den nassen Händen über die Nase gefahren, da ist von freien Stücken dem Kerl sein Schmecker in das Handbeck herunter gefallen, und hat er wahrgenommen, daß er in seinen falschen Reden ein Ovidius gewest, aber nunmehr kein Naso. Der stolze Gesell hat sich zwar ferner wegen des Waldes nit mehr angemaßt, aber gleichwohl hat er gesucht, nasenwitzig zu seyn, und ihm eine guldene Nase lassen verfertigen, welche er gar manierlich konnte und wußte anzuhängen. Aber der heilige Quintinus wollte auch diese nit leiden, sondern ihm bei der Nacht mehrmalen erschienen, bedrohend, dafern er ohne Nase nit wollte seyn, so habe er das größte Uebel zu gewarten, dann Gott, als die ewige Wahrheit, wolle dessenthalben solches Zeichen an ihm erhalten, damit die Welt sehe, wie so mißfällig seye seinen göttlichen Augen das falsche Zeugnuß. Durch solche schwere Bedrohung ist er dergestalten bewegt worden, daß er nit allein sich selbst die falsche Nase abgenommen, sondern auch solche zum Zeichen seiner begangenen Falschheit öffentlich in der Kirche aufgehängt.

Falsch Schwören ist schwer, und schwöret Mancher dem Teufel ein Ohr ab, und kommt nachmals zum Teufel, welcher sein Ohr wird ziemlich rächen. Bei Karolo Magno, lobwürdigsten Kaiser, haben sich zwei Schwestern eines Herzogs in Franken beklagt, wie daß ihnen ihr Bruder die gebührende Erbsportion ganz gewissenlos entzogen. Der Herzog wurde dessenthalben befragt, so aber alles rund abgeläugnet, auch noch hierüber sich zu einem Jurament freiwillig anerboten, sobald er aber solches falsch abgeleget,[134] ist er urplötzlich dahin gefallen, das Eingeweid wie ein verzweifelter Judas herausgeschüttet, und solchergestalt von der zeitlichen Strafe zu der ewigen kommen.

Zu Rom, in der Kirche des heiligen Antonii, wird ein Bild gezeiget, worauf ein Mensch in Mitte der Feuerflammen zu sehen, darunter die Schrift verfasset: »Marcus, ein Soldat von Brixen, als er auf dem Altar des heiligen Antonii einen falschen Schwur abgelegt, ist wunderlich durch das Feuer verzehrt worden. An. 1587.«

Bauren seynd Lauren, ja mancher wohnet unter einer mit Stroh bedeckten Hütte und hat beinebens nit allzeit Stroh im Hirn, und so auch Petrus manchem Bauren sollte das Ohr abhauen, wie dem Malcho, so bliebe gleichwohl noch etwas übriges hinter den Ohren. Dergleichen schlauer Gesell war jener Bauer, welcher von dem Grund, so der Kirche des heil. Eguini zugehörig, einen ziemlichen Theil ihm zueignete, und als er derentwegen vom Gericht einen scharfen Befehl bekommen, daß er solle an einem bestimmten Tag erscheinen und daselbst ein Jurament ablegen, daß solche Erde sein seye, dem auch der Bauer emsig nachkommen, zuvor aber in seine Schuh etliche Hände voll Erde, die er aus seinem eigenen Haus genommen, arglistig geschüttet. Als er nun vor Gericht, vermög des ergangenen Befehls, erschienen, und geschworen, daß er auf seiner ihm eigentlich zugehörigen Erde stehe (verstunde aber, die er aus seinem Hause gegraben) hat ihn seine in der Hand haltende Sichel durch eine unsichtbare Gewalt also verwundet, daß er gleich hierauf todt dahin gefallen.[135]

Ein verwegener Gesell, der ohnedas den stylum furandi wohl praktiziret, hat auf eine Zeit von der Schafheerd des heil. Maldhog einen Widder hinweggetrieben und damit seine Diebs-Wampen angefüllt, als er aber dessen bezüchtiget worden und dannoch vermessener Weise in Gegenwart erstbenannter Heiligen einen falschen Eid abgelegt, ist ihm alsobald ein Ohr von dem verzehrten Widder oder Kastraun aus dem Maul herausgehangen, welches allen Umstehenden ein Gelächter, Gott dem Allmächtigen aber Ehr und Glori verursachet, der so wunderlich die falschen Schwörer entdecket.

Dergleichen könnte eine Zahl fast ohne Zahl beigebracht werden, aus welchem sattsam erhellet, wie hart die göttliche Gerechtigkeit mit denjenigen verfahre, so ganz gewissenlos sich unterstehen, ein falsches Jurament abzulegen, aber ungeachtet der stets ausgestreckten göttlichen Ruthe wollen sich die vermessenen Adams-Kinder so gar nit bessern, sondern mehrmalen ohne Scheu und Reu, als wäre weder Gott noch Höll, in öffentlichen Gerichts-Stuben mit ungerechtem und falschem Schwören sich verdammen.

O du liebe Redlichkeit, so suche ich dann dich an allen Orten umsonst, hab schon etliche Blattern an Füßen wegen des steten Laufen, nunmehr aber ist meine Hoffnung in Brunnen gefallen, ich finde aber, daß auch im Brunnen, wo es sonst alles klar ist, falsch hergehe, dann daselbst sieht man den Himmel, samt seinen hellstrahlenden Lichtern, so man aber die Lichter beim Licht beschauet, sodann zeigt sich eine pure Apparenz. A Dio! das Suchen wird mir zu[136] lang, ich befügte mich demnach in die nächste Kirche des heil Märtyrers Fidelis, daselbsten etliche Vater unser Gott dem Herrn abzulegen, und nachmals zu Haus etwas anderst unter die Hände zu nehmen, hab aber mehrmalen erfahren, daß es auch daselbsten nit fideliter, das ist, nit redlich, hergehe, dann wie ich mich sehr verwundert über ein Weib, welche allda mit solcher Inbrunst gebetet, daß ich glaubte, sie werde bald dritthalb Klafter von der Erde verzucket werden, sagte mir der Nächste auf der Seite, er halte davor, daß diese eine fromme und gottsfürchtige Seel sey; allein vor einem Jahr seye in diesem Mark-Flecken eine Hex verbrannt worden, welche fast allezeit die Erste in der Kirche gewesen, keine Andacht noch Fest-Tag ist eingefallen, wo sie sich nit hätte emsigst eingefunden, sie hat ihr Gebet mit solchem Eifer vollzogen, daß einem eingefallen, ihr Herz habe bereits Flügel wie die jungen Schwalben, und werde bald in die Höhe fliegen, seye aber alles nur auf den Schein gewesen, und in den Gleißner-Moden gossen, hab sich heilig und geistreich gestellet, unterdessen aber mit solcher falscher Heiligkeit den Teufel im Herzen zugedeckt. Ja nachdem ihr das Urtheil angedeutet worden, und neben andern sie noch befragt wurde, warum sie so inbrünstig gebetet hätte? gab sie zur Antwort, daß es kein Gebet seye gewesen, sondern folgender Inhalt:


Nestel und Hosen, Knöpf und Rosen,

Spiel und Karten, Speck und Schwarten,

Leder und Tuch, Strümpf und Schuch,

Gais und Lämmbl, Bürsten und Kämpl,[137]

Stühl und Sessel, Pfann und Kessel,

Degen und Sabel, Schaufel und Gabel.

Gerade und Krumpe, Bescheide und Plumpe,

Zittern und Harpfen, Hechten und Karpfen,

Rüßl und Schauer, händig und saur,

Kommt zusammen ins Teufels Namen.


So weit ist es schon kommen, daß man auch die größten Laster mit einer falschen Heiligkeit zuhüllet. Der König Saul konnte nit gedulden, daß des Davids Lob und Ruhm allerseits so stark ausgebreitet wurde, suchte demnach in allweg denselben aus dem Weg zu raumen, unangesehen David mit seiner heroischen Tapferkeit die Kron des Sauls wider seine Feinde und Mißgönner bestens stabilirt. Auf eine Zeit schickte besagter gewissenlose Saul die Hof-Trabanten in die Behausung des Davids, daß sie ihn sollen daselbsten verwachten und folgenden Tags zum Tod führen; wie solches die Frau Gemahlin des Davids, benanntlich die Michol, in der Geheim benachricht worden, hat die schlaue Frau nach Weiber-Art die Sache mit Arglist angegriffen, den David in aller Stille von einem hohen Fenster hinunter gelassen, und auf solche Weise bestermassen salvirt, an dessen Statt aber einen hölzernen Stock, wie es Lyranus ausdeutet, mit des Davids Kleidung angelegt, in das Bett gelegt, den Kopf mit einem Kützl-Fell bedeckt; als nun die Soldaten und Leib-Quardi des Königs Sauls um den David gefragt, da hat solche die Michol mit betrübtem Angesicht in die Kammer hineingeführt, he-he-herzlich seufzend, (O Weiber-List!) daß ihr Herr schwer krank liege, wegen allzugroßer Hitze habe er die ganze[138] Nacht phantasirt (O ihr Phantasten glaubts nit!) und jetzt habe er kurz vorhero eingeschlafen, still, still, damit er nit erwacht, o mein Gott, sagt doch dem König, daß er im Bett liege wie ein Stock, er könne sich gar nit rühren, (ist wahr, wie ein Stock) er wird ihm ohne das nit entgehen; diese Trabanten, wohl rechte Maul-Affanten glaubten, daß in der Wahrheit der David im Bett krank liege, haben also einen eichenen Stock und Block vor den David gehalten und angesehen.

Wie oft ist dieses geschehen! wie oft geschieht es noch! wie oft wird es geschehen! daß man einen Stock vor den David, will sagen, einen verstockten Sünder und Böswicht vor einen Heiligen haltet, weilen seine äußerlichen Geberden den menschlichen Augen nichts anderst vorhalten, als den besten Tugend-Wandel, und Ruhm-würdigste Heiligkeit, da unterdessen er nit anderst ist, als einer mit Gold und Zierrathen überzogener Trämb in einem hoch-fürstlichen Pallast, so aber inwendig faul, moderig, und wurmstichig.

Allhier könnten sehr viel erschreckliche Geschichten beigesetzt werden, vorderst von etlichen Religiosen und Ordens-Leuten, welche da von aussen einen solchen Eifer, Zucht und Heiligkeit der Welt gezeigt, daß man sie vor vollkommene Leute, halbe Engel, mehr als irdische Kreaturen, von Gott erleuchtete Gemüther gehalten, und fast unter die Zahl der Heiligen gesetzt, die nachmals aber nit ohne Schad und Schande der katholischen Kirche spöttlich gefallen, und abgefallen, und zwar hab sie der gerechte Gott in[139] solche verdammliche Irrthum gerathen lassen, seine göttliche Gnade darum ganz entzogen, weilen sie vorhero mit dem Gleißner-Mantel die stillen Laster und verborgenen Untugenden verdeckt, verhüllt, vertuscht.

Ich will aber dermalen mit allem Fleiß dergleichen Begebenheiten umgehen, weilen ich fürchte, es möchte den rechtschaffenen und mit redlichen Sitten begabten Geistlichen schädlich fallen, die ohnedas allerseits, wie das Licht von den Fledermäusen, verfolgt werden. Ob es zwar nit verschweigt der heil. Antoninus, welcher schreibt von einem dergleichen falschen Heiligen, der mit seiner Gleißnerei im Ruhm der Heiligkeit so weit gestiegen, daß man insgemein schon glaubte, dieser heilige Mönch erhalte mit seinem Gebet die ganze Welt, als aber solcher ins Todbett gerathen, hat ein heiliger und gerechter Mann gesehen, daß auf Befehl des göttlichen Richters, dem auch das Innerste der Herzen offen stehet, die bösen Feinde mit eisernen Hacken die Seele aus diesem Gleißner herausgezogen.

Der heilige Gregorius registrirt, daß zu seiner Zeit ein solcher Mönch habe gelebt, welcher des äußerlichen Wandels halber, forderist aber des strengen Fastens und Abbruchs, in solches Geschrei des Heiligen kommen, daß etliche vor glückselig sich erkannt, wann sie dero Kleid und Habit könnten berühren. Dieser Gesell aber war nur in den Augen der Leute also beschaffen, und konnte sich meisterlich auf den Leist der Heiligkeit selbst schlagen, in der Stille aber war er ein Erzschalk, und wußte seiner Wampe die besten Bissel zuzubringen. Wie dieser bereits nahe beim Tod war, da seynd alle seine Mitreligiosen begierig[140] gewesen, von diesem ihren sterbenden heiligen Mitglied eine sondere Lehr zur Gedächtnuß zu empfangen. Wie sie nun alle versammlet, brach er mit ganz verzweifeltem Angesicht in diese folgende Worte aus: Fratres, ihr habt mich bishero für fromm und heilig gehalten, dem war es aber nit also, wie ich mich gestellet, weil ich dann von Aussen heilig, von Inwendig aber, so meistens gelten thut, ein Schelm gewesen, also umwickelt mich anjetzo ein höllischer Drach mit seinem vergiften Schweif, den Kopf aber streckt er in meinen Rachen, und reißt die verdammte Seele heraus etc., auf solche Worte hat er alsobald seinen verdammten Geist aufgeben.

Nit viel besser war jener Bischof zu Sardis noch bei Lebzeiten des heiligen Evangelisten Joannis, dem Gott hat lassen andeuten, daß er ein falscher Heiliger seye, in großem Ruhm bei Jedermann wegen seiner vollkommenen Werke, inwendig aber es weit eine andere Beschaffenheit habe, also soll er den falschen Deckmantel der Heiligkeit ablegen, oder er wolle mit seiner göttlichen Straf ihn überfallen. Solche falsche Heiligen kommen mir vor wie das Götzenbild, mit Namen Bel in der großen Stadt Babylon, welches von Aussen her Erz und Glockenspeis spendirte, inwendig aber von Erde und Hafnerarbeit. Solche falsche Heiligen seynd nit anderst als jener Säbel, mit welchem der David dem Riesen Goliath das Haupt abgehauen, und ihn nachmals im Tempel aufgehängt, aber in Seide und Taffet eingewickelt, daß sich also der Wenigste eingebildet, daß unter einem so schönen Ueberzug ein scharfes Schwert verborgen wäre. Solche[141] falsche Heiligen seynd nit besser als der Teufel, welcher auch Christo dem Herrn in der Wüste wie ein alter heiliger Einsiedler mit einem rauhen Kleid erschienen, und ihn versucht, als von Aussen einer ex Eremo von Innen einer ex Erebo.

Der heil. Pachomius muß schon zu seiner Zeit auch solche falsche Heiligen gehabt haben, dann unter ihm waren dreihundert Mönche, aus denen er einem Jeden einen Buchstaben mit dem A B C zugeeignet, und dies nit ohne sondere Ausdeutung. Die es gut, redlich und aufrichtig meineten, diese pflegte der heil. Mann zu notiren mit dem aufrichtigen Buchstaben I Diejenigen aber, so politische Sitten angezogen, und bald diesem bald jenem sich accommodirten, ja also Gott kenneten, daß sie zugleich den Teufel nicht offendirten, solche zeichnete er mit dem Buchstaben Z. O wie wenig Buchstaben I, wenig, die sich so aufrichtig zeigen, wie sie es inwendig meinen, wenig, die sub ritu simplici, viel aber, die sub ritu duplici leben. Wenig, die wie eine Lilie beschaffen, dessen Wurzel oder Zwiefel einem Herz gleichet, wenig, die sich also stellen, wie sie es von Herzen meinen, wenig, die da nit seynd, wie das Hafnergeschirr, das ist, nur auswendig glänzend und glasirt, wenig, die nit ihre Bosheit mit scheinbarer Heiligkeit kanoniziren. Aber diese thun nichts anderst, als jene verruchten Hebräer, welche neben andern Schmachen und Plagen den Heiland Jesum in seinem Leiden zwanzigmal sowohl schimpflich als peinlich bei der Nase gezogen.

Zwei Frauen begegnen einander auf der Gasse; guten Morgen, sagte die eine, wie gehts dir? Dank[142] dir Gott der Frag, antwortet diese, es gehet so und so, halb und halb, wie des Davids seine Gesandten Bärt von dem Ammon nach Haus getragen, die waren halb Haar, halb gar geschoren. (O wohl ein Schriftgelehrter Weiber-Kopf!) Weißt nichts Neues? Vor diesmal nit viel besonders, sagt sie, nichts? Hast nichts Neues gehört von des Herrn Sauersüß seiner Theresl? Vorwahr nichts, ich kenne sie zwar gar wohl, wie da? Sie ist heut ihr Maternität worden. Ei was sagst, das ist nit möglich! so wahr als ich lebe, sie hat was Lebendiges an Tag gebracht. Wann dem also, sprach die an dere, so mach ich ein Kreuz, das größer ist, als die Fahnstange um den Berg Andechs in Bayern. Ich hätte tausend Eid geschworen, das Mädl wäre heilig, so sie nur ein unbärdiges Wort gehört, so ist sie so roth worden wie ein gesottner Krebs, wann schon ihre Ehr hat gleichwohl den Krebsgang genommen, ei ei, wann sie gehört hat, daß einer mit der Dina, als des alten Jakobs Tochter, auf den Kranz getreten, da hat sie sich also erzürnet, daß sie mit den Aposteln das Feuer vom Himmel gewünschet. Wann schon, sie hat sich gleichwohl verbrannt. Ei, ei, so sie vermerkt, daß eine mit einem jungen Bürschl gelacht und gelöffelt, da hat es ihr mehr graust, als den Prophetenkindern, wie sie die bittere Kolloquint gessen, wann schon, sie hat es dennoch übersehen. Ei, ei, sie hat ja fast allemal einen halben böhmischen Hopfensack voll Betbücher mit sich in die Kirche getragen. Wann schon, es ist halt wohl gleichwohl dieß Oremus heraus kommen. Ei, ei, ich hätte vor sie mein Leben verpfändet, daß sie heilig wär, ja heilig,[143] aber falschheilig, dergleichen gibt es an allen Orten und Enden, und muß die äußerliche Heiligkeit gar oft einen Schaberäcken abgeben über den Teufel, gleichwie die gewissenlose Hebräer das Geld aus dem Tempel und Opferstock, so dazumalen ein heiliges Geld ist genennet worden, gebraucht haben zur größten Bosheit, indem sie damit die Soldaten beim Grab bestochen und zu ungegründeten Lügen veranlasset, also pflegen auch viel mit Tugenden und heiligen Werken große Laster zu bedecken, und wollen bei dieser Welt für fromme und eifrige Christen angesehen werden, da unterdessen am jüngsten Tag unter dem Schafpelz ein großer Wolfsbalg wird hervor gezogen werden.

Der heilige Paulus in der zweiten Epistel zu Korinthern schreibt gar beweglich, wie daß die Weiber auf alle Weise ihre Häupter sollen bedecken, aber der Teufel gibt den Weibern eine andere Lehr, benanntlichen, wie sie ihre Bosheit mit der falschen Heiligkeit und erdichtem Eifer sollen bedecken. In solchen Handel können sich die Dienstmenscher meisterlich schicken.

Wohin Mensch? ins Norate, das ist gut, wohl eine schöne Andacht, aber wohl Acht geben, daß dieses nit ein Deckmantel seye, in großen Kirchen, forderist zu Rom, werden sehr schöne, köstliche und künstliche Kapellen gefunden, aber es mangelt gar oft in andern und gemeinen Kirchen das Kuppeln nit, dahero bedenkt die Sache wohl, damit auf das Orate nit ein Plorate folgen thue.

Wohin Mensch? in die Predigt, gut und aber gut ist dies, auch ein sehr lobwürdiges Werk, aber[144] wer weiß es, ob dies nit ein heiliger Deckmantel seye, dann bei dergleichen Geflügel ist mehrer Theils das Evangelium in Emaus, und sie spazieren anstatt der Predigt in die Grüne, geschieht aber wohl, daß ihnen die grüne Farb eine üble Hoffnung bringt, und bleibt ihnen von der Predigt nichts anderst über, als die Verkündzettel.

Wohin Mensch? Kirchfahrten will ich gehen, wohl eine preiswürdige Andacht, aber nur geschauet, ob nit ein heiliger Deckmantel bei Handen ist, dann man zuweilen auf dergleichen heiligen Orten einen wächsenen Fuß aufopfert, beinebens aber auf nichts Gutes umgehet, und ist sich oft zu verkreuzigen, wie man so seltsam mit dem Kreuz gehet, auch sogar, daß bei der Prozession die Ehrbarkeit einen Prozeß führet.

Wohin Mensch? zum Segen, das ist überaus ein heilig Werk, wäre zu wünschen, daß alle Leute also beschaffen, aber wohl umgeschauet, daß aus solchem englischen Tuch nit ein heiliger Deckmantel zugeschnitten werde, dann es geschieht gar oft, dann man mehr sucht den Benedikt als die Benediktion.

Was ist das Mensch? O meine Frau, eine zusammengeschütte Suppe vor die armen Leute, ei dies ist ein heiliges Werk, Gott wird solche Lieb zum Nächsten gewiß vergelten, aber sicher gangen, es kann gar wohl ein Futtertuch von einem heiligen Deckmantel über den Hafen gedeckt seyn; bann unter der Suppe stecken oft halbe Kapaunen, drei Pfund Bratl, welches austatt der Besoldung ist der alten Kupplerin, wegen der so vielen geleisten Korrespondenzpost.[145]

In Summa, tausend und aber tausend heilige Falschheiten werden angetroffen, womit dergleichen Leute ihre Bosheiten bedecken, wie die Rachel die güldene Götzenbilder des Labans, wie die Rahab die Ausspäher des Kriegsfürsten Josue, wie das Dienstmensch Abra das abgehauete Haupt des Holofernis.

Ich hab allhier zu Wien mit Augen gesehen, wie in unserer kaiserl. Hofkirche hinter einem Herrn, dessen Kleid mit häufigen von Silber gegossenen Knöpfen besetzt war, ein Weib gekniet, eines sehr ehrbaren und saubern Aufzugs, nachdem der Herr bei Aufwandlung des höchsten Guts in der heil. Meß sich tiefer gegen die Erde geneigt, hat sie ganz inbrünstig mit der linken Hand an die Brust geschlagen, mit der rechten Hand aber durch eine Scheer die hintern Knöpf sammt Tuch abgestutzt, und anbei so andächtig geseufzt, daß sich der gute Herr selbst auferbauet, ich glaubte bei mir, dieser schlimme Schleppsack müßte unfehlbar Resl seynd genannt worden, weil sie sich so nahend bei den Knöpfen eingefunden.

So finde ich dann allerseits die Falschheit, falsches Reden, falsches Schreiben, falsches Winken, falsche Kleider, falsche Münzen, falsche Stimmen, falsche Wein, falsche Siegel, falsches Gold, falsches Silber, falsche Blumen, falschen Geschmuck, falsche Haar, falsche Gesichter, falsche Freund etc., ja die ganze Welt falsch, so wende ich mich zu meinem Heiland Jesu, der es allein redlich mit mir meinet, und mir sogar am Stamm des Kreuzes ein offenes Herz zeiget, und verdamme mit ihm, verfluche mit ihm, verwerfe mit ihm, verstoße mit ihm, vertilge mit ihm, verhasse mit ihm, verfolge[146] mit ihm alle Falschheit? Als dieser gebenedeite Erlöser erst einen Monat und eilf Tage alt war, hat er sich eilfertig mit Joseph, seinem Nährvater, und Maria, seiner herzigsten Mutter, in die Flucht begeben nach Egypten, nit sogar darum, daß er sich geforchten vor der Tyrannei des Herodis, dann er gar leicht eine Million der Engel zu seinem Schutz hätte gehabt, auch vermög eigener göttlichen Allmacht alles überwinden können; aber meistens hat er sich aus Judäa hinweg gemacht, damit er nur den falschen Herodes nit dürfe anschauen, massen dieser ein falscher Fuchs über alle gewesen, wie er es mit göttlichem Mund selbsten ausgesprochen: Ite et dicite, vulpi illi, »gehet hin und sagts diesem Fuchsen.« Ja über kein Laster hat er öfters geredet, als über die Falschheit und Gleißnerei, wie zu sehen Matth. am 22. K. Matth. 6. Matth. 23. Luk. 12. Luk. 13. Luk. 6. Job. 8. Job. 20. Merk alles dieß wohl mein Teutscher, der du sonst prangen willst mit dem Namen Redlich

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 5, S. 99-147.
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