Judas, der verblendte Böswicht, samt seiner zusammen gerotten Schaar, siehet das erschreckliche Angesicht des Herrn Jesu, welches er zeigen wird am jüngsten Tag.

[36] Nachdem der gebenedeite Heiland drei Stund sein Gebet verricht in dem Garten, ist endlich der verruchte Iscarioth samt einer großen Anzahl der Soldaten und Juden ankommen, unter welchen vornehme Hohepriester und Fürsten der Synagog gewesen, denn sie wußten, daß Judas ein schlimmer und nichtsnutziger Gesell war, der stets mit Partiten umgangen, dahero wegen geschöpften Mißtrauen auf ihn wollten sie selber gegenwärtig seyn. Da nun alle diese samt ihrem saubern Führer dem Garten zunaheten, erhuben sie ein solches ungeheures Geschrei und Getümmel, daß hiervon die 8 Aposteln, so auf der andern Seiten geschlafen, gäh erwachet, und in aller Eil zu dem Herrn Jesu geloffen, sprechend: »Herr, Herr, helft uns, diese Leut bringen uns um!« »Fürchtet euch nit,« antwortet er, »diese seynd allein meinetwegen kommen, denn nunmehr ist die Zeit meines Todes.« Darauf ist er ganz beherzt und unerschrocken ihnen vierzig Schritt entgegen gangen, und sie also angeredet: wen sucht ihr? Jesum von Nazareth, gaben sie zur Antwort. Ich bins, sagte er, ego sum, auf welche zwei kurze Wort, 6 einige Buchstaben,[37] sie allesamt ganz unbeweglich gestanden wie die marmorsteinernen Statuen, stumm und blind; nachmals seynd sie dergestalten zurückgefallen, als hätte sie alle ein starker Donnerkeil zu Boden geschlagen. Unter solchen war Judas der allererste. Was diesen und alle diejenigen zusammen geschwornen Feind zu Boden geworfen, war nichts anderst, als das erschreckliche Angesicht des Herrn; denn dazumalen schoßen ganz feurige Strahlen aus seinen Augen, und machte er eben dasjenige Angesicht, wie er es einmal zeigen wird am jüngsten Tag, da er richten wird die Lebendigen und die Todten.

Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!

In der heiligen Schrift suche ich, finde ich, zähle ich hundert und zweiundfünfzigmal das Vae! Wehe! bei dem Evangelisten Matthäo sechszehnmal Vae! Wehe! bei dem Marco zweimal Vae! Wehe! bei dem Luca vierzehnmal Vae! Wehe! bei dem Joanne in seinem Apocalypsi vierzehnmal Vae! Wehe! noch mehrere Vae! Wehe! wehe! wehe! wehe! am jüngsten Tag. Mein lieber und heiliger Patriarch Jacob du hast zwölf Söhn erzeugt, mein sag her, welcher ist dir der Liebste? Der erstgeborne heißt Ruben, ist dieser? Nein. Der Andere heißt Simeon, ist dieser? Nein. Der Dritte heißt Levi, ist dieser? Nein. Der Vierte heißt Juda, ist dieser? Nein. Der Fünfte heißt Nephthali, ist dieser? Nein. Der Sechste heißt Isaschar, ist dieser? Nein. Der Siebente heißt Gad, ist dieser? Nein. Der Achte heißt Dan, ist dieser? der gar nit. Der Neunte heißt Zabulon, ist dieser? Nein. Der Zehnte heißt Aser, ist dieser? Nein. Der[38] Eilfte heißt Joseph, ist dieser? auch nit. So kann ich es leicht errathen, der Zwölfte heißt Benjamin, dieser ist es, und kein anderer; ja, sagt Jacob, der letzte Sohn, der jüngste Sohn ist mir der liebste, ist der einige Trost meines Herzens. O was Unterschied! Wir sterbliche Adamskinder zählen mehrmalen viel gute Täg in der Welt, die uns lieb seynd, aber der letzte Tag, der jüngste ist uns kein Trost, ja wohl Trost! ist uns keine Freud, ja wohl Freud! ist uns nit lieb, ja wohl lieb! sondern bringt uns 10000000000000000000, ja unendliche Vae! Wehe! Nachdem der vermaledeite Antichrist, der die Zeit seines Lebens keinen einigen guten Gedanken, und folgsam kein einiges gutes Werk gethan, in vierthalb Jahren mit einer Kriegsmacht von 200 Millionen der Reuter allein, das ist, auf die zwanzig tausendmal zehntausend, die Christen wird verfolgt haben, daß auch das Blut wie große Wasserströme fließen wird, nachdem diese verruchte panische Brut am Aschermittwoche (das Jahr ist Gott allein bekannt) von dem Erzengel Michael samt den seinigen in den Abgrund der Hölle gestoßen worden, wird an dem folgenden Ostertag hernach der jüngste Tag seyn, und werden an demselben Tag, ja, in derselben Stund, in welcher der Herr Jesus vom Todten auferstanden, alle Menschen, von dem Adam an, wieder zum Leben erwecket werden, und dieser Tag wird seyn voller Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! nachdem die ganze Welt nichts als ein Aschen seyn wird, massen alles durch das Feuer muß verzehrt werden, welches Feuer dazumalen dem Gerechten wird seyn anstatt des Fegfeuers, den gottlosen[39] Sündern aber ein Verkost der höllischen Straf. Nachdem die Sonne ihre Strahlen verborgen, und gleichsam in einen schwarz-härenen Sack geschloffen, nachdem der Mond ganz roth wird seyn, als hätte er im Blut gebadet, nach die Sterne und alle Himmels-Lichter wie die Wachs-Kerzen werden ausgelöscht seyn.


Da läßt sich unversehens hören

Posaunen großer Schall,

Der höchste Hauptmann Gott des Herrn

Citirt die Todten all,

Posaun erschallt aus Gottes Gwalt,

Die Gräber kanns durchdringen,

Zum letzten Gericht sie all verpflicht

Solln aus den Gräbern springen.


Da wird man sehen, daß in einem Augenblick auf den gethanen Posaunenschall alle Menschen, von dem Adam an bis auf selbige Zeit werden vom Todten auferstehen, wann auch dero Leiber schon zuvor wären in Sonnenstäubl verkehrt gewest; dazumal wird die Hölle auf einmal so viel Millionen der Verdammten auswerfen, wie der Wallfisch den Jonas. Dazumal wird der Himmel, die Höll, die Vorhöll, das Fegfeuer völlig ausgeleert werden. Da werden ohne Scepter, ohne Kron, ohne Purpur, ohne Hofstaat, ohne Macht, ohne Titul, ohne Pracht, von denen Gräbern heraus gehen von Julio Cäsare, von Carolo Magno an, alle Kaiser. Von Belo an alle Könige der Assyrier, von Arbace an alle Könige der Medier, von Cyro an alle Könige der Persier, von Carano an alle Könige der Macedonier, von Inacho[40] an alle Könige der Argivier, von Cecrops an alle Könige der Athenienser, von Lelex an alle Könige der Lacedämonier, von Magog an alle Könige in Schweden, von Suibdagero an alle Könige in Norwegen, von Mahomed an alle Könige der Arabier, von Sapor an alle Könige und Kaiser der Türken, von Alboino an alle Könige der Longobardier, von Rogerio an alle Könige in Sicilien, von Athanarico an alle Könige in Spanien, von Pharamundo an alle Könige in Frankreich, von Stephano an alle Könige in Ungarn, von Craco her alle Könige in Polen, von Zecho her alle Könige in Böhmen, von Brito her alle Könige in Engelland. In Summa, alle gewesten Könige und gekrönten Häupter der Welt. Dann hat der Tod gespielt, und so oft den König troffen, so muß er dazumalen wiederum aufsetzen auch. Dazumalen wird den Auserwählten eines jeden sein gewester Schutzengel den Leib zeigen und offeriren, den Verdammten aber und Gottlosen wird ein Teufel den Leib bringen; o mit was großem Unterschied! Eine auserwählte Seele wird mit größtem Frohlocken, mit unbeschreiblichen Freuden den Leib also anreden: willkomm, willkomm, mein allerliebster Leib, gebenedeit seyd ihr alle meine Glieder, ich danke dir zu tausend und tausendmal mein Fleisch, daß du dich in Fasten und Abbruch hast kasteiet, ich danke euch zu tausend und tausendmal meine Augen, um weil ihr so oft mit Bußzähren übergossen gewest, ich danke dir zu tausend und tausendmal mein Mund, weilen du so oft in Gottes Lob dich hast brauchen lassen, ich danke euch zu tausend und tausendmal meine Schultern, um[41] weilen ihr euch nit geweigert habt, manches Kreuz zu tragen, ich danke euch zu tausend und tausendmal meine Hände, weilen ihr so gern den Armen etwas mitgetheilet, ich danke euch zu tausend und tausendmal meine Knie, um weil ihr euch so oft gebogen in dem heiligen Gebet, ich danke dir zu tausend und tausendmal meine Brust, indem du so gern das mea culpa und harten Bußstreich hast ausgehalten, ich danke dir zu tausend und tausendmal mein Rucken, weil du dich vor den blutigen Geißelstreichen so wenig gescheuet, ich danke euch zu tausend und tausendmalen meine Lenden, um weil ihr die rauhe Cilicia nit habt abgeschlagen, ich danke euch zu tausend und tausendmal meine Füß, weil ihr so vielfältig und eiferig nach dem Tempel und Gottesdienst geloffen, ich danke dir unendlich, mein Herz, um weil du die Liebe zu Gott hast gern beherberget. Dank und aber Dank sey dir mein ganzer Leib, um weil du so redlich, so treuherzig mir hast mitgewirket zu den guten Werken. Wohlan dann, so vereinige dich wieder mit mir, und laßt uns nach diesem Gerichtstag genießen die ewige Seligkeit.

O wie wird aber eine verdammte Seele ihren Leib bewillkommnen? wie? es ist zu wissen, daß gleichwie der Auserwählten ihre Leiber schön und vollkommen werden seyn, und wann schon einer oder eine langnasend, einäugig, bucklet, großköpfig, schändlich und ungestalt gewest ist, beinebens aber fromm und gottsfürchtig, so wird man mit solchen Ungestalten und Leibesmängeln nit auferstehen, sondern mit dem schönsten und vollkommensten Leib. Entgegen aber die verdammten Seelen werden ihre Leiber wieder müssen[42] annehmen mit allen dero Ungestalten. Der in aller Unmäßigkeit im Saufen und Ludern sein Leben zugebracht, und ihm selbsten ein solches Gesicht verursachet, als hätte er's mit preußischem Leder überzogen; eine solche Nase, die mit der Rannruben ein geschwisterigs Kind, solche ungestalte Poppen und Eiterperl, als wäre das Gesicht abcopirt von einem Sechenschild, ein solcher wird mit dieser und mit keiner andern und bessern Gestalt auferstehen. Die mit falschen Haaren ihre alten Schädel überhüllt, das gerunzelte Angesicht mit Farben und Anstrich ausgefüttert, ihre Zahnlucken mit elfenbeinernen Commissarien ersetzt, unterdessen aber allerlei Geschwür und französisches Confect mit den Kleidern bedeckt, eine solche wird mit dieser megärischen Larve, mit einem ungestalten Kahlkopf, mit einem zahnluckenden Maulkorb, und mit den vorigen leonischen Waaren auferstehen.

Aber wie wird eine solche verdammte Seele ihren Leib grüßen und empfangen? wie? sieh ich dich, wird sie sagen, wieder einmal, du vermaledeiter Leib, du verruchte Herberg, hast mich in das ewige Verderben gestürzt, und soll ich dann wieder in dir wohnen? in dir? du Ursach meiner Verdammnuß, in dir? du Schroffen meines Untergangs, in dir? du Schmiedin meiner ewigen Ketten. Verflucht seyd in Ewigkeit ihr Augen, die ihr euch stets in unzuläßigen Blicken habt aufgehalten, und den geilen Gedanken den Weg gezeigt. Verflucht ihr Wangen im Angesicht, die ihr euch derenthalben gewaschen, damit andere unrein werden. Verflucht sey du Maul, weil du je und allemalen nichts anders, als eine gottslästerige[43] Zunge beherberget hast. Verflucht sey du Hals, weil du immerzu wie ein Schlauch im Keller nach Wein gestunken. Verflucht seyd ihr Hände, um weil ihr nach fremden Gut habt gegriffen. Verflucht seyd ihr Lenden, in denen nichts als Unzucht und Venusbrut eingenist. Verflucht seyd ihr Füß, um weilen ihr in alle Lasterwinkel zu allen Unthaten allezeit geloffen. Verflucht und vermaledeiet du ganzer Leib, der du mich von Gott ewig durch dein zergängliches Liebkosen hast abgesondert. Soll ich dann mehrmalen in dir das Losament nehmen? in dir? du verdammtes Erden-Geschirr, in dir? du blutgieriges Tiegerthier, in dir? du aller Laster Quartier. So sey es dann, ich will dir wieder das Leben ertheilen, damit du einen ewigen Tod kannst kosten; ich will machen, daß deine Augen wieder sehen, aber nichts anders, als die höllischen Larven und Furien; ich will machen, daß deine Ohren wieder hören, aber nichts anders, als Weinen und Wehklagen; ich will machen, daß deine Nase wird wieder riechen, aber nichts anders, als Schwefel und und Pech; ich will machen, daß deine Zung wieder kann kosten, aber nichts anders, als zerlassenes Metall und Glockenspeis; ich will machen, daß deine Hände wieder fühlen, aber nichts anders, als Flammen, Feuer, Nattern und Schlangen. Du vermaledeiter Leib, weil wir beede zusammen geholfen, Gott den Herrn zu beleidigen, so wollen wir auch beede ewig mit einander leiden; so sey es dann, nun bin ich wieder in dir, stehe auf, und stelle dich vor den göttlichen Richter, den Sentenz und Urtheil deiner und meiner ewigen Verdammnuß anzuhören.
[44]

Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!


Bald wird der Himmel aufgethan,

Die Thor von einander fahren,

Alle Gottes Heiligen außergahn,

Und alle englischen Schaaren.

Eine kleine Zahl wird dazumal

Tausendmal tausend scheinen,

So dickes Heer, als Sand im Meer

Würd'st du da sein vermeinen.


O was vor ein erschreckliches Angesicht wird dazumal Jesus Christus auf seinem majestätischen Thron oberhalb des Thals Josaphat in denen Wolken zeigen! Rupertus Holkot schreibt, daß einsmals drei Reis-Gespäne durch das Thal Josaphat ihren Weg genommen, worunter einer sich auf einen Stein oder kleinen Felsen niedergesetzt, und lachender Weise in diese Worte ausgebrochen: Liebe Kameraden, weil die Pfaffen doch vorgeben, daß in diesem Thal das jüngste Gericht werde seyn, also will ich mir bei Zeiten um einen guten Sitz umsehen, damit ich desto besser vernehmen kann, was dazumal abgehandelt wird. Wie er nach solchen frohen Worten die Augen gen Himmel gewendet, da hat er Gottes Sohn gesehen in derjenigen Gestalt, wie er einmal richten wird am jüngsten Tag, wovon er also stark erschrocken, daß er gleichsam todt zu Boden gefallen. Nachdem er aber in etlich Stunden wieder zu sich selbsten kommen, hat er die Zeit seines Lebens, so viel Jahr angestanden, nit mehr gelacht, ja so oft er hat gehört, das einige Wort Gericht, ist er ganz in Tod erbleicht, und[45] in ein langes und erschreckliches Heulen und Weinen ausgebrochen.

Wie der Herr und Heiland zu Jerusalem in dem Tempel hat wahrgenommen, daß die Priester und Juden das Haus Gottes zu einem Jahrmarkt gemacht, Ochsen, Schaf, Tauben und allerlei Sachen darinnen kauft und verhandlet, hat er hierüber einen billigen Zorn gefaßt, aus etlichen Stricklen daselbst, womit das Vieh angebunden, eine Geißel gemacht, und damit alle zum Tempel hinaus gepeitscht, dergestalt, daß fast einer den andern schier erdruckt. Es kann sich der h. Hieronymus nit genugsam verwundern, und hält davor, daß dieses eines aus den vornehmsten Wundern gewest, die er auf Erden gewirkt; dann wie kommt es doch, daß sich nit einige aus so großer Anzahl Leut in die Gegenwehr gestellt? haben sie ihn doch ohnedas nit viel geachtet, noch weniger geforchten, vorgebend, filius fabri, er sey eines gemeinen Zimmermanns Sohn. Ja zu einer andern Zeit wollten sie ihn mit Steinen zu todt werfen in dem Tempel, dahero er sich verborgen; dasmal aber schreiet er, drohet er, wirft sogar die Krämerläden und Tisch übern Haufen, daß hin und her das Geld auf der Erde herum getanzt, kein Schelm ist gewest, der ihm getrauet hätte, ein Wort zu sagen, viel weniger ein Geld aufheben, nit ein einiger aus so großen, starken, groben, gesunden und mannbaren Juden hatte das Herz, daß er sich gegen ihn hätte gesetzt, sondern alle, alle über Hals und Kopf zum Tempel hinaus, und vor Furcht also erschrocken, daß sie gezittert an Händ und Füßen. Warum dieses? Ihr[46] barbarischen Böswicht, wo ist euer Couraggi? Es hat, spricht der heilige Hieronymus, Christus der Herr dazumal eine solche göttliche Majestät aus seinen Augen geworfen, daß sie alle darob ertattert, ja vermuthlich hat er ein Gesicht gemacht, wie er einmal zeigen wird am jüngsten Tag, wann er richten wird die Engeln und Menschen.

Die Engeln, diese Paggi der göttlichen Majestät seynd nach Lehr der hocherleuchten Scribenten in 9 Chöre ausgetheilt, und zwar in einer unzahlbaren Menge und Anzahl. In dem alleruntersten Chor schreibet Spargiati, seynd 8,400,000,000,000. In dem andern Chor der Erzengel seynd zehenmal mehr, welches forthin zu verstehen, als in dem Ersten, nemlich 84,000,000,000,000. Im dritten Chor der Fürstenthümer genannt seynd 840,000,000,000,000. In dem vierten Chor der Potestaten seynd 8,400,000,000,000,000. In dem fünften Chor seynd auch wiederum zehenmal mehr als zuvor, nemlich 84,000,000,000,000,000. In dem sechsten Chor der Dominationen oder Herrschungen genannt, seynd wieder zehenmal mehr als oben, nemlich 840,000,000,000,000,000. In dem siebenten Chor seynd auch zehenmal mehr, als in dem vorigen, das ist, 8,400,000,000,000,000,000. In dem achten Chor der Cherubinnen seynd mehrmal zehenmal mehr, nemlich 84,000,000,000,000,000,000. In dem neunten Chor der Seraphinnen seynd 840,000,000,000,000,000,000, seynd also die Engeln insgesamt in besagten 9 Chören 933,333,332,400,000,000,000. In dem allermindesten Chor, benanntlich der Engel, seynd so viel[47] darinnen, daß einem jeden Menschen von derselben Zahl nur einer zu einem Schutzherrn wird zugestellt, nach dem Tod aber desselbigen Pflegkinds darf er keinen mehr versorgen. Und ist doch anbei sehr glaublich, daß vom Anbeginn der Welt bis auf den jüngsten Tag viel tausend, tausend, tausend, tausend, tausend Millionen der Millionen Menschen gezählet werden, sogar daß mehrmal in einem Augenblick in der ganzen Welt bis in die 60000 Menschen sterben. Alle diese englischen Geister werden den göttlichen Richter begleiten, daß also nit weniger im Himmel verbleiben werden. Suarez hält davor, daß solche Engel aus der Luft die allerreinesten Leiber werden annehmen, damit sie von den Verdammten mögen gesehen werden. Alle diese Engel, keinen einigen ausgenommen, ob sie schon versichert ihrer Seligkeit, werden dannoch erschrecken ob dem erschrecklichen Angesicht des göttlichen Richters, also bezeugt es neben andern der heil. Chrysostomus, quia tunc, tam terrible erit Judicium illud, ut ab Angelis timeatur. O Himmel und Erd, ich weiß nit, was ich soll vor lauter Verwunderung reden, o Gott, o höchster Gott! wann die Engel, wann die Heiligen und Auserwählten sogar zittern dazumal vor dem Richterstuhl Gottes, was werden erst thun die Verlornen und Verdammten? diesen wird das erschreckliche Angesicht Gottes weit schwerer vorkommen, als die Höll selbsten. Daß sich auch die Heiligen und Auserwählten vor dem Gericht entsetzen, bestätiget es mehrmals den heilige Chrysostomus, tantus erit timor Sanctorum, ut nemo speret se justum inveniendum,[48] sed adhuc timet, ne reus existat. Den höllischen Geistern kann nichts peinlichers vorkommen, als wann sie gedenken, daß sie auch vor diesem majestätischen und göttlichen Richter müssen erscheinen. Gewiß ist es, daß den Teufeln allemal ihre Pein vergrößert wird, wann sie einen Menschen zum Fall bringen, dennoch stehen sie nit ab von dergleichen Versuchungen, und gibt dessen die Ursach Dion. Carthus, sprechend, die verdammten Geister wissen wohl, daß wann die Sitz im Himmel erfüllet seynd, nachmals werde der jüngste Tag seyn, dahero die bösen Geister durch ihre steten Anreizungen die Leut zum Sündigen bringen, damit nit so bald die Sitz im Himmel erfüllt, und folgsam der jüngste Tag und dessen Gericht länger aufgeschoben werde, massen sie sich mehr ob dem Angesicht dieses Richters entsetzen, als ob der Höll und allen deren Tormenten. Das wird man dazumal abnehmen bei einer besessenen Person, wann man die verdammten Inwohner mit gewöhnlichem Exorcismo beschwören thut, massen ein jeder Exorcismus sich nit anders endet, als mit diesen Worten: »qui venturus es judicare saeculum per ignem, der du kommen wirst zu richten die Welt durch das Feuer.« Zu diesen Worten tobt, wüthet, brüllt, schlagt, schreiet, kirret, gumpt der Besessene über alle Massen.


Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!


Da werden alsdann offen stehen

Die Heimlichkeit der Seelen,

Der Richter scharf darauf wird gehen,

Man kann da nichts verhehlen;[49]

Alls muß an Tag und auf die Waag,

Was dacht, was gredt, was gschehen,

Von Adam an, Kind, Weib und Mann,

Was jeds gethan, wirst sehen.


Die Pharisäer und Schriftgelehrten suchten in allweg, wie sie doch könnten den Herrn Jesum ins Garn bringen; unter andern führten sie einmal ein Weib zu ihm in den Tempel, vorgebend, die sey in wirklichem Ehebruch ertappt worden, weil er dann immerzu bestehe, er sey kein Uebertreter des mosaischen Gesatzes, als soll er auch dießmal sein parere geben, ob man, vermög der Gebot, diesen Schleppsack solle versteinigen? auf solchen Vortrag neigte sich der Herr, und schrieb mit dem Finger auf die Erd, nachmals sagte er, welcher aus euch ohne Sünd ist, der hebe den ersten Stein auf. Nach solchen Worten schrieb er mehrmal auf die Erd, und wie diese Gesellen die Schrift gelesen, seynd sie davon gangen, als hätt man sie aufs Maul geschlagen, seynd alle blutroth im Gesicht worden. Die alten Schelme seynd die ersten gewesen, so sich aus dem Staub gemacht, daß also der Herr ganz allein geblieben mit dieser Sünderin, die er dann gleich auch absolviret. Was muß dann die Ursach gewesen seyn, daß die sobald den Reißaus genommen? Diese war keine andere, ein jeder aus ihnen hat aus besagter Schrift gelesen alle Sünden und Schelmenstückel, die er die Zeit seines Lebens gethan, und derentwegen haben sie sich also geschämt. Wie werden wir elende Adamskinder uns erst schämen, wann unsere Sünden am jüngsten Tag nit nur einem oder dem andern, sondern forderist Gott, denen Engeln,[50] denen Menschen und gesamter Welt werden offenbar seyn. Von etlichen Heiligen lieset man, daß sie durch sondere Gnad Gottes eine und an dere geheime Sach sogar auch des Gewissens erkannt haben.

Wie der heil. Thomas de Aquino einmals zu Neapel sich im Chor befunden, und ein anderer Geistlicher neben seiner unter dem Singen stete Gedanken gehabt von einer gewissen Speis, so hat Thomas ihm ganz still in die Ohren gesagt: Mein Bruder, sey nit so sorgfältig wegen desselben guten Bissel, nach vollendtem Chor will ich's mit dir halten.

Einer kommt auf eine Zeit zu dem heiligen Franciscum de Paula, und befiehlt seinen kranken Sohn in sein heiliges Gebet, damit er aber des Herrn Vaters Hülf desto ehender möge erhalten, spendirt er ihm ein Körbel voll guter Feigen; Franciscus schüttelt hierüber den Kopf, mein Freund, sagte er, diese Feigen habt ihr dem und dem entfremdet, worüber dieser schamroth worden, und seine Schuld bekennet.

Als zu Panormi des Königs Prinz tödtlich dahin gelegen, hat ihm der heil. Mönch Sylvester freundlich zugesprochen, er, benanntlich der König, solle guten Muths seyn, der Sohn werde bald frisch und gesund aufstehen. Die Herren Medici hielten diesen Sylvester vor einen albernen Menschen, wollten ihn also derentwegen foppen, und ließen einen Urin von einem Schwein herbeitragen, woraus er solle abnehmen, was der kranke Prinz vor einen Zustand habe? worauf der heilige Mann geantwortet, wie daß solches Wasser von keinem Menschen, sondern von einem Schwein[51] sey, die wirklich zehn Junge im Leib trage, welches sich auch also befunden.

Der seraphische Franciscus, der heilige Bernardus, die h. Coleta, die h. Theresia, der h. Dominicus, Philippus, Nerius, Joannes Saguntinus, Benedictus, Rosa Peruana, Ignatius, Xaverius, und andere Heilige mehr, haben zuweilen ganz geheime Sachen gewußt. Am jüngsten Tag aber wird alles geheim aufgehebt seyn, zumal werde ich wissen, was die ganze Welt gethan, und die ganze Welt wird wissen, was ich gethan; ein Gedanke sogar eines Augenblicks wird dazumal nit verborgen bleiben, nichts verdeckt, alles offenbar, nichts vermäntlet, alles offenbar, nichts verblümlet, alles offenbar, nichts vertuscht, alles offenbar, nichts verborgen, alles offenbar, nichts verhüllt, alles offenbar, nichts versteckt, alles offenbar, nichts verschwiegen, alles offenbar, alles nach der Länge, alles nach der Breite, alles nach dem Maaß, alles nach der Weis', alles nach der Zahl, alles nach dem Gewicht, alles nach den Umständen. Jetzt heißt es still, jetzt schlieft man in die Winkel, jetzt sucht man die Finstere, jetzt sperrt man alle Thüren zu, jetzt verhüllt man die Fenster, jetzt verbrennt man die Brief, jetzt gibt man acht, damit es niemand weiß, niemand sehe, niemand höre, niemand schmecke, niemand ertappe. Jetzt kommt es manchem so schwer an, daß er lieber drei Muth Habern ausdreschen, als dem Beichtvater etwas in ein Ohr sagen. Ja manches Weibsbild, (massen es diesem Geschlecht beförderist anhängig) verschweigt gar oft einige Sünd, und will lieber zum Teufel fahren, als vor einem Menschen,[52] und zwar in der Stille ihre Wunden entdecken, und schamroth werden. Jetzt stellet sich der Richter, als wär er gerecht, die Frau, als wär sie keusch, der Mann, als wär er treu, der Geistliche, als wär er fromm, die Obrigkeit, als wäre sie wachsam, der Unterthan, als wär er redlich, die Tochter, als wär sie züchtig. Jetzt kann man leichtlich mit der Rachel die Götzen verbergen unter das Stroh, mit der Michol einen Holzstock vor den David ausgeben, mit der Rebekka ein Kühfleisch vor ein Wildprät auftragen, mit dem Mose den todten Egyptier unter den Sand vergraben, mit der Rahab die Ausspäher des Josue mit Flachsstupflen zudecken, mit dem Acham die Beut in die Erd verstecken, mit der Sara hinter der Thür lachen, jetzt kann man leicht etwas verbergen, aber am jüngsten Tag wird alles offenbar; es ist nichts so klein gesponnen, dorten kommt es an die Sonnen.

Nachdem unser Heiland Jesus auf dem bitteren Kreuzstamm das Siebentemal geredet, nemlich: Vater! in deine Händ befehl ich meinen Geist, hat er gleich hernach mit geneigtem Haupt seinen Geist aufgeben, an demselben Tag, in derselben Stund, in welcher Adam gesündiget. Dazumal war der Heiland sei nes Alters 33 Jahr und 3 Monat, da hieß es wohl, aller guten Ding seynd drei; von dem Augenblick aber zu rechnen, da er die Menschheit in dem reinsten Schooß Mariä angenommen, hatte er 34 Jahr erfüllt. Kaum daß Christus unser Erlöser am Kreuz verschieden, ist alsobald der Erzengel Michael vom Himmel herabgestiegen, und mit einem Schwert den großen und kostbaren Vorhang in dem Tempel[53] in der Mitte von einander zerschnitten. Ersterwähnter Vorhang ist 50 Ellen hoch, und 16 breit gewesen. Die Menschen auf dieser Welt seynd mehrentheils also gesitt und gesinnet, daß sie vor ihr Thun und Lassen, vorderist aber vor ihr Gewissen, einen großen Vorhang hängen, denn ein jeder will verborgen halten den innern Zustand seines Herzens, keiner will ein Esau seyn, sondern den Vorhang vor, so glaubt man, es sey ein Jacob darhinter, keiner will ein Cain seyn, sondern den Vorhang vor, so meint man, es stecke ein Abel darhinter, keiner will ein Saul seyn, sondern den Vorhang vor, so vermuthet man, es stehe ein David darhinter. Trotz daß du diese Dame sollst eine Thamar nennen, diese war eine mit dem achten Buchstaben im A B C, sondern den Vorhang vor, so hält man vor gewiß, es lebe eine Susanna darhinter. Am jüngsten Tag aber wird solcher Vorhang völlig zerschnitten werden, da wird alles an Tag kommen, nichts verborgen bleiben, da wird man sehen, wie manche schöne Nuß gewest mit einem wurmstichigen Kern, da wird man abnehmen, wie mancher weisse Schwan gewest mit einem kohlschwarzen Fleisch inwendig, da wird man sich verwundern, wie mancher seidene Beutel gewest, mit kupferner Münz und wälschen Soldi, da wird an Tag kommen, wie mancher auswendig heilig zu seyn gescheinet hat, und gleichwohl im Herzen ein Machiavellus gewest. Eine solche Schand wird dazumalen den Gottlosen eine schwerere Pein seyn, als die Hölle selbsten, darum sie heulen werden, brüllen werden, wünschen werden, daß alle Berg auf sie fallen, und sie bedecken. Noe, der[54] gerechte Altvater, hat sich dermassen geschämt, wie ihn der Cham entblößet hatte, daß er sogar in einige vermaledeite Wort ausgebrochen; wie wird es dann allen Verdammten um das Herz seyn, wann sie nit vor einem oder zwei, sondern vor der ganzen Welt am jüngsten Tag werden entblößt seyn, nit allein am Leib, sondern auch an Seel und Gewissen.

Wann man Citronen-Saft anstatt der Tinten braucht, und mit einer neugeschnittenen Feder auf das Papier schreibt, so wird man die geringste Schrift nit abnehmen, sondern bleibt alles weiß, wie zuvor; da man aber besagtes Papier gegen das Feuer hält, so ist alles, auch bis auf das kleinste Tüpfel, vollkommentlich zu lesen. O wie viel solche weisse Papier seynd in der Welt zu finden! wie viel seynd anzutreffen, welche wir, dem äußerlichen Schein nach, vor weiß und unschuldig halten, wann sie aber am jüngsten Tag vor das Angesicht des göttlichen Richters gestellet werden, aus dessen Augen ganz feurige Strahlen herausgehen, da wird erst die heimliche Schrift ihres Gewissens von männiglich zu lesen seyn, da wird Gott mit dem gesamten menschlichen Geschlecht umgehen, wie der Tobias der Jüngere mit dem Fisch, alles und alles ausweiden, und vor die Augen stellen, was vorhero verborgen gewest; da wird kein Engel mehr seyn, der den Schwemmteich zu Jerusalem bewegt und trüb macht, damit man der Kranken ihre böse Zuständ nit sehe, da wird kein Samaritan mehr seyn, der dem elenden Tropfen, so unter die Mörder gerathen, seine Wunden mit Tüchel und Fätschen wird verbinden, sondern alles und alles wird offenbar seyn,[55] alle geringste Zuständ und Mängel des Gewissens, alles wird zu lesen seyn, wie in einem Buch, alles wird zu sehen seyn, wie in einem Spiegel, alles wird entworfen seyn, wie auf einer gemalten Tafel, illuminabuntur abscondita tenebrarum.


Wehe! wehe! wehe! wehe! wehe! wehe!


Alsdann man von einander scheidt

Die Frommen und die Bösen,

Viel Schaarn der Engel allbereit,

Was gut ist, rausser lesen.

Die Gsandte zwar durch alle Schaar

Gschwind hin und wieder laufen,

Und stellen die Frommen, wo sies bekommen,

Fröhlich zum rechten Haufen.


Sobald der göttliche Richter mit einer solchen Majestät, daß alle Creaturen darob erschrecken, seinen Thron wird gesetzt haben in den Wolken, alsdann wird der erste Befehl ergehen, daß die Engel gleich und ohne Verweilung die Bösen von den Guten sollen absondern, worauf dann einige alsobald an das Ort sich werden begeben, wo die römischen Päbste und Statthalter Christi auf Erden stehen, et separabunt malos de medio justorum, und werden auch die Bösen absondern von der Mitte der Gerechten; Alle haben allhier auf Erden den Namen gehabt: Ihr Heiligkeit; aber an jenem Gerichtstag wird man sehen, daß die Heiligkeit nit werde gemessen nach dem Namen, sondern nach den Werken; es werden diese ein schärferes Examen ausstehen, als alle Menschen[56] der Welt, und wird man sehen, daß auch einem, dem der heil. Geist die Schlüssel zum Himmel eingehändiget, gleichwohl ein Riegel kann geschossen werden.

Nachmals werden andere Engel gehen an den Ort, wo die Kardinäl, Erzbischöf und Bischöf versammlet stehen, et separabunt malos de medio justorum, und werden gleichfalls die Bösen heraus klauben, und auf die linke Seite stellen, benanntlich diejenigen, so auch im Purpur sich nit geschämt haben, zu sündigen. Diejenigen, welche rosenfarb in Kleidern gewest, und leibfarb im Gewissen. Diejenigen, welchen ein doppeltes Kreuz ist vorgetragen worden, sie aber ohne Kreuz wollen leben. Diejenigen, welche von dem Patrimonio Christi ihre Befreundten und Anverwandten bereicht, und mehrer ihrem Haus aufgeholfen, als dem Gottshaus. Diejenigen, welche zu geistlichen Benefizien und Aemtern gesetzt haben, dieselbigen, so da gedient haben, aber nit verdient haben. Diejenigen, so zwar den Namen getragen, Bischof, unterdessen waren, sie Beiß-Schaf, massen durch dero Saumseligkeit in ihrer Diözes so viel Seelen zu Grund gangen. Diejenigen, welche nach der Insul wegen der Insul getrachtet, und haben sich in dieses heilige Amt eingedrungen mit Goldseligkeit, und nit mit Gottseligkeit. O wie werden dazumalen frohlocken und sich inniglich erfreuen ein heiliger Bernardinus Senensis, ein heiliger Bonaventura, ein heiliger Dominicus, ein heiliger Thomas Aquinas, um weil sie die anerbotenen Bisthümer und Erzbisthümer geweigert und ausgeschlagen. Wie wird dazumalen jubiliren[57] und Gott danken ein Bruno, daß er von sich geschoben die Insul, welche mit ihren zweien Spitzen manchen schon hart verwundet hat. Recht hat der Poet gesagt:


Renuit oblatum sibi Bruno Pontificatum,

Cernens esse statum Magnatum raro beatum.


An diesem Ort werden auch stehen alle Domherren, alle Dechant, Pfarrherren, Seelsorger und Priester, und von diesem so großen Haufen werden die Engel alle Bösen auch absondern, und stellen auf die linke Seite der Verdammten. Fort mit denjenigen, denen ein Petronilla lieber gewest als Petrus; fort mit denjenigen, die mehrer Kaynizi als Kanonici gewest; fort mit denjenigen, die mehrer säuisch als clerisäuisch gelebt; fort mit denjenigen, die mehrer Impostores als Pastores abgegeben; fort mit denjenigen, die ehender getracht nach Mnam, als nach Animam; fort mit denjenigen, welche divitias mehr gesucht, als Divina; fort mit denjenigen, denen der Plempel angenehmer war, als der Tempel; fort mit denjenigen, denen mehrer im Sinn gelegen das arare, als das orare; fort mit denjenigen, die sich mehr gespeist, als ihre untergebenen Schäflein. O wie mancher wird dort schreien: vermaledeit der Tag, an dem ich bin Priester worden, vermaledeit der Bischof, der mich geweihet hat, vermaledeit die Stund, da ich bin zu der Seelsorg kommen, vermaledeit derselbe, der mir zu dieser Pfarr verhülflich gewest!

Ueberdieß werden mehrmalen andere Engel sich wenden zu der großen Anzahl der Ordenspersonen,[58] worunter zwar viel hundert tausend und tausend mit Heiligkeit und Glorie werden gezieret seyn, et separabunt malos de medio justorum, dannoch werden auch die Bösen von denen Guten und Gerechten abgesondert werden, das wird eines aus den traurigsten Spektakeln seyn am jüngsten Tag. Wie der reiche Prasser bei nächtlicher Weil durch den Steckkathar, so ihm das stete Schlemmen verursacht, erstickt, und folgsam den geraden Weg zur Hölle gestiegen, da hat er in Mitte der Flammen und Feuerfunken seine durstige Zung heraus gestreckt, und wehemüthig bei dem Vater Abraham angehalten, um eine einige, auch die allergeringste Erquickung; er hat aber eine abschlägige Antwort bekommen, und hat es geheißen, recepisti bona in vita tua, du Kerl hast dir gute Täg angethan, so lang du gelebt hast, jetzt kannst du schon schwitzen, zwei Himmelreich gehen nit aufeinander etc. Aber ein Religios und Ordensperson hat keine guten Täg gehabt, hat müssen unter dem strengen Gehorsam leben, ist in einem rauhen Kleid gesteckt, und soll gleichwohl verloren werden? verdammt werden? Freilich wohl, es werden gestellt unter die Böck, welche zwar geschoren waren um den Kopf, aber nit ein Haar gefragt nach ihrer Regel. Unter die Böck, welche mit der Schlange die alte Haut abgezogen, aber dannoch das Gift behalten. Unter die Böck, welche öfters mit dem Raben aus der Arche geflogen, und vielleicht um ein stinkendes Aas umgeschauet. Unter die Böck, welche wie ein Misthaufen im Winter äußerlich mit Schnee bedeckt, inwendig aber nichts als pfui verborgen. Unter die Böck, welche die Hoffart mit[59] einer rauhen Kutte zugedeckt, die sonsten nur in Seiden und Sammet gesucht wird. Unter die Böck welche sich in weltliche Geschäfte eingemischt, und dasjenige davon getragen, was der Hafner von dem Leim. Alsdann wird sich erheben ein ungeheures Geschrei und Heulen, alsdann werden sie wiederholen, vermaledeit die Stund, in dero ich zum geistlichen Stand bin berufen worden, vermaledeit der Habit, den ich getragen, vermaledeit die Regel, dero Uebertretung mich anhero gebracht hat, vermaledeit der ganze Orden, dessen Mitglied ich gewesen bin etc.

Nachmals werden die Engel sich begeben an den Ort, wo Kaiser und König bei einem Haufen stehen, dort wird man nichts sehen von Kron und Scepter, nichts von Diener und Hofstaat, nichts von Armee und Waffen, sondern alle müssen zu Fuß stehen wie Arme und Untergebene, ein jeder wird erkennen, wer Kaiser gewest, wer König in Frankreich, wer König in Spanien, wer König in Engelland, wer König in Ungarn, wer König in Polen gewest, et separabunt malos de medio justorum da werden die Engel auch absondern die bösen Könige von den frommen und gerechten. O wie viel werden auf die links Seite geführt werden! Von dem Gieroboam an bis auf den Ozia seynd neunzehn gekrönte König in Israel gewest, und vermög der heil. Schrift seynd alle neunzehen verdammt worden. Was genaue Rechenschaft wird der göttliche Richter fordern von allen hohen Häuptern, sie werden in diesem strengen examine nicht allein befragt werden, was sie gethan, und was sie zu thun unterlassen, sondern wie alle dero[60] Vasallen, alle des Lands Untergebne gelebt haben, sogar das geringste Gräsel, welches sie durch Jagen und Hetzen den armen Bauren niedergetreten, wird dorten auf die Waagschal gelegt werden; dieses glauben die Wenigsten, es wird aber die Erfahrenheit am jüngsten Tag es sattsam zeigen. Erwäge und betrachte jemand, wie es einem König, einem großen Landsfürsten wird um das Herz seyn, wann er nach solchem Pomp und gehabter Majestät auf Erden wird durch einen Engel bei der Hand genommen, und zum großen Haufen der Verdammten geführt werden, daselbst mit ihnen ewig, ewig, ewig zu brennen.

Es werden nachmals die Engel alle Bösen von denen Guten, was Stand sie immer gewest seynd, absondern. Dorten werden viel Kinder von ihren Eltern den Abschied nehmen, und wird auf einer Seite stehen der Vater Abraham, auf der andern der Sohn Ismael, dort werden viel Brüder von einander zertheilt werden, und wird auf der Auserwählten Seite stehen der Jakob, auf der verlornen sein Bruder Esan. Dort wer den sich beurlauben auf ewig viel Eheleut, und wird eine Esther gestellt werden unter die Seligen, ihr gewester Gemahl aber der Asverus unter die Verdammten. Dorten werden von einander weichen viel derjenigen, welche auf dieser Welt die besten und vertrautesten Freund gewesen seynd, et separabunt malos de medio justorum diese Absonderung durch die Engel wird eine aus den peinlichsten Schmerzen seyn der Verdammten.


Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!
[61]

Wann dann seynd abgesondert gar

Die Frommen und Gottlosen,

So triumphirt die rechte Schaar,

Umgibt ihrn Herrn wie Rosen.

Das gottlos Gsind, dems Hirn zerrinnt,

Seufzet zu dieser Stunde.

Das selig Volk, schwebt ob der Wolk,

Der bös Hanf sinkt zu Grunde.


Der h. Joannes Chrysostomus schreibt, daß am jüngsten Tag werde geschehen, was dazumalen geschieht. Wann einer ein Schwalbennest zerstört, diejenigen Jungen, welche schon gute Flügel haben, achten solchen Sturm nit, sondern fliegen in die Höhe, die aber noch bloß, seynd, bis platzen elend herab, und müssen zu Grund gehen. Also am jüngsten Tag werden die Auserwählten, um weil sie mit Flügeln der guten Werke wohl versehen, nach der allgemeinen Absonderung sich in die Höhe begeben, und daroben in denen über Gold und Edelgestein glänzenden Wolken ihren Platz nehmen. Die Verlornen entgegen, weil sie ganz bloß an guten Werken, bleiben in der Nieder, in dem Thal Josaphat, und stehen unter den Füßen der Auserwählten. Es wird dazumal so ordentlich alles hergehen, daß just die Tyrannen werden stehen unter den Füßen der Martyrer etc. Die Reichen werden stehen unter den Füßen der Armen, die sie vorhero veracht haben. Die Zornigen und Rachgierigen werden stehen unter den Füßen derjenigen, welche sie verfolgt. Die Calumnianten und Ehrabschneider werden stehen unter den Füßen derjenigen, welche sie ungerechter Weise verkleinert. Also wird unter den Füßen Mosis auch[62] stehen der egyptische Pharao mit allen den Seinigen. Unter den Füßen Eliä werden stehen der Achab und die Jezabel. Unter den Füßen des Davids werden stehen der Saul und der Goliath. Unter den Füßen der Judith wird stehen der Holofernes. Unter den Füßen Joannis Baptistä wird stehen die Herodias. Unter den Füßen des Lazari wird stehen der reiche Prasser etc. Wie wird dazumalen der verdammte Nero schauen, wann er gegen seiner hinüber in der Höhe wird sehen Petrum als einen Mitrichter, mit dem er so tyrannisch verfahren? Wie wird sich am selben Tag schämen ein Kaiser Diocletianus, wann ober seiner in den Wolken wird schweben Sebastianus, mit ganz güldenen Pfeilen in einem mit Edelgesteinen versetzten Köcher? Wie wird Valerianus der Tyrann heulen und ergrimmen, wann er wird Laurentium in so großer Glorie und Herrlichkeit sehen, dessen eiserner Rost in lauter Gold und Diamant verkehret worden? Dort wird ein Maximinus, ein Decius, ein Sempronius ihm lieber tausend Höllen und höllische Kerker wünschen, als vor seinen Augen sehen in so großem himmlischen Glanz eine Katharina, eine Agnes, eine Appolonia, die sie so schmählich gemartert. Unbeschreiblich ist die Angst und Furcht, so zur selben Zeit die Verdammten auf der linken Seite empfinden werden wegen des herzunahenden Examen und letzten Sentenz.

Kranzius schreibt, daß ein Deutschmeister einen jungen Kaufmann wider alles Recht und Billigkeit habe unschuldiger Weise lassen aufhängen, und weil besagter Kaufmann weder durch Bitten noch Weinen[63] den ergrimmten Fürsten konnte besänftigen und zur Barmherzigkeit bewegen, also hat er kurz vor dem Tod den ungerechten Fürsten zu dem Richterstuhl Gottes berufen, daselbst soll er nach dreizehen Tagen Rechenschaft geben seines unschuldigen Todes. Hierüber thäte zwar der Deutschmeister lachen, und solche Drohwörter in Wind schlagen; aber wie der dreizehnte Tag angebrochen, da hat der Fürst angefangen, an Händen und Füßen zu zittern, und mit diesen Worten unverhoffter Weise seine Seel aufgeben: »Wehe mir armseligen Menschen! wehe mir! dann heut muß ich vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen. Wehe mir!«

Fulgosus erzählt, wie daß ein neapolitanischer Tempelherr samt andern Mitgesellen zum Tod geführt worden, und anbei wahrgenommen, daß Clemens, der sechste römische Papst, und Philippus Pulcher, König in Frankreich, beede Ursache seines Tods, dazumal aus dem Fenster zugeschauet, so habe ersternennter Edelmann und Tempelherr aufgeschrien, weil ich dann auf Erden keinen mehr habe, zu dem ich könnte appelliren, also citire ich euch beede vor denjenigen Richter, der uns mit seinem Blut erlöset hat, innerhalb Jahr und Tag sollt ihr beede daselbst erscheinen. Solche Wort haben ihnen dergestalten in das Herz gegriffen, daß sie nachmals in steter Furcht gelebt, auch alle beede dasselbige Jahr durch unverhofften Tod bei dem Richterstuhl Gottes sich müssen einfinden.

Anno 1154 unter dem Kaiser Friedrich, welcher insgemein Aenobarbus, der Rothbartete genennet worden, ist Henricus, Bischof zu Mainz, oder wie etliche davor halten, Bischof zu Worms, zu Rom bei[64] dem Papst Eugenio, dem Dritten, falsch angeklagt, und von zweien Kardinälen, denen die ganze Sach übergeben, ungerechter Weise von dem Bisthum gestoßen worden, welches den unschuldigen Mann Henricum also geschmerzt, daß er endlich ganz ernsthaft in folgende Wort ausgebrochen: »Ihr habt unrecht geurtheilt, dahero ich zu dem göttlichen Richter Jesum Christum appellire, alldorten erscheint ihr.« Anderthalb Jahr hernach ist Henricus mit Tod abgangen, beede Kardinäl aber in einem Tag eines elenden Tods gestorben, massen einer die Seel aufgeben an einem Ort, welchen die Ehrbarkeit nit trauet zu nennen, der andere aber hat sich also entsetzt vor dem Gericht Gottes, daß er dessenthalben ganz unsinnig worden, und ihm selbsten die Finger abgebissen.

Vor mehr als 50 Jahren ist ein gemeiner Soldat, um weil er einige Meldung gethan wegen der Bezahlung, massen ein Soldat vom Sold den Namen hat, durch den Sentenz zum Strang verurtheilt worden; bevor er aber gestorben, hat er den Hauptmann zum Richterstuhl citirt, da soll er innerhalb drei Wochen erscheinen. Von solcher Stund an lebte dieser Hauptmann in größter Furcht und Schrecken, bis er endlich nach 3 Wochen in derselben Stund, ja in demselben Augenblick, da der andere gehängt worden, über eine Schiffbrucken hinab gefallen, und elend ertrunken

Wann nun die größte Furcht und Schrecken diejenigen empfinden, welche vor dem göttlichen Richter erscheinen müssen, da er ganz allein richtet und urtheilt, was Zittern, und Schrecken wird erst über die[65] Verlornen kommen, wann sie am jüngsten Tag vor der ganzen Welt, vor allen Engeln und Heiligen, vor allen Teufeln und Verdammten müssen vor dem Richterstuhl Gottes im Thal Josaphat erscheinen, und von allen ihren Sünden und Uebelthaten Rechenschaft geben! O wehe! o wehe! o wehe! Dazumal


Des höchsten Richters Zorn und Grimm

Von seinem Thron herbrummet,

Die Welt ertattert hart ab Ihm,

Himmel und Erd erstummet.

Dem kühnen Held das Herz entfällt,

Tyrannen höchst erschrecken,

Die Unschuld selbst wird bleich und gelb,

Von des Richters Anblicken.


Nach solchem wird das Gericht und Urtheilfällen seinen Anfang nehmen, und zwar von denen Gerechten, welche dazumal schon mit großem Glanz umgeben seynd, und solchen werden sie meistens erben von dem heiligen Kreuzzeichen, welches zur selben Zeit in dem Himmel erscheinen wird, denn derjenige Kreuzbaum, an dem der Herr Jesus mit seinem Tod das menschliche Geschlecht erlöset hat, wird in Mitte der Wolken von denen Engeln getragen werden, auch siebenmal heller und herrlicher scheinen, als die Sonne, auch wird nachmals solches auf ewig in der Glorie unter den Chören der Engel gestellt werden, mit dem Kreuz werden auch alle Stirn der Auserwählten bezeichnet erscheinen. Worauf dann der göttliche Richter mit liebreichestem Angesicht, mit holdseligsten Geberden, mit einem güldenen Mund, mit freundlichsten Augen sich gegen die Auserwählten wenden wird, und[66] sie mit den trostreichsten Worten anreden: Kommt her, ihr Gebenedeite meines Vaters, besitzet das Reich, das euch bereit ist von der Zeit, da der Weltgrund gelegt ist. Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben, ich bin durstig gewesen, ihr habt mir zu trinken gegeben, ich bin ein Gast gewesen, ihr habt mich beherberget, ich bin nackend gewest, ihr habt mich bekleidet, ich bin krank gewest, und ihr habt mich besucht, ich bin im Kerker gewest, und ihr seyd zu mir kommen: Das, was ihr einem aus meinen geringsten Brüdern gethan, das habt ihr mir gethan. Venite, kommt her, ihr Gebenedeite, kommt von der Finsterniß zu dem ewigen Licht, kommt von der Keuchen zu der ewigen Freiheit, kommt von dem Krieg zu dem ewigen Frieden, kommt von der Fremde zu dem ewigen Vaterlands, kommt von dem Streit zu der ewigen Beut, kommt endlich von dem Tod zu dem ewigen Leben. O was Jubel-Schall und Frohlocken wird sich dazumal erheben in den Herzen der Auserwählten! wie wird sich dazumal erfreuen Petrus wegen desjenigen, was er um Jesu willen gelitten zu Rom, Andreas wegen desjenigen, was er um Christi Namens willen gelitten in Griechenland, Jakobus der Aeltere wegen desjenigen, was er um christlichen Glaubens willen gelitten in Spanien, Joannes wegen desjenigen, was er um des liebsten Heilands willen gelitten in Asia, Philippus wegen desjenigen, was er um des Seligmachers willen gelitten in Scythia und Phrygia. Wegen desjenigen, was Bartholomäus um Jesu willen gelitten in Armenia, Thomas in India, Matthäus im Mohrenland,[67] Simon und Judas in Egypten, Jakobus der Jüngere und Matthias im Judenland. Unbeschreiblich wird dazumal seyn die Freud der Patriarchen, Propheten, Martyrer, Beichtiger, Jungfrauen, Wittiben und aller seligen Schäflein auf der rechten Seiten. Wie mancher Bauer in der Höhe wird zur selben Zeit auslachen seinen gewesten Landesfürsten auf der verlornen Seite? Wie mancher Eseltreiber und Holztrager wird an demselben Tag auslachen seinen König und Herrschaft! wie manches altes Bettelweib wird dazumal auslachen eine große Landesfürstin! ein mancher einfältiger Mönch seine geweste Obrigkeit! ein mancher Pfarrherr seinen gehabten Bischof! ein mancher Musquetirer seinen gewesten General! Wie wird an selbigem Tag ein mancher Bettelmönch, der vorhero barfuß in einer rauhen Kutten verachtet worden, auslachen die gewesten großen Herren, bei denen er zuvor mußte hinter der Thür stehen, und etwan anstatt des Allmosen einen guten Filz darvon getragen. Wie wird dazu mal ein mancher armer und krummer Bettler, der allhier zu Wien an einem Eck gesessen, auslachen diesen und jenen großen Herrn, der alle Tag in einer verguldten Carossen mit einer ganzen Laquei-Prozession vorbeigefahren? Wie wird dazumal eine manche Holzhacke die königlichen Scepter, eine manche Schmeerkappe die bischöflichen Infuln, eine manche Bauern-Joppen die fürstlichen Purpur, ein mancher zwilchener Kittel die Doctorsmäntel auslachen? Zu dem einigen Wort Venite, kommet her, wird der ganze Himmel frohlocken, alle Engel werden Glück wünschen, alle Heiligen werden vor Freud die[68] Händ zusammen schlagen, alle Herzen der Auserwählten werden vor Jubel aufhupfen, alle Augen der Seligen werden aneinander frohlockend anschauen. Da wird als ein Gebenedeiter eingeladen werden ein heiliger Leopoldus mit viel Oesterreichern, ein heil. Ludovicus mit viel Franzosen, ein heil. Casimirus mit viel Polacken, ein heil. Stephanus mit viel Hungarn, ein heil. Henricus mit vielen Bajern etc. Da wirds heißen: Komm her Benedicte mit den Deinigen, Augustine mit den Deinigen, Basili mit den Deinigen, Franzisce mit den Deinigen, Dominice mit den Deinigen, Bernarde mit den Deinigen, Bruno mit den Deinigen, Ignati mit den Deinigen, da wirds heißen Venite, kommt her ihr gebenedeite Ordensstifter, mit allen denjenigen, die alles meinetwegen verlassen, und mir nach dero Gesetz und Regul treulich gedienet haben. O Freud über alle Freud!


Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!


Bald wiederum wie Donnerschlag

Sein Stimm die Böse quälet,

Die drohet ihnen große Plag,

Drauf das letzt Urtheil fället.

Thu auf dein Schlund, o Höllen-Grund,

Verschling die Ungeheuer,

Vermaledeit, in Ewigkeit,

Seyd ihr, geht hin ins Feuer.


Nachdem der Herr Jesus als göttlicher Richter, auf seinem majestätischen Thron die Auserwählten zur ewigen Belohnung wird berufen und eingeladen haben, alsdann wird er sich wenden mit einem erschrecklichen[69] Angesicht zu dem großen Haufen der Verlornen, mit solchen feurigen Augen, und ergrimmter Majestät, daß der ganze Erdboden hierüber zittern, und der höllische Abgrund seufzen wird. Durch ein Miracul und Wunderwerk werden dazumal alle Verlorne stehen in dem Thal Josaphat, massen selbes in seiner Weite und Umkreis nit sehr groß; denn natürlicher Weise sollte der Ort, allwo so viel tausend Millionen der Leut stehen, etlich hundert Meil in seinem Umkreis fassen, es geschieht aber darum das Gericht und letzte Urtheil in diesem Thal, damit den Verdammten ihre Bosheit, und mehr als viehische Undankbarkeit besser könne verwiesen werden: Denn allda werden sie mit Augen sehen alle diejenigen heiligen Orte, allwo die Erlösung und Seligmachung vor das menschliche Geschlecht vollzogen worden, dort wird ihnen vor Augen seyn das Nazareth, allwo Gottes Sohn die menschliche Natur angenommen, und den Himmel mit der Erd vertauscht hat, dort wird ihnen gezeigt werden das Bethlehem, wo Jesus Christus geboren, dort werden sie vor Augen haben das Jerusalem, wo er geprediget, den Garten, wo er Blut geschwitzet, das Haus Pilati, wo er gegeißelt worden, den Berg Calvariä, wo er nackend und bloß auf das Kreuz genagelt worden, den Oelberg, wo er gen Himmel gefahren, den Ort, wo er den heiligen Geist gesandt hat. Da werden die Verlornen vor Aengsten fast vergehen, wann ihnen der göttliche Richter wird unter die Augen stellen, wie sie alle diese so große und unendliche Gutthaten veracht, verschwendt, und mißbraucht haben. Jene Söhne des Patriarchen Jakobs seynd vor Schrecken[70] schier zu Boden gefallen, wie der königliche Statthalter in Egypten, vor dem sie zitternd gestanden, diese Wort geredet: »ego sum frater vester, ich bin derjenige euer Bruder, den ihr verkauft habt etc.« Wie wird es dann allen Unglückseligen um das Herz seyn? Wann der damalige majestätische Richter sagen wird: Ich bin Jesus, der euch erschaffen, ich bin Jesus, der euch erlöst, ich bin Jesus, der euch erhält, ich bin Jesus, der euch erleucht, ich bin Jesus, der euch so oft verziehen, ich bin Jesus, der euch die ewige Belohnung versprochen, ich bin Jesus, der euch mit der ewigen Verdammnuß gedrohet, und ihr habt mir nit gedankt, und ihr habt mir nit geglaubt, und ihr habt meiner vergessen, und ihr habt mir den Rucken gezeigt, und ihr habt wider mich gestritten, und ihr habt mich ausgehöhnet, und ihr habt mein theures Blut mit Füßen getreten, und ihr habt meine göttliche Gnaden in Wind geschlagen, und ihr habt meine heil. Sakramente so schimpflich tractirt, und ihr habt lieber dem höllischen Feind gedienet als mir. Als mir, der ich doch euch geliebet wie ein Vater, als mir, der ich euch gespeiset hab wie eine Mutter, so gar mit meinem Fleisch und Blut, als mir, der ich alle Augenblicke euch mit Gutthaten hab überhäuft. Wo seynd jetzt eure Reichthümer, mit dero wenigstem Theil ihr hättet gar leicht können den Himmel erwerben? Wo? wo seynd jetzt die Wollüsten, in welchen ihr über die Ohren seyd geschwommen. Wo? wo ist die guldene Zeit, dero ein einige Stund euch hätte können meine göttliche Burmherzigkeit gewinnen? Wo? wo ist jetzt die Welt, dero Liebkosen euch mehr[71] gefallen, als meine Gebote? Wo? alles ist zergangen, wie der Schnee, alles ist verschwunden, wie ein Schatten, alles ist verwelkt, wie ein Gras, alles ist abgeloffen, wie eine Reis'-Uhr, alles hat. ein End, und jetzt wird bei euch anfangen die unglückselige Ewigkeit.

Wo wird sich dazumal hinwenden der elende Sünder? Zu Gott nit, denn dessen Zorn wird an diesem Tag, bei diesem Gericht, zu dieser Zeit ein Zorn seyn über alle Zorn, die er einmal der Welt gezeigt hat. Groß war sein göttlicher Zorn, wie er die abtrünnigen Engel, diese stolzen Limmel, vom Himmel gestoßen, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er unsern Vater und Mutter aus dem irdischen Paradeis-Garten verjagt, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er wegen der Laster Ueberfluß den Sündfluß in die Welt geschickt hat, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er die Städte Sodoma und Gomorrha mit Schwefel und Pech in Aschen gelegt, und dero Faßnacht mit einem so traurigen Aschermittwochen gezüchtiget hat, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er den Pharao samt seiner egyptischen Macht im Meere zu Wasser gemacht, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er die zween Söhne des Aarons durch das Feuer vom Himmel verzehrt hat, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er den Core, Dathan und Abiron von der Erd hat lassen lebendig verschlucken, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er den armen Tropfen, der am Samstag[72] etlich wenigs Holz zu seiner Nothdurft gesammlet, hat lassen von männiglich versteinigen, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er so viel tausend Israeliter, um weil sie das Maul zu weit aufgethan, mit feurigen Schlangen gestraft, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er wegen der Unzucht 25000 bewaffnete Männer aus dem Geschlecht Benjamin getödtet hat, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er wegen des Davids Uebermuth 70000 der Seinigen durch einen Engel hat lassen erwürgen, aber was wollt dieser seyn? Groß war sein göttlicher Zorn, wie er aus dem Kriegsheer Senacherib 185000 hat zu Boden geworfen, aber was wollt dieser seyn? Groß war seyn göttlicher Zorn, wie er den Propheten von einem Löwen, 42 Knaben von wilden Bären, die stolze Jezabel von den Hunden, den gottlosen Herodes von den Würmern hat lassen verzehren, aber was wollt dieser Zorn seyn gegen denjenigen, den er am jüngsten Tag zeigen wird denen Verdammten und Verlornen auf der linken Seite?

So groß wird sein Zorn seyn, daß ein einiger seiner Augenblick Himmel und Erde auf einmal vernichten thäte, dafern sie nicht durch ein Wunderwerk erhalten würden. So groß wird sein Zorn seyn, daß ein einiger Blitz von seinem Angesicht auch die runde Erdkugel, wann sie auch vom harten Metall und Glockenspeis, könnte zerschmelzen. So wird sich dann dazummal der verlassene Sünder nit können, noch dürfen wenden zu Gott, bei dem nit mehr Barmherzigkeit,[73] sondern Rachgierigkeit zu finden. Er wird desgleichen von Gottes Mutter, die sonsten eine Mutter der Barmherzigkeit benamset wird, verstoßen werden. Er wird von seinem gehabten Schutzengel, der ihn so viel Jahr und Zeit zu allem Guten zu leiten sich beflissen, angeklagt, und gar vermaledeit werden. Er wird von dem Heiligen, dessen Namen er in der heiligen Tauf empfangen, mit allem Fluch überhäufet werden. Endlich thut sich des Richters göttlicher Mund eröffnen, und in das letzte unwiderrufliche (Merks!) unwiderrufliche (zitterst du dann nit ob diesem Wort am ganzen Leib?) unwiderrufliche Urtheil ausbrechen: »Ite maledicti in ignem aeternum, gehet hin ihr Vermaledeite in das ewige Feuer.« Ihr Vermaledeite vom Kopf bis auf die Fersen, ihr Vermaledeite zu Leib und Seelen, ihr Vermaledeite von Innen und Aussen, ihr Vermaledeite von Mir, ihr Vermaledeite von meinem himmlischen Vater, ihr Vermaledeite vom heiligen Geist, ihr Vermaledeite von allen meinen Heiligen, ihr Vermaledeite von allen Geschöpfen, gehet hin in das ewige Feuer, ins ewige! der Geistliche sollte dieses Wort ins erste Blatt seines Breviers schreiben. Ins ewige, ihr Cavalier sollt dieses Wort auf das Degengefäß stechen lassen. Ins ewige, ihr Dammasen sollt dieses Wort auf euren, Spiegel-Kramm zeichnen lassen. Ins ewige, ihr Kaufleute sollt dieses Wort zu Anfang eurer Bücher setzen lassen. Ins ewige, ihr Bauren und gemeine Leute sollt dieses Wort auf die Thür eures Hauses schreiben lassen. Ins ewige, dieses Wort hat ganze Wüsten und Einöden mit Leuten angefüllet. [74] Ins ewige, dieses Wort hat gemacht, daß so viel Reichthum, Hoheit veracht, und mit evangelischer Armuth vertauscht worden. Ins ewige, dieses Wort hat auch dem verwegensten Sünder einen Zaum eingelegt. Ins ewige, dieses Wort hat viel tausend in die Klöster gezogen. Ins ewige, dieses Wort erschrecket mich dergestalten, daß ich vor Zittern nit mehr schreiben kann!

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 5, S. 36-75.
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