Judas der Lastermensch ist selbst schuldig an seiner ewigen Verdammnuß.

[96] Schwere Sachen leicht machen, das kann ich nicht. Der heil. Apostel Thomas hat in Indien, etliche Meil von der Hauptstadt Meliapor, nächst an dem Meerport, einen großmächtigen Baum mit seiner Gürtel gezogen, als wie ein geringes Nestel, den sonst viel Leut, sogar auch etliche Elephanten, nicht konnten bewegen.

Schwere Sachen leicht machen, das kann ich nicht. Der große eisene Sarg, worin der heil. Leib[96] des heil. Apostels Matthäi gelegen, ist von Fulviano in Gegenwart des gesamten Volks in das Meer versenkt worden, aber alsobald wie ein geringes Holz wieder in die Höhe geschwommen.

Schwere Sachen leicht machen, das kann ich nicht. Etliche gefangene Christen in einem verbrennten türkischen Schiff wollten sich gern mit Schwimmen salviren, weil aber ihre Ketten und Eisen etliche Zentner schwer, so haben sie sich nicht getraut; nachdem sie sich aber dem heil. Kajetano befohlen, und also voller Zuversicht in das Wasser gesprungen, da ist alles Eisen federgering worden, und ober dem Wasser geschwommen.

Schwere Sachen leicht machen, das kann ich nicht. Was ist aber schwerer, als da schreiben und reden von der Prädestination oder ewigen Vorwahl der Auserwählten, von der Präscienz oder ewigen Vorwahl der Verdammten, von der Gnad, die Gott nach seinem Wohlgefallen unter die Menschen austheilet; schwer seynd alle diese Ding zu reden, schwer zu schreiben, schwer zu fassen, und hat sie noch keine Hochschule für leicht erkennet, und ist es ein so hartes Brod, daß es der Tausendste nicht beißen kann; will demnach ganz rathsam alle subtile und tiefsinnige Materie umgehen, dem Calvino die rostigen Brillen von der Nase ziehen, und zeigen, daß der verruchte Judas sein ewiges Unglück keinem anderen, als sich und seinem freien Willen habe zuzuschreiben.

Ich weiß eine Dama so schön, so schön, dergleichen ihr und ich, ich und ihr unser Lebenlang nicht gesehen haben, noch sehen werden. Die göttliche heil.[97] Schrift bezeugt wahr, daß dem Job, nachdem ihm Gott wiederum aufgeholfen, seynd drei Töchter geboren, dergleichen schöne Weiber im ganzen Land nicht gefunden worden. Das muß ich glauben, und will's auch glauben, aber erstgedachte Dama ist unbeschreiblich schöner. Helena hat so schöne Haar gehabt, daß sich vor ihnen die geflochtenen Goldfäden geschämt haben; aber diese seynd nur gegen der meinigen wie ein zerrütteter Schüppel-Hanf, woraus der Seiler einen groben Glockenstrick macht. Kleopatra hat ein so schönes Hirn oder Gestirn gehabt, daß sich der weiße Alabaster vor einen rauhen Duftstein hätt sollen verkaufen lassen; aber dieses Gestirn gegen der meinigen ist wie ein alter Ueberzug über eine zwei hundert jährige Regimentstrommel. Lucretia hat so schöne Augen gehabt, daß sie auch mit dem Diamant gestritten, aber gegen der meinigen seynd sie wie gläserne Knöpf in dem Wammes eines Pfannenflickers. Penelope hat eine so schöne wohlgeformte Nase gehabt, daß sie auch der beste Künstler Praxiteles nicht konnte besser gestalten; aber gegen der meinigen ist sie ein von grobem Fließpapier gedrehtes Starnitzel, welches ein jeder Pfefferkrämer ohne Zirkel machen kann. Zenobia hat so schöne Wangen gehabt, daß auch der Schnee nicht so weiß, wenn er auch siebenmal sollt ins Bad gehen, auch der Purpur in das zarte Fell also eingemenget, als thät die Aurora durch einen weißen Schleier heraus schauen; aber gegen der meinigen nicht viel besser, als ein Fürtuch eines schmutzigen Flecksieders. Thargelia hat so schöne Lefzen gehabt, als wären sie des kostbaren Rubins nächste[98] Blutsverwandte; aber gegen der meinigen seynd sie wie ein Flosch eines vor drei Tagen abgestandenen Karpfen. Panthea hat so schöne Zähn gehabt, als hätten die feinsten orientalischen Perlen dazu kontribuirt; aber gegen der meinigen seynd sie solche Wölferl, womit ein alter Postklepper schon siebenzig Malter Haber zerkiefelt. In Summa, aller Weiber Schönheit der ganzen Welt ist nur eine grobe Schattirung gegen der Schönheit meiner edlen schönen Dama.

Und was das mehrste und höchstens zu verwundern, so ist diese hoch- und wohlgeborne Dama nicht allein nicht stolz, sondern so demüthig und freundlich, daß sie einen jeden grüßt, einem jeden die Hand bietet, auch dem geringsten Bettler, auch einem muffenden Stallknecht, auch einem rußigen Kohlenbrenner, auch einem krätzigen Spitaler, allen thut sie schön, alle ladet sie zu sich, und muß wohl ein grober und büffelsichtiger Mensch seyn, der ihr nicht auch die Hand gibt. Diese wunderschöne Dama heißt Gratia Divina, Ihr Gnaden, das ist, die Gnad Gottes, welche allen Menschen und Adamskindern schön thut, ihnen die Hand bietet, und begehret, in die Seligkeit zu ziehen; alle, alle insgemein verlangt sie selig zu machen, und der in Verlust gehet, der muß seinem eigenen freien Willen solches zuschreiben, sich selbst solches zuschreiben, nicht aber dieser edlen schönen Dama, als die ihm, gleich anderen, die schneeweißen Brätzel geboten, des Willens, ihn zur Glorie zu ziehen, nach der Lehr des heil. Pauli: »vult omnes homines salvos fieri.«

Gott ist wie die schöne goldene Sonn am Himmel,[99] welches königliche Gestirn und Oberhaupt aller Himmelslichter nicht allein ihre Strahlen wirft auf die prächtigen fürstlichen Palläst, sondern auch auf die verächtlichsten Bauernhütten; nicht allein beglänzt sie ein wunderschönes und wohlriechendes Blumenbettel, sondern auch s.v. einen schlechten Misthaufen; nicht allein spendirt sie ihr Licht denen hoch empor erhebten Bergen, sondern auch denen tief unterdrückten Thälern; nicht allein bescheint sie die so herrlich zugerichteten Lustgärten, sondern auch die wüst entlegene und rauhe Einöde; nicht allein schaut sie an mit ihrem strahlenden Angesicht die klar crystallenen Brunnquellen, sondern auch die sumpfigen Moräst und stinkenden Pfitzen. Also auch Ihr Gnaden, Gratia Divina, Gottes Gnad schauet alle Menschen und Adamskinder freundlich an, alle Sünder sowohl, als die Gerechten; alle Menschen, die Juden sowohl, als die Christen; alle Leut, die Heiden sowohl, als die Rechtgläubigen; sie bietet dem Edelmann die Hand in dem Saal, dem Soldaten im Feld, dem Kaufmann im Gewölb, dem Bauern auf dem Acker, dem Bettler vor der Thür etc., und begehrt alle zu sich zu ziehen, alle.

Gott nennet sich eine Feldblum, Ego flos campi. Cant. 2. Aber warum dieß? warum nicht vielmehr eine Gartenblum? beede zwar sind ehrliche Kinder der Erde, und genießen auf gleicher Portion die Gnaden der guldenen Sonne; aber es findet sich dennoch ein merklicher Unterschied zwischen ihnen, denn eine Gartenblum ist gleichwohl Wohnung halber eine Bürgerin, da unterdessen eine Feldblum ein gemeines[100] Geigewächs; eine Gartenblum wird mit sonderm Fleiß gezüglet, und endlich von einer zarten Hand eines edlen Frauenzimmers abgebrockt; eine Feldblum wird gar oft mit Füßen getreten, und muß endlich unter anderem Unkraut verfaulen; eine Gartenblum kommt so hoch, daß selbige auch eine schöne Dama in ihre aufgeputzten Haar steckt, und scheint, als wachsen Blumen aus diesem Grund, der zwar ziemlich faul und geil; eine Feldblum wird meistens von der Sichel einer kühsüchtigen Bauernmagd abgeschnitten, und kommt endlich unter das gemeine Viehfutter. Gleichwohl vergleicht sich Gott einer Feldblume, und nicht einer Gartenblume, ego flos campi etc., und zwar darum, Er, der allgütigste Gott, will nicht seyn wie eine Gartenblum, die allerseits eingeschränkt, und mit Zaun und Mauern umgeben, und derenthalben mehr dem Kauspatron oder wenigen andern zu Diensten, sondern Flos campi, er will seyn eine Feldblum, die insgemein allen Leuten zugehörig, die ein jeder, ein Edelmann und ein Bauer, ein jeder, ein Vornehmer und Gemeiner, ein jeder, ein Freund oder Feind, kann anschauen, kann abbrocken, und sich damit ergötzen. Flos horti clausus est, flos campi communis est, ita Christus communis est omnibus.

Ihr Gnaden, die schöne Dama, Gratia Divina, die Gnad Gottes, gehört nicht einem zu, sondern sie liebkoset jedermann, kein Verdammter in der Höll kann aussagen, daß er von dieser sey veracht worden; dem allerbarbarischsten Seyten, so am End des Erdbodens, oder aber in einer von allen andern Menschen unbewohnten Insul sich aufhält, dem wilden[101] Vieh nicht viel ungleich, diesem thut sie sich nicht weigern; sogar der größte Weltwust und unsers Erlösers abgesagter Feind, der Antechrist, wird von dieser Dama mit leiblichem Angesicht und freundlichen Blicken angeschaut werden: »Vult omnes homines salvos fieri, sie will halt, daß alle Menschen möchten selig werden.«

Zur rauhen Winterszeit, da die Sonn uns kaum mit einem Aug hat angeschaut, da der Himmel mit einem groben dicken Schleier das Angesicht verhüllt hat, da die Berg ihre Köpf mit weißen Fetzen hatten eingebunden, da die Bäume ganz nackend in größtem Frost gestanden, und vor Kälte gezittert, da die Felder völlig glatzköpfig mit dem häufigen Schnee bedeckt waren, da die Flüß und Wasser im harten Arrest gestanden, und noch nicht in Eisen, weniger in Eis geschlagen worden, da die meisten Vögel ohne Fede oder Passaport in andere Länder gewandert, da die armen Schäfel, obschon mit guten Pelzen versehen, die meiste Zeit müssen zu Haus hocken; zu einer solchen rauhen harten Winterszeit ist Gottes Sohn und der Weltheiland zu Bethlehem in einem Stall geboren, und kaum daß er geboren, da hat ihn Maria die Mutter als noch eine unversehrte Jungfrau in arme Windeln eingewicklet, und in die Krippe gelegt: »Et pannis eum involvit, et reclinavit eum in praesepio.« Das kommt mir in der Wahrheit schier ein wenig fremd vor, denn ich hätte glaubt, diese göttliche Kindelbetterin, indem sie forderist ohne einige Schmerzen geboren, hätte das guldene Kind in ihren Armen behalten, und ihm die Nacht hindurch tausend[102] und tausend Busserl versetzt, dasselbe mit ihren englischen Wangen und jungfräulichem Athem gewärmet oder wenigstens auf ihrem Schoos behalten, als daß sie selbiges auf das rauhe spießige Heu gelegt, wo es von keiner anderen Wärme, als von dem groben Kauchen des Ochsen und Esels in etwas erquicket worden. »Reclinavit eum in praesepio.«

Darum, darum, merkt es wohl insgesamte Adamskinder, darum ist's geschehen, damit Gott zeige, daß er allen zugehöre, daß er wegen aller Menschen Heil sey kommen; also hat der Himmel der übergebenedeiten Mutter befohlen, sie soll ihn nicht in ihren Schoos, sondern in die Krippe legen, welches war so viel gesagt, als, da habts ihn, dieser gehört euch allen zu, da könnt ihr Engel ihn anbeten, da kannst ihn Joseph verehren, da könnt ihr Könige aus Orient ihm die Pflicht ablegen, da könnt ihr Hirten ihn finden, ja sogar wollt er sich den zweien vernunftlosen Thieren, dem Ochs und Esel nicht weigern: Non solum hominum ditas et beatificas mensas, sed et foenum factus, jumentorum reples Praesepia, ut tam homines quam jumenta, tam spirituales quam animales suo quemque gradu et ordine salves.«

Ihr Gnaden die schöne Dama, Gratia Divina, ist dießfalls nicht partial, sie begehrt alle selig zu machen, sie grüßt alle, sie ruft alle, sie biet allen die Hand; Niemand ist zu Aufgang der Sonne, Niemand ist zu Untergang der Sonne, Niemand ist gegen Mittag, Niemand ist gegen Mitternacht, Niemand ist in der Welt, den sie nicht in Himmel[103] einladet, dem sie nicht die freundlichsten Augen zeigt, und es ganz treuherzig mit einem jeden Menschen vermeint; sie schaut keinen Stand an, keine Person an, kein Alter an, sie hilft einem jeden in Himmel, wenn er nur will.

Mein heil. Vater Augustinus thut sehr reif erwägen und sehr heilig betrachten jene Wort des heil. Pauli: »extra portam passus est,« warum unser Herr und Heiland hab wollen sterben außer der Stadt Jerusalem? weil doch alle Schlachtopfer im Tempel eine Figur und Vorbedeutung seynd gewest seines Leidens; warum hat er nicht wollen sterben im Tempel? weil man ihm doch hat schimpflich vorgeworfen, daß er ein Verführer des Volks sey; warum hat er nicht wollen sterben in Mitte der Stadt? weil er doch deren Hohepriester, ja der ganzen jüdischen Synagog und der gesamten hebräischen Klerisei ein Spieß in Augen gewest; warum hat er nicht wollen sterben auf dem vornehmsten Platz zu Jerusalem, allwo die meisten Wohnungen gewest der Priesterschaft? extra portam, er, der gebenedeite Seligmacher, wollt deßwegen nicht in der Stadt sterben, damit etwan die Welt sich nicht möchte einbilden, er sey für die Stadt und dero Inwohner allein gestorben, damit man nicht möcht gedenken, sein Blut sey nur für Jerusalem vergossen worden, darum hat er wollen sterben außer der Stadt, darum auf einem hohen Berg, damit männiglich sehe und wahrnehme, daß er für alle sterbe, alle erlöse, und folgsam alle verlange, selig zu machen. »Propterea enim extra Civitatem et[104] extra Muros, ut intelligas, quoniam communis est hostia pro genere humano oblata.«

Einige vornehme Contemplanten wollen behaupten, vermög der Wort des psalmischen Davids: »Operatus est salutem in medio terrae,« Ps. 73., als wäre das Kreuz, worauf der Heiland Jesus gestorben, sey gesteckt und aufgericht worden just an dem Ort, wo der Mittelpunkt des ganzen Erdbodens; als sollen die fünf heiligsten Wunden nichts anders seyn, als fünf reichfließende Fontanen, so den ganzen Erdenkreis übergießen, und alle Mackeln abwaschen; als sollen diese göttlichen Lampen oder Leuchter hangen in Mitte des großen Weltzimmers, damit alle Winkel davon erleucht werden. Ja sterben wollt er nicht durch die Hinabstürzung, wie ihn die Hebräer auf einen Berg geführt; sterben wollt er nicht durch die Steine, so die Nazarener haufenweis, einem groben Schauer nicht ungleich, über ihn wollten werfen, sondern sterben wollt er an dem Kreuz mit ausgespannten Armen, damit man sehe, daß er nicht einen oder den andern, sondern die ganze Welt wolle umfangen, und alle seines heiligsten Leidens theilhaftig machen; sterben wollte er mit dem Titel und Überschrift: »Jesus Nazarenus Rex Judaeorum, Jesus von Nazareth, König der Juden;« aber dieses in dreierlei Sprachen, benanntlich hebräisch, griechisch und lateinisch, unter welchen als Hauptsprachen alle andern der ganzen Welt begriffen seynd, hierdurch zu zeigen, daß sein Blut sey vergossen nicht für ein Volk allein, sondern für alle gesamte Menschen der Welt; alle, alle begehrt er, was an seiner Seite ist, alle, alle[105] selig zu machen. Gratia Divina, die göttliche Gnad thut nicht einem das Gesicht zeigen, dem andern den Rücken; Gratia Divina, die göttliche Gnad thut nicht einem die Speis reichen und läßt den andern Hunger sterben; Gratia Divina, die göttliche Gnad thut nicht einem den rechten Weg zeigen, und läßt den andern irrgehen, sondern gegen alle willfährig ist diese holdseligste Dama.

Um dreißig Silberling, o Schelm! um dreißig Silberling, o Dieb! um ein so Spottgeld verkaufest du das höchste Gut, o verruchter Judas! Was dieß für ein Geld gewest, seynd unterschiedliche Meinungen, wie ich schon anderwärtig davon Meldung gethan. Baronius glaubt, es seynd drei tausend Thaler gewesen, aber diesen hat Baradius genugsam überwiesen; Dionysius Karthusianus vermeint, es seynd sechzig Gulden gewest, der aber kann mit keiner rechten Prob aufkommen; Rupertus, St. Thomas von Aquin, Ribera samt andern seynd der Aussag, es sey in allem nicht mehr gewest, als drei romanische Scuta, welches so viel als sechs Gulden; und vermuthlich muß es gar wenig Geld seyn gewest, weil der lasterhafte Gesell nichts ausdrücklich begehrt, noch ihn, den Herrn Jesum, um so und so viel feil geboten; nicht hat er gesagt, hochwürdigste und gnädige Herren, wenn ihr mir in baarem Geld hundert Thaler oder hundert Kronen versprecht zu bezahlen, so will ich euch diesen Nazarener, diesen Zimmermannssohn, einhändigen, sondern er hat es ihrer Willkühr überlassen; »quid vultis mihi dare? was wollt ihr mir geben?« welches so viel lautet, als sage er, gebt mir, was euer[106] guter Wille ist, es ist um ein Trinkgeld zu thun; gewiß ist es doch, daß es keine große Summa gewest, denn ob man schon in der wienerischen Bibliothek des Kaisers, wie auch in der Gellarie des Kardinal Chisii zu Rom einen dergleichen Silberling zeigt, welche eines ziemlichen Werths, so folgt nicht, daß alle dergleichen gewest seyn; denn in einem Opferstock einer Kirche findet man nicht lauter Guldiner, oder Fünfzehner, sondern wohl auch Kreuzer, Zweier und Pfenning; hat doch das alte Mütterl in den Stock des Tempels zu Jerusalem nur zwei Heller hinein geworfen. Weil nun das Geld, womit der Judas regalirt worden, aus dem Opferstock des Tempels kommen, so ist vermuthlich, daß allerlei Geld, groß und klein, unter einander gewest, welches in allem dreißig Silberling ausgetragen, so da nach Aussag Alciatil. de Ponderib. nicht mehr macht, als sechs Gulden. Sey ihm wie ihm wolle, so hat doch der Weltheiland, dem Himmel und Erde zugehörig, dessen Würde und Werk unendlich und unermeßlich, wollen um ein geringes und schlechtes Geld verkauft werden; nicht theuer, damit man nicht meine, er gehöre für die Reichen allein, sondern wohlfeil, damit ihn ein jeder könne bekommen: »Vili vult aestimari, ut ab omnibus ematur.« Mit Einem Wort, Gott ist für alle, keinen ausgenommen, Gott spendiret allen seine Gnad, verachtet niemand, Gott händiget einem jeden Menschen (ich rede dermalen von den Erwachsenen) so viel Gnad ein, daß er damit, wenn er nur will, kann ein Kind der Seligkeit werden; am jüngsten Tag wird sich niemand können entschuldigen, als ob er[107] derenthalben sey verloren worden, weil ihm ihr Gnaden, die schöne Dama Gratia Divina, die Gnad Gottes, nicht sey favorabel und günstig gewest, massen diese einem jeden genugsame Mittel spendiret, kraft deren er unter die Seligen kann kommen.

Immensum et Infinitum Divini Luminis pelagus semper paratum est, et patet omnibus ad partcipandum. Areopagit. de Coelest. Hierarch. c. 9.

Amator hominum est noster Deus, et vult omnes homines Salvos fieri, propter quod et solem suum oriri facit super bonos et malos, et pluit super justos et injustos. St. Ignat. Epist. 6. ad Philadelph.

Hi qui non operantur bonum, judicium justum recipient Dei, quia non sunt operati bonum cum possunt. Irenae l. 4. c. 21.

Quantum attinet ad Deum salvae fuissent omnes tribus Israel; imo et omnes mortales. Chrysostom. serm. 16. ad Rom.

Vult omnes Salvos fieri, si et ipsi velint, nullum excipit a Salute. St. Ambr. ad Cap. 1. ad Tim. 2.

In medio Templi misericordia est, in communi posita est, offertur omnibus et nemo illius expres, nisi qui renuit. St. Bernard serm. 1. de Purif.

Wann nur der allmächtige Gott einem jeden Menschen eine genugsame Gnad und sattsame Hülf reichet womit er kann ein Kind der Seligkeit werden, warum gehen denn so viel unzählbare Seelen[108] in den ewigen Verlust? Acht Personen, und mehr nicht, seynd in der Arche Noe errettet worden, die übrigen alle, alle zu Grund gangen; also wird die Unzahl der Seligen weit geringer seyn, als die der Verdammten. O mein Gott! vier Personen, und mehr nicht, seynd aus dem schwefelvermischten Feuerregen zu Sodoma und Gomorrha salviret worden, die anderen alle alle seynd in den Flammen zu Grund gangen; also werden weit mehr in den höllischen Feuergrund steigen, als zur ewigen Glorie kommen. O mein Gott! zwei Personen, und mehr nicht, seynd in dem gelobten Land angelangt, die anderen Israeliter alle alle, benanntlich sechsmal hundert tausend streitbare Männer, Weiber und Kinder gar nicht gerechnet, seynd ausgeschlossen worden; also werden wenig, wenig in das obere Vaterland kommen, die meisten alle alle auf ewig verbannisirt. O mein Gott! in der Stadt Jericho ist nur ein Haus, und mehr nicht, benanntlich das Haus der Rahab, vor Feuer befreiet, die andern alle alle in Asche gelegt worden; also werden gar wenig dem höllischen Feuer entgehen, sondern die mehrsten alle alle ewig brennen. O mein Gott! ein Theil, und mehr nicht, des guten Saamens bei dem evangelischen Ackersmann hat Frucht gebracht die anderen drei Theil seynd alle verdorben, und ist nicht ein Körnl davon kommen; also werden gar wenig in das Reich Gottes eingehen, die mehrsten alle verloren werden. Dem heil. Einsiedler Simeon ist offenbart worden, daß aus 10,000 Seelen kaum eine zum Angesicht Gottes gelanget. O mein Gott! wenn du dann für alle bist Mensch worden, für alle; wenn[109] du für alle gelitten, für alle; wenn du für alle gestorben, für alle; wenn du alle gewaschen hast in deinem kostbaren Blut, alle; wenn du begehrest alle selig zu machen, alle; und wenn du allen genugsame Gnad hiezu gibst, allen; warum daß so wenige das ewige Heil erreichen, warum o Gott? wird der Teufel reicher an Seelen seyn, als du Erlöser? warum wird die Höll mehr Inwohner und Burger haben, als der Himmel? Hoc quaeris et quereris?

Vernimm mich ein wenig hierüber, und wisse, daß Ihr Gnaden die edelschöne Dama Gratia Divina,einem jedweden die perlweißen Händ darreicht, und will ihn zur Seligkeit führen, aber zwingen thut sie niemand; wenn jemand ein so grober Knopf ist, und weigert solche erzeugte Höflichkeit, so ist's seine Schuld, perditio tua ex Te Israel. Ihre Hand allein thut nichts, wenn du nicht auch die deinige darreichest.

Gott hat zwar dich erschaffen ohne dich, er hat deine Mithülf und Mitwirkung gar nicht vonnöthen gehabt, aber er will dich nicht selig machen ohne dich, seine Gnad kommt zwar von oben herab, wie das Licht über den Saul: »Circumfulsit illum lux de coelo.« Seine Gnad ist nicht anderst, als wie der Stern, welcher die orientalischen Könige zu dem vermenschten Gott nach Bethlehem geführet hat; seine Gnad ist wie die Sonne, vor dessen Aufgang die drei frommen Matronen zu dem Grab des Herrn nicht seynd kommen; seine Gnad erleuchtet, erweckt, ruft, führet, weiset, locket, stärkt, ziehet, mahnet,[110] aber zwingt nicht, sondern der Mensch muß durch seinen freien Willen mitwirken.

Mit zwei Rädern fährt man in Himmel, eines ist die Gnad Gottes, das andere ist die eigene Mitwirkung des Menschen; mit zwei Flügeln stiegt man in Himmel, eine heißt Gratia Divina, die andere Cooperatio humana; mit zwei Schlüsseln macht man den Himmel auf, einen hat Gott, den andern hat der Mensch. Zwei haben die große Weintraube durch die Wüste getragen, einer voran, der andere nach seiner; die Seel kann nicht in den Schoos Abrahams getragen werden, es sey denn, Gott trage voran, der Mensch auch nach seiner. Des Jakobs Himmelsleiter hat zwei Theil gehabt, den obern Theil hat Gott gehalten, der untere ist auf der Erde gestanden; wer in Himmel will steigen, hat zweier Hülf vonnöthen, erstlich die Gnad Gottes, nachmals seine eigene Mitwirkung.

Der Menschen Witz ist gleichwohl schon so weit kommen, daß er den hellen, schnellen und wunderlichen Sonnenlauf kann entwerfen auf einem Platz, so kaum etliche Spannen groß. Eine Uhr an einer weißen Wand mit etlichen schwarzen Strichen und Tüpfeln thut alle Schritt und Tritt zählen des großen Himmelsriesen der Sonne; ein kleiner Fleck einer weißen Mauer ist anstatt eines Papiers, worauf der Zeiger als eine eisene Feder, den ganzen Sonnenlauf abzeichnet, und nach diesem richtet sich der Bauer, wenn er soll gen Acker fahren; nach diesem schickt sich der Handwerksmann, wenn er soll die Arbeit anfangen, oder aber Feierabend machen; nach diesem richtet sich[111] der Schüler, wenn er soll seinen Studentenzeug unter den Arm nehmen, und zu seiner lateinischen Arbeit gehen; nach diesem bequemt sich die Hausfrau, wenn sie soll die Speisen fertig machen, damit um eilf Uhr nicht zwölf Klagen über sie kommen; nach diesem schickt sich gar der Hirt, wenn er soll das krumme Horn an den Mund halten, und mit einem kurzen Küheruf das Vieh auf die Waid laden etc. Fürwahr, es ist eine gar gute und nützliche Sache um eine Sonnenuhr, aber damit solche recht und vollkommen sey, werden nothwendige zwei Ding erfordert: erstlich der Sonnenschein, nachmals der Schatten, so von der eisenen Stange geworfen wird. Das Heil der Menschen, die Seligmachung der Adamskinder, hält sich fast natürlich wie eine Sonnenuhr, allwo Schein und Schatten müssen bei einander seyn, eins ohne das andere ist nichts; das Licht oder Schein ist Gott, »Deus Lux est,« Joan. 1., der Mensch ist ein Schatten, »Fugit, velut umbra,« Job. c. 14. Es ist nicht genug das göttliche Gnadenlicht von oben herab, sondern es muß auch dabei seyn der Schatten der menschlichen Mitwirkung; dahero spricht der heil. Paulus zu den Korinthern: »Non ego, sed Gratia Dei mecum,« durch die Gnad Gottes, sagt er, bin ich wer ich bin, und seine Gnad ist in mir nicht vergeblich gewest, sondern ich hab mehr gearbeitet, als sie alle, nicht aber ich, sondern die Gnad Gottes in mir.

Wie zu Kana auf der Hochzeit der Wein abgangen, und derentwegen die Gäst ziemlich melancholisch da gesessen, um weilen der Feierabend unter die Gläser und Kandeln kommen, und das trockene Wetter[112] so gäh eingefallen, daß ihnen fast die Mäuler gestaubt, da hat die mildherzige Mutter Maria dazumalen schon sehen lassen, daß sie die Menschen in keiner Noth wolle stecken lassen, darum gleich eine starke Intercession und Vorbitt bei ihrem gebenedeiten Sohn eingelegt, worauf dieser alsobald den Leuten befohlen: » implete hydrias aqua etc.,« sie sollen die großen steinernen Krüg mit Wasser anfüllen, und wie solches werkstellig gemacht worden, da hat er dieß Wasser in den allerbesten Wein verkehret. Leicht hätte er vermög seiner Allmacht können ohne das Wasser den Wein erschaffen, zumalen er alles aus nichts erschaffen; leicht hätte er können durch die Engel von anderwärts her bringen lassen den besten Rebensaft und Muscateller, aber er wollt alles dieses nicht allein thun, sondern zugleich auch der Menschen Arbeit und Mitwirkung dabei haben, er wollt das Wasser in Wein verwandeln, aber sie sollen das Wasser schöpfen, das Wasser tragen, das Wasser eingießen:»In nuptiis ex fontibus Vina, Ministris operantibus, colerantur, utraque enim alteri necessaria est, et industria Gratiae, et gratia Industriae.«

Die Israeliter seynd auf eine Zeit kaum in die Stadt Masphat kommen, und daselbst wollen Pönitenz und Buß thun ihres verübten Muthwillens halber und großer Lasterthaten, da seynd ihnen die Philistäer, als abgesagte Feind, gleich wieder auf den Rücken kommen, und die Stadt mit großer Kriegsmacht umgeben, und wirklich belagert. Dieser unverhoffte feindliche Ueberfall hat unter ihnen den größten Schrecken verursacht, und wenn alle hätten mit[113] Karten gespielt, so hätt doch keiner mit Herz etwas gewonnen; wenig Spielleut waren unter ihnen, aber fast alle haben auf der Zitter geschlagen, auf die Orgel haben sie sich wenig verstanden, aber auf den Tremelanten die meisten alle; unverzagt ist sonst ein Edelhaus in Oesterreich, aber diesem war keiner aus ihnen verwandt; wenn man einem jeden einen Schreckstein hätte sollen anhängen, wie bei uns den Kindern, so hätt man für diese Kinder Israel fast einen ganzen Felsen müssen zerspalten; nicht zu beschreiben war die Furcht, so sie wegen des Feindes hatten, daher ihre einige Zuversicht gesucht bei dem Samuel, so bei ihnen war, denselben mit aufgereckten Händen ersucht, er wolle sich doch ihrer annehmen, und bei Gott wider diese so große feindliche Kriegsmacht genugsame Hülf zuwegen bringen. Kaum daß sich Samuel samt allem Volk in das eifrige Gebet begeben, und die Philistäer in vollem Anmarsch gegen die schlecht befestigte Stadt gewesen, da hat Gott der Herr ein erschreckliches Donnerwetter über die Philistäer erweckt, daß sie hierdurch in größten Schrecken gerathen, und alle ganz zaghaft worden, den Reißaus genommen, der Stadt den Rücken gezeigt, um weil ihnen Gott ein so zorniges Gesicht gewiesen, denen alsobald die Israeliter beherzhaft angehaut, und eine überaus große Anzahl des Feindes erlegt, und herrlich victorisirt.

Ein Glaubensartikel ist es, daß solcher Donner und Blitz nicht ungefähr im Himmel entstanden, sondern Gott hat zu allem Fleiß dieses so erschreckliche Kanoniren wider die Philistäer verursacht; wenn aber doch der allmächtige Gott hat wollen den Feind[114] überwinden, die Stadt erledigen, warum hat er nicht lassen, welches ihm gar leicht wäre gewesen, diese feindliche Armee durch die feurigen Donnerkeil zu Boden schlagen? sodann wäre ihm die Victorie allein zugeschrieben worden; aus was Ursach hat er wollen, daß auch die Israeliter sollen vom Leder ziehen, drein jagen, drein schlagen, und den Feind verfolgen? Höre dessen Ursach von dem großen heiligen Pabst Gregorio: Gott ist unser Herr, und nicht unser Diener; er will nicht, daß er soll alles thun, und wir die Händ in Sack schieben, sondern er will, daß zu seiner göttlichen Gnad auch der Mensch soll seinen Fleiß zugesellen. Ohne Hülf dieser so himmlischen Dama kann der Mensch die Seligkeit nicht erreichen, aber sie will zugleich, daß ihr Beistand nicht in Himmel helfe ohne des Menschen Mitwirkung.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu dem Abraham, und versprich dir deinen Saamen zu vermehren wie die Stern am Himmel und den Sand am Ufer des Meers; aber thue auch du das deinige, verlasse dein Vaterland und opfere mir deinen Sohn auf.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu dem Jakob, und will machen, daß dein Bruder Esau das kürzere ziehe, und du das Majorat sollst antreten; aber thue du auch das deinige, und schau, wie du durch Hülf deiner Mutter kannst den Segen vom Vater erhalten.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu dem Kriegsfürsten Josue, und verheiße dir gewiß, daß du die Stadt Jericho sollest in deine Hand bekommen; aber thue auch das deinige, und gehe mir siebenmal mit[115] der Procession und klingendem Posaunenschall um die Stadt herum.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu der Rahab, und will machen, daß dein Haus sicher bleibe vor aller Zerstörung; aber thue auch du das deinige, und hänge das rothe Strickel vom Fenster herab, damit solche Salvegarde die meinigen Soldaten können wahrnehmen.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu allen presthaften Leuten bei dem Schwemmteich zu Jerusalem; aber thut auch ihr das eurige, und schaue ein jeder, daß er, auf die Bewegung des Engels der erste im Wasser sey.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu dem Noe, und will dich von dem allgemeinen Sündfluß salviren und erretten, dich und deine nächste Verwandtschaft; aber thue auch du das deinige, und verfertige mit deinen Händen ein großes Schiff oder Arche.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu dem Naam, und will dich durch meinen Propheten Elisäum vom Aussatz gänzlich reinigen; aber thue auch du das deinige, und bade dich siebenmal in dem Fluß Jordan.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu dem König Ezechia, und ich will dir noch dein Leben fristen auf fünfzehn Jahr; aber thue auch du das deinige, und nimm das Pflaster von Feigen, und leg es über den Schaden.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu den zwei Schwestern Magdalena und Martha, ich will euern verstorbenen Bruder wieder zum Leben erwecken; aber[116] thut ihr auch das eurige, und schaut, daß der große Stein vom Grab gewälzet werde.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu dem Petro, und will dich zum Trost der Kirche aus den eisenen Banden und Ketten durch einen Engel erlösen; aber thue du auch das deinige, bekleide dich, leg die Schuh an, und gehe mit mir aus dem Kerker.

Ich thue das meinige, sagt Gott zu einem jeden Menschen, ich spendire deiner Seele meine göttliche Gnad, ich erleuchte dieselbige durch viel innerliche Eingebungen. Ich ermahne dich durch so viel Bücher und Prediger. Ich zeige dir die Fußstapfen so vieler heiligen Leut. Ich schicke dir so viel Plagen und Geißeln, die dich vom Uebel sollten erhalten. Ich hab dir zugesellt einen besondern heiligen Schutz-Engel, der dich immer zum Guten anzufrischen pflegt. Ich erweise dir so viel Mirakul und Wunderwerk, kraft deren du sollest augenscheinlich erkennen, daß ein Gott sey, daß ein Himmel sey, daß eine Straf sey, daß eine Belohnung sey. Ich thue also in allem das meinige, thue aber du auch das deinige, folge meiner Lehr, halte mein Gesetz, erwäge meine unendliche Liebe, fürchte meine Gerechtigkeit, meide die Sünden und Laster. Wenn aber dieß nicht ist, so gib die Schuld nicht meiner Gnad, die dir nicht abgangen, sondern deinem eigenen bösen Willen, der nicht hat wollen mitwirken.

Daß also eine größere Anzahl der Verlornen als der Auserwählten, ein größerer Haufen der Böcke als der Schaf; ein größeres Buch, wo die Verdammten geschrieben seynd, als wo die Seligen. Ist nicht[117] Ursach der allmächtige Gott, dessen Güte und Barmherzigkeit über alle sein Werk, dessen Milde und väterliche Obsorg einen jeden Menschen versieht mit genugsamer Gnad und Hülf, kraft der er kann ein Himmelsbürger werden; sondern Ursach bist du Mensch, weil du nemlich nicht willst mitwirken: »Cum omnibus aditus pateat et a nemine prohibeatur, propria duntaxat malitia, ingredi recusant.«

Zu einem frommen und heiligen Eremiten ist auf eine Zeit ein Herr kommen, und sich in sein heiliges und eiferiges Gebet sehr stark befohlen, um weilen er auf allen Seiten von Drangsalen und Widerwärtigkeiten überhäuft werde. Der fromme Waldbruder verspricht, daß er in allweg sein Gebet für ihn wollte verrichten, bittet aber anbei um eine Gnad. Was da? Herr! sagt er zu diesem, ich hab schon eine lange Zeit meinen Strohsack nicht gelüftet, ich kann ihn ganz allein nicht zu der engen Zell hinaus bringen, und in die Sonne legen, thut mir so viel zu Gefallen, und helft mir selben hinaus schleppen. Gar gern, sagt der Herr, warum das nicht, und nimmt zugleich den Strohsack mit beiden Händen, des Willens, denselben hinaus zu ziehen, konnte aber mit aller angewandten Mühe wenig ausrichten. Merkt aber endlich, daß der Eremit und Waldbruder mit beiden Füßen auf dem Sack gestanden, und denselben also zurück gehalten. Holla! sagt er zum Klausner, ihr seyd ein seltsamer Mann, wenn ihr wollt, daß ich den Sack hinaus bringe, so helfet mir tragen. Gar recht, setzt hinwieder der Eremit, wenn ihr[118] wollt, daß ich mit dem Gebet euch aus aller Mühseligkeit helfe, so müßt ihr auch mitbeten; ich will fasten, aber ihr auch; ich will mich derenthalben kasteien, aber ihr auch etc. Deßgleichen sagt einem jeden, meine holdselige Dama, Gratia Divina, die göttliche Gnad, sie wolle einem jeden helfen, aber mit dem Geding, daß er auch nicht feiere, Cum Minerva manum admove, sondern auch die Hand anlege, Gott der Herr hat es also weislich angestellt, daß unsere Seligmachung nicht völlig durch uns geschehe, damit wir uns derentwegen nicht übernehmen, auch nicht völlig durch ihn, damit wir nicht träg und faul werden, sondern durch seine göttliche Gnad und unsere Mitwirkung.

Genug von der Sach, sagt einer, laß mich auch der Pater reden; ihr streicht mir dieses gnädige Frauenzimmer sehr stattlich hervor, und probirts mit mehreren, daß sie ihrer angebornen Freundlichkeit halber einem jeden die Hand reiche, keinen ausgenommen, einen jeden zu sich ziehe und liebkose. Dieß will ich weiter nicht in Abred stellen, aber wahr ist es gleichwohl, daß sie einem schöner thut, als dem andern; läugnen kann es niemand, daß Gott nicht einem mehr Gnad gebe, als dem andern, und eben dieß scheinet eine Ursach zu seyn, warum so viel in ewigen Verlust gehen. Es findet sich gleichwohl in solcher Gestatt bei Gott eine große Partialität. In Mitte der zwei Thiere ist er in der Krippe gelegen, das ist wahr; in Mitte der zwei Schächer ist er gestorben, das ist wahr; in Mitte der Apostel ist er nach seiner Urständ erschienen, und ihnen den Frieden gebracht,[119] das ist wahr; aber in Austheilung seiner göttlichen Gnad gehet er nicht mitten durch, sondern spendiret diesem mehr als jenem, darum der letzte freilich wohl schlecht beschaffen ist. Ei du elender Tropf, was redest du, wer bist du, du verworfener Erdwurm, daß du dich unterfangest, wider den höchsten Gott zu schnarchen; wenn Gott einem jeden dasjenige gibt, was er ihm schuldig ist, was gehet es ein elendes Geschöpf an, so er einem andern mehr spendiret als diesem. Was hat der Topf oder das Häfen zu schmählen wider den Hafner, um weil er dasselbige nicht zu einem Trinkgeschirr gemacht hat auf eine königliche Tafel? »Nulla iniquitate agitur, si in ipsis quoque fidelium populis non omnibus eadem, neque paria conferantur.« Es ist ja genug, daß Gott einem jeden Menschen so viel Hülf ertheilt, womit er kann in die Anzahl der Seligen kommen. Und woher hast du die Nachricht, daß einer mehr Gnad hat, als der andere? Vielleicht hat Petrus mehr Gnad, weil er frömmer und tugendsamer ist, und Paulus weniger Gnad, weil er schlimmer und gottloser lebt. Aber höre, wie ungereimt diese deine Aussag, denn es seyn kann, daß ihrer zwei eine ganz gleiche Gnad besitzen, und doch einer frömmer lebt, als der andere; die Ungleichheit aber des Wandels rühret nicht von der Gnad her, als welche ganz gleich ist, sondern von der Mitwirkung, weil nemlich einer die Gnad wohl braucht und anwendet, der andere aber selbe mißbraucht, und ihrer nicht viel achtet.

Mein heiliger Vater Augustinus stellet dessen ein hellklares Exempel, es können zwei eines ganz gleichen[120] Temperaments, einer ganz gleichen Natur und Komplexion, und auch einer ganz gleichen Gnad seyn, welche beide ein wohlgestaltes Weibsbild anschauen, einer aus ihnen verwilliget in eine ungebührliche Begierd, der andere widerstrebt, und erhält das Gewissen unversehrt, keiner andern Ursach halber, als weil einer den freien Willen übel, und der andere wohl angewendet. Ja es geschieht nicht selten, daß einer mit weniger Gnad heiliger lebt, als der andere mit mehr, nach Unterschied des freien Willens. So klag dann niemand die göttliche Gnad an, als welche alle verlangt in die Seligkeit zu bringen, sondern die eigene Bosheit seines freien Willens, daher ein jeder Verdammter in der Höll sagen kann und bekennen muß: »Ego sum, qui peccavi, ego, qui in juste ego, qui inique gessi.«

Der die Schuld auf die Gnad Gottes legt, als wäre solche nur Sufficiens, und nicht Efficax gewest, und sey derenthalben verloren gangen, der kommt mir vor wie jener boshafte Orangist, welcher eine geraume Zeit einen Haß getragen gegen einen Schneidermeister, und damit er sich an demselben rächen möchte, also hat er auf eine Zeit öffentlich das Liedel, zwar ohne Gesang auf der Orgel aufgespielt: »Es kiefelt ein Schneider einen Gaisfuß ab etc.« Dieß war nicht allein in dem Haus Gottes eine große Aergernuß, sondern zugleich dem ehrlichen Meister eine große Unbild; solche gebührend abzustrafen, nimmt er einige Kameraden mit sich, des Willens, solchen Muthwillen mit einem dicken hölzernen Koncept abzutrocknen. Als aber der arge Orgelschmied solches[121] wahrgenommen, ist er alsobald mit einer Entschuldigung auf die Bahn kommen, mit Vermeldung, daß solches seiner Schuld gar nicht zuzumessen sey, sondern dem Kalkanten und Blasbalgzieher, und muß er nur auf der Orgel schlagen, was er ziehen thue; der einfältige Meister nimmt diese grundlose Entschuldigung an, und bezahlt den armen Kalkanten mit der Münze, die sonsten für den Orangisten gehörig gewest.

Lächerliche Sachen schicken sich wohl nicht daher, wo man von so hochwichtiger Materie, als da ist die Gnad Gottes, handeln thut; aber wahr ist es gleichwohl, daß sehr viele unbedachtsame Adamskinder die Schuld ihres Lasterwandels der so kleinen und schwachen Gnad Gottes zumessen, so doch mit dem größten Unfug geschieht. Pharao kann das nicht sagen, Esau kann das nicht sagen, Judas kann das nicht sagen, Herodes kann das nicht sagen, Pilatus kann das nicht sagen; denn daß alle diese samt unzählbaren Anderen verloren gangen, ist nicht daran Ursach Gottes Gnad, welche da genugsam war, daß sie damit hätten können die ewige Kron erwerben, sondern Ursach war ihr eigener freier Wille.

Ihr fünf thörichten Menscher, daß euch die Himmelsthür vor der Nase ist zugeschlagen worden, seyd selbst daran schuldig, warum habt ihr bei rechter Zeit euch nicht mit Oel versehen. Ihr saumseligen Diener, daß man euch das Talentum und anvertraute Geld mit Schand und Spott wieder hinweg genommen, seyd selbst daran schuldig, denn indem ihr mit demselben hättet sollen wirtschaften, habt ihr es unter die Erde vergraben. Ihr unglückseligen[122] Weingartsknechte, seyd selbst daran schuldig, daß man euch hat davon gejagt; denn als ihr hättet sollen den Weingarten gut und fleißig bauen, habt ihr denselben völlig verwachsen lassen.

So bleibt denn Ihr Gnaden, die hoch- und wohlgeborne Dama Gratia Divina, die göttliche Gnad, in ihrer Reputation; niemand kann ihr was Uebels nachreden, indem sie gegen alle Menschen freundlich und freigebig, und ihre Gedanken niemals, daß ein einiger solle verloren gehen. Daß Judas Iscarioth zum Teufel gefahren ist, ist sie gar nicht daran schuldig. »Non perdidi ex eis quamquam etc.«

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ, oder eigentlicher Entwurf und Lebensbeschreibung des Iscariotischen Böswicht. 7 Bände, in: Abraham a St. Claraߣs Sämmtliche Werke, Band 7, Passau: Friedrich Winkler, 1834–1836, S. 96-123.
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