Judas Iscarrioth zeiget sich bei Zeiten undankbar gegen den Heiland Jesum.

[151] Der Herr aus seinem Fenster, der Bauer auf dem Acker, der Hirt in dem Feld, der Jäger in der grünen Aue thun etwas wahrnehmen, daß die schöne Sonn einen Dunst oder dicke Feuchtigkeit von der Erde in die Höhe ziehet, welcher aber wegen dieser Erhebung und Promotion also undankbar, daß er zum Dank dir Gott die liebste Sonn, die ihn also empor gebracht, spöttlich verfinsteret und trüb machet. Eine Sonn der göttlichen Gerechtigkeit wird vielfältig in heiliger Schrift unser Herr und Heiland benamset.[151] Die göttliche Sonn hat Judam als einen schlechten Erdendampf, einen geringen irdischen Menschen dergestalten erhebt, daß er ein Apostel, ein Jünger Christi, ein Mitgespann so vieler heiliger Leut' ist erkiesen worden; ja er ist so hoch kommen, daß er durch sondere und niemalens verdiente göttliche Gnad große Wunder gewirket, die Teufel aus den Besessenen ausgetrieben, die Aussätzigen gereiniget, krumme, lahme und elende Krüppel zu geraden Gliedern und gewünschter Gesundheit gebracht. Neben allem diesen hat Christus vorhero des Judä seinen Vater von dem Aussatz erlöset, und seine liebste Mutter nachmalen von einer gefährlichen Krankheit kurirt. Um alle diese so überhäufigen und großen Gnaden und Gutthaten ist dieser Erz-Bösewicht also undankbar gewest, daß er das Gute mit dem Bösen bezahlet, durch seine heimlichen Diebstähl und wiederholten Partitereien Christum die göttliche Sonn also betrübet, daß solche nimmermehr ein klares Gesicht gezeiget, der allzeit trüb und betrübt; bis endlich der schlimme Mensch das apostolische Kollegium verlassen, nachmals ist diese Sonn wieder klar worden; denn es hat geheißen: Nunc clarificatus est filius hominis, et Deus clarificatus est in eo, et Deus clarificabit illum in semetipso, et continuò clarificabit eum. Was kann doch Verruchteres seyn auf dem ganzen Erdboden, als eine solche Undankbarkeit gegen Gott?[152]

Wer bist du Mensch? Ein Garten voller Distlen. Ist nit gnug das. Ein Rosen voller Dörner. Ist noch nicht gnug. Ein Himmel voller Finsternuß. Ist noch nicht gnug. Eine Kuchel voller Rauch. Ist noch nicht gnug. Ein Haus voller Winkel. Ist noch nicht gnug. Ein Buch voller Fehler. Ist noch nicht genug. Ein Kalender voller trübes Wetter. Ist noch nicht genug. Ein Baum voller faulen Früchten. Ist noch nicht gnug. Ein Wein voller Gläger. Ist noch nicht gnug. Ein Meer voller Schiffbruch. Ist noch nicht gnug. Ein Fleisch voller Würm. Ist noch nicht gnug. Ein Licht voller Butzen. Ist noch nicht gnug. Ein Geschirr voller Schmutz. Ist noch nicht gnug. Ein Mensch voller Schulden. Das wohl. Ein Mensch voller Schulden bist du. Hast du nie gehört, daß Christus der Herr habe samt seiner heiligen Bildnuß dem König Abagarus nach Edessa einen Brief geschrieben? Eben dieser schickt dir auch ein schriftliches Auszügel, wie folgsam zu vernehmen:


[153] Auszügl.


Hans Adam Erdschrollen, sündiger Mensch auf der Welt, hat von mir Endesunterschriebenem Gnaden empfangen, wie folgt: (Hoffe, daß solche mit Dank werden bezahlt werden.)


Anno

Gnaden.


1640. Vom 7ten August an, am Tag des hl. Bonifacii, im Mutter-Leib, das erste Monat

6000


Item, das andere und dritte Monat

14000


Item, das vierte Monat, in welchem die Mutter sehr unpäßlich sich befunden und in ein gefährliches Fieber gerathen

18000


Item, das fünfte und sechste Monat, als benanntlich im Dezember und Januario

12000


Item, das siebente Monat, in welchem die Natur sich sehr widerspenstig erzeigt

13000


Item, das achte und neunte Monat

17000


Item, in der Geburt und bis du getauft bist worden, hast du in allem der großen und kleinen Gnaden empfangen

1100


Summa 81000


Loco Sigilli †.

Jesus dein Erschöpfer.
[154]

Die christliche katholische Kirch' pflegt den hl. Petrum allzeit zu dem hl. Paulum, und den hl. Paulum allzeit zu dem hl. Petrum zu stellen; dergstalten, wann sie eines dieses heiligen Apostels Festtag feierlich begehet, allezeit des andern ein Gedächtnuß geschieht: bleiben also Petrus und Paulus allzeit bei einander. Gleichwie diese zwei heiligen Apostel zusamm' gestellt seynd, also find ich auch zween heilige Bischöf, die niemalen sollen von einander kommen: einer war Bischof zu Mainz, der andere zu Carthago; einer hat geheißen Bonifacius, der andere hat geheißen Deogratias. Wo nun Bonifacius ist, da solle allemal auch seyn Deogratias. Mein Mensch, wer ist dir ein größerer Bonifacius oder Gutthäter, als dein Gott, welcher dich erschaffen? welcher dich, nit wie einen Daniel aus der Löwengrube, nit wie einen Joseph aus der Cistern, nit wie einen Lazarum aus dem Grab, sondern dich aus dem puren Nichts erschaffen? Er hätt' dich gar leicht können erschaffen zu einem Stein, da hättest du einen harten Kopf gehabt; er hätt' dich erschaffen können zu einem Hund, welcher um geringen Lohn, etwann um ein hartes Bein, muß das Haus verwachten; er hätt' dich können erschaffen zu einem Raben, der seine Frei-Tafel bei einem Roß-Brätl findt; er hätt' dich erschaffen können zu einem Frosch, der in seiner nassen Herberg das stete Qua, qua, qua, sub aqua singt;[155] er hätt' dich können erschaffen zu einem Wurm, welcher fast das verächtlichste Thier auf Erden. So hat er dich aber gemacht zu einem König aller Geschöpf, zur Glorie seiner Allmacht, zu einem Wunderwerk der Erden; er hat dir gespendiret einen Leib, so eine kleine Welt genennet wird. Die Naturkundigen bestättigen, daß in dem menschlichen Leib just so viel Glieder, als Tag im Jahr gezählt werden: In dem menschlichen Leib seynd 224 Beiner mit solcher Kunst zusammen gefüget, daß ein jedweders Bein 40 unterschiedliche Wirkungen hat; dahero die Beiner insgesammt mit denen Artikuln auf die 8000 Dienst können verrichten. In dem menschlichen Leib seynd die Mäusel, die Drüsen, die Adern, als die Stirn-Adern, Schlaf-Adern, Haupt-Adern, Brand-Adern, Rosen-Adern, Gicht-Adern, Blut-Adern, Senn-Adern, Hohl-Adern, Luft-Adern, Trossel-Adern, Flechs-Adern, Spann-Adern etc. so künstlich mit einander, bei einander, neben einander, über einander, um einander gestellt und gesellt, daß er billig kann und soll und muß ein Wunderwerk genennt werden. Alle vier Elemente müssen contribuiren zu dem menschlichen Leib: das Feuer gibt die Hitz, das Wasser gibt die Feuchtigkeit, die Erd' gibt das Fleisch, die Luft gibt den Athem. Was für ein Kunst-Stuck ist ein Aug, indem dieses kleine Kügerle ganze große, weite, lange, breite Felder und Wälder kann fassen! was für eine Kunst ist im Hirn,[156] indem diese kaum eine Händevoll Portion so große Wissenschaft in sich hält! was für eine Kunst in allen menschlichen Gliedmassen, welche von dem obern Gestirn, Planeten und Himmelszeichen beherrschet werden! Saturnus hat am Menschen innen die Milz und das linke Ohr; Jupiter die Leber und Rippen; Mars die Gall; die Sonn das Gesicht und Herz; Venus und Mercurius die Nieren und Zungen; der Mond das Haupt; der Widder das Angesicht, die Zähn'; der Stier den Hals, Kehl und Genick; der Zwilling die Arm, Schultern und Händ'; der Krebs die Lunge und ganze Brust, der Löw das Herz, Magen und Rücken; die Jungfrau das Eingeweid und den Leib; die Wag hat innen den Nabel etc.; der Scorpion hat innen die Nieren und Aster; der Schütz die Dieg und Bein; der Steinbock die Kniee und Schienbein; der Wassermann die Flechsen; der Fisch die Füß. Einen solchen köstlichen und künstlichen Leib hat dir der allmächtige Gott geben. Lauter Gnaden. Wie vielen Gefahren aber bist du schon im Mutterleib unterworfen gewest, aus welchen allen dich der gütige Gott errettet hat! Wie manches Kind ist in Mutterleib gestorben, und also eine lebendige Todtenbahr an seiner Mutter gehabt! Wie oft ist eine Mutter Schrecken halber um die Frucht kommen, und also der Baum geschüttlet worden, ehe das Obst gezeitiget! wie oft ist eine ungestalte Mißgeburt in Mutterleib formirt worden! Anno 998 ist Roberto dem König[157] in Frankreich seine Frau Gemahl niederkommen, und einen Sohn auf die Welt gebracht mit einem Gans-Kopf und Kragen. Anno 1595 hat ein Weib zu Bacherach ein Kind auf die Welt gebracht, welches an dem obern Theil des Leibs einem Menschen gleichete, der untere Theil aber wie eine Schlange ausgesehen. Anno 1313 hat ein Weib zu Waiblingen in Schwabenland ein Kind geboren wie einen Löwen. In Friaul zu Perdonon Anno 1625 hat eine edle Frau, um weilen sie ein armes Bettelweib der Kinder halber ausgescholten, ein Knäblein mit sieben Köpfen geboren. Zu Paderborn ist aus einer ketzerischen Frau, indem sie die katholischen Geistlichen ausgespöttlet, ein Kind geboren mit einem Barett oder Quadrat auf dem Kopf, wie es pflegen die Pfarrherrn zu tragen. Anno 1573 ist in dem orientalischen Indien, in dem Marktflecken St. Lorenz, ein Kind geboren worden mit zwei großen Hörnern auf dem Kopf. Zu Mainz haben einst zwei Weiber mit einander auf der Gasse geredet, deren eine großen Leibs war, und als ein frecher Gesell ihnen die Köpf hat zusammen gestossen, ist bald hernach diese niederkommen, und zwei Töchterl auf die Welt gebracht, die aber mit der Stirn bis auf die Nasen aneinander gewachsen gewest, und also zehen Jahre gelebt. Des Papsten Nicolai Tertii seine Frau Base, weilen sie öfters ihr Stamm-Wappen, so ein Bär war, angeschauet, hat ein Kind geboren ganz rauh wie ein Bär, hatte auch anstatt der Finger rechte Bären-Klauen. Alles dieses hätt auch dir begegnen können. Daß du aber von dergleichen Ungestalten und Leibs-Mängel frei bist, mußt[158] du es für lauter Gnaden des mildherzigsten Gottes aufschreiben. Dahero zu einem solchen Bonifacium gehört der Deogratias.

Daß du bist zu der hl. Tauf gelangt, ist eine Gnad über alle Gnaden. Wie viel tausend und tausend seynd ohne diesem hl. Sakrament gestorben! Der König Pharao hat allerseits das Volk Israel verfolgt. Wie nun Moses das Meer von einander zertheilet, daß es beederseits wie die Mauren gestanden, und solchergestalten mit seinem Volk durchpassirt, da wollte Pharao auch mit den Seinigen den Durchweg nehmen; aber da er in der Mitte war, hat ihn dasselbige mit allen den Seinigen zugedecket, ertränkt, und also vom Wasser den graben Weg zum Feuer genommen, und das Fleisch vorhero im Wasser eingewässert, ehender es an den Bratspieß angestecket worden. Sobald der Pharao im Meer ersoffen, hat der Moses gleich ein Dank-Lied angefangen zu singen sammt seinem Volk, auf allen Zungen war das Deo gratias.

Was ist die Erbsünd anderst, als ein Pharao, welcher das ganze menschliche Geschlecht verfolgt? Daß dieser im Wasser ersoffen, und durch das Wasser der hl. Tauf' zu Grund gangen, da bist du unendlich verpflicht deinem Gott, solche große Gnad mit Dank zu bezahlen! Wie viel Tausend' in Asia, wie viel Tausend in Afrika, wie viel Tausend in Amerika, wie viel Tausend in Europa haben diese Gnad' nicht gehabt, welche dir Gott unverdienter, ohne Schuld hat geben! Schau in den Himmel, schau in die Luft, schau auf die Erd', schau in das Wasser; so wirst du allenthalben[159] Geschöpf antreffen, welche dankbar seynd: Im Wasser jener Fisch des hl. Franzisci, welchen ihm ein Fischer aus Gutherzigkeit geschenket; weilen sich aber der hl. Mann dessen erbarmet, und ihn wieder in das Wasser geworfen, so ist er dessenthalben also dankbar gewest, daß er dem hl. Vater auf dem Wasser stets nachgeschwummen und sich nit wollen von ihm scheiden, bis ihm endlich der hl. Mann den hl. Segen ertheilt. Auf der Erd' hat sich der Löw dankbar erzeigt, welcher dem hl. Andirodo Alters halber in der Wildnuß ein Wildpret zugetragen zur Dankbarkeit, daß ihm dieser einmal einen großen und scharfen Dorn aus dem Fuß gezogen. In der Luft hat sich dankbar erwiesen jener Adler, welcher ein Geschirr, worinnen ein vergiftes Wasser gewesen, mit allem Fleiß umgeworfen einem Schnitter auf dem Feld, um weilen dieser den Adler kurz vorhero von dem Tod erlöset hat. Ja die Himmel selbsten seynd dankbar, massen der hl. Ambrosius sammt anderen darvor hält, daß die Himmel durch ihre steten Bewegungen und Umwälzung einen solchen lieblichen Ton und Musik machen, daß, wann es die Menschen sollten hören, würde niemand mehr arbeiten, sondern immerzu dieser lieblichsten Harmonie zuhören, mit welchen sie Gott ihren Erschaffer loben und preisen. Wann dann die Himmel, die Geschöpf in der Luft, die Geschöpf auf der Erde, die Geschöpf im Wasser, die Geschöpf allenthalben dankbar seynd, wie viel mehr bist du schuldig, deinem Gott Dank zu sagen, der dich also erschaffen und zur hl. Tauf' gebracht! Ich glaube selbst, der Esel hat kein solcher Esels-Kopf seyn wollen, daß er der Gutthaten hätt' vergessen; dann in dem Stall zu Bethlehem[160] hat sich dieser Langohr über alle Massen höflich gestellt, und weit mehr als eselische Complimenten abgelegt, indem er zu frostiger Winterszeit das göttliche Kind mit seinem Anhauchen samt dem Ochsen erwärmet. Der Ochs wollte dankbar seyn, weilen ihn Gott im alten Testament allzeit zum Opfer erkiesen; der Esel wollt' dankbar seyn, um weilen Gott sich seines Geschlechts angenommen, und eine seiner weitschichtigen Befreundinn defendirt hat, wie der zornige Prophet Balaam sie wider alle Manier so hart mit Streichen tractiret. Auf solche Weis' wirst du dich Mensch nicht überwinden lassen von Ochsen-und Esels-Köpfen in der Dankbarkeit! Gehe, schaue, probiers, schrei in einen dicken Wald hinein, in welchem so viel grobe, dicke, knoperte Stöck und Blöck seynd, grüß ihn freundlich den grünen Wald, Willkomm Bruder! versichere dich, er wird dir wiederum danken, und durch den Wiederhall dich ebenfalls also salutiren: willkomm Bruder! Solchergestalten sollst du dich ja schamen in das Herz hinein, mein Mensch, wann Stöck und Blöck dankbarer seyn, als du!

Zu Jerusalem war ein wunderlicher Schwemm-Teich, allwo sich eine große Menge der kranken und presthaften Leute befunden; dann so oft der Engel diesen Teich beweget hat, so ist der erste, der sich hinein gelassen, frisch und gesund worden. Unter andern elenden Krüppeln war auch daselbst ein armer Tropf, welcher achtunddreißig Jahr alldorten unter der Schupfe[161] gelegen, und nicht hat können zur Gesundheit gelangen aus Mangel eines Menschen, der ihm hätte hinein geholfen. Wie nun der gebenedeite Heiland diesen armseligen und von männiglich verlassenen Menschen ersehen, hat er sich seiner erbarmet, und ihn mit einem kleinen Wörtl: Surge, stehe auf! vollkommentlich gesund gemacht. O mein Jesus! es ist halt noch wahr und bleibt wahr, so jemand von jedermann verlassen ist – hominem non habeo – so kann er seine sicherste Zuversicht zu dir nehmen, du wirst ihn nicht verlassen! Aber es ist in diesem und bei diesem Wunderwerk wohl zu erwägen: sobald Christus den Menschen zur Gesundheit und graben Gliedern gebracht, hat er ihm befohlen: er soll fortgehen und den Stroh-Sack mit sich tragen. Mein Herr, wegen des Stroh-Sacks fällt mir kein strohenes Conzept ein. Weilen der Mensch acht und dreißig Jahr alldorten gelegen, und unter währender so langer Zeit keinen Menschen hatte, der ihm hätte in den heilsamen Teich hinein geholfen, so ist es ein Kennzeichen, daß er ein Bettler muß gewesen seyn. Ist er ein solcher armer Schlucker gewest, so ist wohl zu glauben, sein zerrissener halb verfaulter Stroh- Sack oder Unterbett sey nicht einen Groschen werth gewesen. Warum dann, mein Herr, schaffest du ihm, er soll den Stroh-Sack mit sich tragen? Ich laß' andere[162] hierinfalls schöne Conzepten ausführen; mich dunket, es habe sich dessenthalben sehr wohl geschicket, daß er den Stroh-Sack getragen, weilen ihn auch der Stroh-Sack so viel Jahr getragen; dann wann man einem eine Gutthat erweiset, so ist es ja billig, daß man dieselbe dankbar vergelte; hat dich der Stroh-Sack getragen, tolle grabatum, so trag ihn wieder; thut dir dein Nächster etwas Guts, so thue es wiederum; erzeigt dir dein Gott alle Tag, alle Stund, alle Augenblick häufige Gnaden von Oben herab – ich sprich alle Augenblick, dann soll er dich auf einen Augenblick verlassen, so müssest du zu nichts werden! weilen du aber seine göttlichen Gnaden nit kannst erwiederen mit anderen Gnaden, so zahl aufs wenigist dieselben mit einem öftern Deo gratias.

Zehen aussätzige und schäbige Männer hat Christus auf freier Straße gesund gemacht, aus welchen aber nur einer zu dem Herrn kommen, und sich bei seinen heiligen Füßen niedergeworfen, und ihm um solche große Gutthat gedanket; die andern seynd ihres Weges fort gangen, und keiner an das Vergelt dirs Gott! gedacht. Solche Undankbarkeit hat nicht ein wenig das göttliche Herz beleidiget; wessenthalben er gleichsam mit Verwunderung hat gefraget, wo dann die neune seyen geblieben? als wollte er sprechen: es sollen auf so große empfangenen Gnaden alle 10 erscheinen. Merks, mein Mensch, wann dir Gott eine Gutthat erweist, derer unzählbar viele seynd, so schicke fein fleißig alle Zehen zu ihm; ich verstehe aber 10 Buchstaben: der erste ist ein D, der andere ein E, der dritte ein O, der vierte ein G, der fünfte ein R,[163] der sechste ein A, der siebente ein T, der achte ein I, der neunte ein A, der zehente ein S. Das heißt hernach Deo Gratias.

Du hast das Auszügl nun genugsam übersehen, und bilde dir nur ein, es seien viel wenigere, als mehrer Gnaden aufgeschrieben, welche dir Gott gspendiret in Mutter-Leib, und bei der hl. Tauf, in Summa wie er dich erschaffen. Anjetzo folgt ein anders, wie er dich bishero erhalten:


Auszügl.


Hans Adam Erdschrollen, sündiger Mensch auf der Welt, hat von mir Endesunterschriebenem die hierin verzeichneten Gnaden empfangen: Hoffe, daß solche mit Dank wer den bezahlt werden etc.


Von Anno

Gnaden.


1641. Den 13. Mai am Tag des heiligen Servatii gleich nach dem hl. Taufwasser in Beiseyn des Gevatters und der Gevatterinn, denselben halben Tag

300.


Item, nachmals bis in das siebente Jahr, sowohl in dem Haus, als auf der Gasse, im Bett und bei der Tafel, wie auch anderwärts bei Sommer- und Winters-Zeit

2000000.


Item, von dem siebenten Jahr an bis in das siebzehende hin und her in allen Schulen, in allen Spielen, zu allen Zeiten

4563000.
[164]

Item, von dem siebenzehenten Jahr an bis an das sieben und zwanzigste bei unterschiedenen Gesellschaften, bei vielen Gespässen und Lustbarkeiten, wie auch in dieser und jener Krankheit, auf der Reis, bei Feinden und Freunden

800006910.


Item, von dem 27sten Jahr bis an das 37ste Jahr wegen unterschiedlichen Amts-Verrichtungen, wegen Habschaft und Wirthschaft, wegen Weib und Kindern, zu Friedenszeiten und Kriegszeiten

90087301.


Item, von dem 37sten bis in das 47ste in unterschiedlichen Gefahren zu Wasser und zu Land, zu Pferd und zu Fuß, in Hitz und Kälte, bey Tag und bey Nacht

50009387.


Summa 946667098.


Loco Sigilli †


Jesus dein Erlöser.


Die heilige und göttliche Schrift meldet von dem hl. David und von dem Jonatha, daß sie beide so große und innigliche Freundschaft untereinander gehabt, das so gar einer ohne den andern mit wollte seyn. Die hl. katholische Kirch zählt ebenfalls zween heilige Bischöf', deren einer ohne den andern nicht soll seyn; einer[165] wird genennt Servatius, Episcopus Trajectensis, der andere wird genennt Deo-Gratias Episcopus Carthaginensis. Servatius und Deo-Gratias allzeit mit einander und bei einander. Mein lieber Mensch, wer ist bishero dein Servatius gewest, wer hat dich bisher erhalten, dich erschaffen? Dein Gott, dem du derenthalben viel 1000 Deo gratias schuldig bist!

Du hast ungezweifelt öfter vernommen, daß unser lieber Herr habe einmal die bösen Feind aus einer besessenen Person ausgetrieben bei den Gerasenern. Ehe und bevor aber diese höllischen Larven ihr Logement verlassen, haben sie eine Supplication aufgesetzt, und Christo dem Herrn überreicht dieses Inhalts, daß sie nemlich um Erlaubniß anhalten, in die nächste Herd' Schwein zu fahren, welches ihnen auch von dem Heiland vergünstet worden. Aber warum haben diese verfluchten Geister begehret zu fahren in die Säu? Pfui, es Sau-Narren! Wie daß sie nicht verlangt haben zu fahren in ein Kaufmanns-Gewölb, worinnen man öfters höret: der Teufel hohl mich? warum nicht in einen engen Weg, in welchem öfter ein Fuhrmann dem andern wünscht, weilen er nicht bei Zeiten ausweicht, daß ihn der Teufel hohle? warum nit in die Werkstatt eines Webers, der fast allemal, so oft die Gespunst oder Faden zerreißt, pflegt zu schelten: hohl der Teufel die alte Her, die das Garn gespunnen? warum nicht[166] in ein schönes Schloß, und daselbst in die Wohnung des Herrn Pflegers Ihr Gestreng etc.; dann wie oft heißt es bei den Bauern: wann nur einmal der Teufel den Pfleger hinführte? warum nit in ein Wirthshaus, allwo gemeiniglich der Gast dem Wirth wünschet, daß ihm des Teufel soll den Hals brechen, weilen er ihn also unchristlich barbirt? warum gleich in die Schwein? Viel heilige Lehrer geben die Ursach: wie daß ein Schwein ein eigentlicher Entwurf eines undankbaren Menschen sey; dann, wann das Schwein unter einem Eichelbaum ist, jemand aber hinauf steigt und die Eicheln herunter schüttlet; so wird diese naschen und fressen, bis der Saumagen voll ist, aber nit ein einiges Mal in die Höhe schauen, von wannen etwann das Confect herkommet. Deßwegen hat der Herr und Heiland zugelassen, daß die Teufel in die Schwein gefahren; dann in dem göttlichen Aug nichts Abscheulichers, als die Undankbarkeit.

Das Getreid auf dem Kasten, der Wein in dem Keller, die Kleider in der Truhe, das Geld in dem Beutel, die Speis' in der Schüssel, die Federn in dem Bett, das Holz in dem Ofen, die Kuh in dem Stall, die Henne in dem Hof, die Fisch in dem Teich, die Lämmer auf dem Feld, mit welchen du dich bishero erhalten hast, kommt alles von oben herab, von dem allergütigsten Gott. Das Samson Honig bekommen, daß Sisara Milch bekommen, daß Daniel ein Koch bekommen, daß Abraham ein Kalb-Feisch bekommen, daß Isak ein Kitzel bekommen, daß Esau Linsen bekommen, das die Wittib zu Sarepta Oel bekommen, daß Elias Brod bekommen, daß die Israeliten Wachteln bekommen, daß Noe[167] Wein bekommen, daß du bishero Lebens-Mittel bekommen, ist niemand anderer Ursach, als derjenige gütige Herr ober uns. Wie ist es dann möglich, daß du nicht öfters deine Augen in die Höhe hebest, und derenthalben ihm unendliche Deo gratias ablegest? Der Vögel ihr Singen, der Hirschen ihr Springen, der Schafe ihr Plärren, der Ochsen ihr Röhren, des Feuers sein Brennen, des Wassers sein Rinnen, der Aecker ihr Segen, der Wolken ihr Regen, der Sonne ihr Leuchten, des Thaues sein Feuchten, der Stern ihr Glimmern, des Goldes sein Schimmern, der Bäume ihr Schatten, der Wiesen ihre Matten, der Hund ihr Hüten, der Hennen ihr Brüten: In Summa, alle Geschöpf und dero Wirkungen hat Gott wegen deiner erschaffen, mein Mensch, wegen deiner!

Die schöne strahlende Sonne ist 160 mal größer, als der ganze Erdboden, die Sonn ist 40 mal hundert tausend Meil von dem Erdboden entfernet; sie lauft in einer Stund 10 mal hundert tausend hundert und 20000 Meil: Alles wegen des Menschen. Der Mond ist zwar kleiner als alle Stern, außer dem Mercurio; in dem er aber weit größer scheint als die Stern, ist es die Ursach, weilen er viel näher bei uns ist. Gleichwohl ist der Mund neun und dreißigmal größer, als der ganze Erdboden, und ist von Gott als ein Nacht-Licht angezündet worden: Alles wegen des Menschen. Die Stern hat die göttliche Allmacht als lauter strahlende Facklen an den Himmel[168] geheftet, damit sie auch bei der Nacht leuchten. Der größern Stern werden 17 gezählt, deren ein jeder 107 mal größer als der Erd-Boden. Der Stern Alnacha, der Stern Albkain, der Stern Alcorreia, der Stern Aldabaran, der Stern Almusin, der Stern Alkaia, der Stern Altra, der Stern Albiatra, der Stern Alcarph, der Stern Algebla, der Stern Alkraten, der Stern Alserta, der Stern Algane, der Stern Alchimech, der Stern Algaphar, der Stern Alsibinin, der Stern Alactil, der Stern Alcabin, der Stern Alsebra, der Stern Alneda etc., seynd auch etlich 70 mal größer als die Erde. Alles wegen des Menschen. In Margiana schreibt Strabo, sollen so große Weinstöck wachsen, daß einen Stock allein zwei starke Männer mit beeden Armen nicht können umfangen. Alles wegen der Menschen. In Egypten ist ein gewisses Thier, welches alle Stund just das Wasser von sich läßt, brauchen es also die Inwohner anstatt der Uhr. Polidorus Virgilius de invent. rerum l. 2. Alles wegen der Menschen. In Trabrobana werden Meer-Schild-Kröten gefunden, welche einer so ungeheuern Größe seynd, das sie sie anstatt der Dächer brauchen, und kann eine Schale ein ganzes Haus bedecken. Aelianus l. 6. c. 12. Alles wegen der Menschen. In Aethiopia seynd die Schwein noch einmal größer, als in unsern Ländern, und haben dieselben alle Hörner auf dem Kopf. Idem lib. 17. cap. 10. Alles wegen der Menschen. Zu Pervano in den neuen Welt seynd die Schaf so groß, wie bei uns die Ochsen. Joseph[169] Jesuit. An 1560. Alles wegen der Menschen. In dem Gorgonier Land ist ein sehr weiter und breiter Teich mit Namen Geluchalak, worbei ein Kloster St. Leonhardi. In diesem Wasser ist ein ganzes Jahr kein Fisch, außer in der Fasten. So bald aber der Oster-Sonntag herzu kommt, so verlieren sich alle Fisch. Marc. Pol. l. 1. c. 5. Alles wegen der Menschen. In Ober-Ungarn fließt ein Wasser, welches diese sondere Kraft hat, daß, wann man ein Eisen hinein wirft, selbiges innerhalb etlich Stund in das beste Kupfer verwandelt. Surius in Comment. Anno 1541. Alles wegen der Menschen. Im Schwarzwald werden Vögel angetroffen, welche bei der Nacht wie die Lichter glänzen, und also den Reisenden den Weg zeigen. Isidor. l. 12. c. 7. Alles wegen der Menschen. In der neuen Welt unweit der Insul Carthagena ist ein Fluß, mit Namen Zeneo: dieser hat mehr Gold, als Fisch, und wird man öfters mit den Netzen etlich 20 Stuck Gold herausfangen, deren ein jedes so groß, als ein Hennen-Ei. Petrus Hispan. p. 5. c. 12. Alles wegen der Menschen. In der Insul Hispaniola wächst das liebe Getreid also groß, daß eine einzige Korn-Aehre die Dicke hat eines Menschen-Arms; und was dieses Wunder vermehret, das Treib, so man im Februario säet, kann zu End des Merzens schon geschnitten werden. Idem ibidem c. 17. In der neuen Welt Brasilea wachsen die Bäume dergestalten groß, daß sie dieselbigen pflegen auszuhöhlen, und anstatt der Schiff gebrauchen, und können öfters 50 Personen in einem Schiff fahren. Anton. Pige. l. 1. c. 10. Alles wegen der Menschen. Alle Geschöpf, wo sie seynd, wann sie seynd, die seynd[170] erschaffen wegen den Menschen, und die haben dir bishero gedient, mit denen hast du dich seithero beim Leben erhalten: So danke dann, danke hundertmal, danke tausendmal, danke ohne End deinem Gott um die Nahrung!

Der hl. Paulus erzählte denen Corinthern einmal, was unterschiedliche Gefahren er ausgestanden: Gefahren zu Wasser, Gefahren zu Land, Gefahren in der Stadt, Gefahren auf den Strassen, Gefahren unter den falschen Brüdern. Sag her, mein Hanns Adam Erdschrollen, in wie viel Gefahren bist du schon gewest dein Lebenlang, aus welchen dich allemal der göttliche Schirmer errettet hat? und diese alle sollst du mit Dank bezahlen. Mache es bey Leib nicht wie der Rab; sonst thät man dich mit gutem Fug einen Galgen-Vogel nennen. In dem alten Testament hat der allmächtige Gott absonderlich verboten, man solle ihm nur keine Raben aufopfern; Spatzen wohl, aber kein' Raben; Zeiserl wohl, aber keine Raben, Gimpel wohl, aber keine Raben. Wie ist dann der schwarze arme Tropf bei Gott also in Ungnaden kommen? Bei der Zeit gelten die Raben viel mehr, sonderlich auf denen Ducaten, welche insgemein die Räbler genennt werden, – und haben diese ihren Ursprung von dem ungarischen König Matthia Corvino, dem einst ein Rab einen guldnen Ring sammt einem sehr kostbaren Smaragd gestohlen und schnell davon geflogen, welchem aber der König so lang nachgesetzet, bis er ihn von dem höchsten Gipfel eines Baums herunter geschossen, und folgsam den Ring samt dem theuren Kleinod wieder erhalten. Worüber er nachgehends die Bildnuß des Rabens samt[171] dem Ring auf die guldene Münz hat prägen lassen. Diese Raben gelten annoch sehr viel, und singen der Zeit weit lieblicher, als eine Nachtigall. Aber in dem alten Testament war der Rab in einem so üblen Concept, daß ihn Gott ausdrücklich verworfen von seinem Opfer: Omne Corvini generis vitandum est vobis. Es geschah ihm aber gar recht dem undankbaren Gesellen; denn Noe hatte im Befehl, daß er von einer jeden Gattung oder Geschlecht der Vögl soll 7 in die Arche nehmen: 7 Adler, 7 Storchen, 7 Tauben, Alstern, 7 Gimpel, 7 Wiedehöpf etc., auch 7 Raben. Warum aber siebene? dann die Thier seynd derenthalben in die Arche salvirt worden, damit sie sich nachmals vermehrten: wann dann dem also, wessenthalben hat Gott befohlen siebene? hatte doch das siebente keinen Gespann, mit dem es sein Geschlecht konnte vermehren. Es hat darum der Allmächtige wollen, daß aus allen Gattungen der Vögel siebene in die Arche sollten gebracht werden, damit die drei Paar hernach sich wieder möchten propagiren, das siebente aber solle geschlachtet werden zu einem Opfer, um weilen sie der gütigste Erschöpfer in so äußersten Gefahren beim Leben erhalten. Haben demnach alle Vögel das schuldige Deo Gratias abgeleget, außer den Raben; dann weilen der siebente Rab Botenweis' ausgeschicket worden aus der Arche und nicht mehr zurück kommen, also hat' dieses schwarze Raben-Geschlecht[172] kein Dank-Opfer verricht, welche Undankbarkeit Gott dem Allmächtigen dergestalten mißfallen, daß er sie nachgehends nit hat mögen, im Tempel zu opfern, anschauen.

Aus wie viel Gefahren – besinn' dich wohl – hat dich der gütigste Gott errettet? Des Job seine sieben Söhn und drei Töchter seynd von dem Haus, welches durch Ungestümme der Wind' zu Boden gefallen, jämmerlich zerschmettert worden. Job. K. 1. – das hätte auch dir geschehen können. Der Weltweise Diogenes ist von der Schlaf-Kammer, welche unverhofft eingegefallen, erschrecklich zerquetschet worden: Apollonid. 1. Gräco. – das hätte auch dir geschehen können. Joannes XXII., dieß Namens römischer Pabst, ist von einem neuen Zimmer, welches auf ihn gefallen, also verwundet worden, daß er den siebenten Tag hernach Tods verblichen zu Viterbii: Fulg. 9. 12. – das hätt auch dir geschehen können. Valentianus, römischer Kaiser, ist bei der Tafel an einem Stuck Fleisch ersticket: Sextus Aurelius l. 4. – das hätt auch dir geschehen können. Henrikus Niger, römischer Kaiser, ist an einem Stuck Brod ersticket: Culpini – das hätt auch dir geschehen können: Tarquinius Priscus ist an einer Fischgräte ersticket: Hagiograph. Guid. – das hätt auch dir geschehen können. Sophocles ist an einem Weinbeerl erstickt: Valer Max – das hätt auch dir geschehen können. Adrianus der[173] Vierte, römischer Papst, ist an einer Mucken, welche er samt dem Wasser hinein getrunken, erstickt: Naucler. – das hätt auch dir geschehen können. Constantinus der Kaiser ist eines gähen Tods gestorben: Palatina – das hätt dir auch geschehen können. Amurathes der türkische Kaiser ist des gähen Tods gestorben: Chalcocon. l. 7 – das hätt auch dir geschehen können. Attila der König in Ungarn ist des gähen Tods gestorben: Sigebert. in Chron. – das hätt auch dir geschehen können. Aristulphus, König in Longobardien, ist des gähen Tods gestorben: Culpini. – das hätt auch dir geschehen können. Joannes Albertus, König. in Polen, ist des gähen Tods gestorben: Crom. l. 3 – das hätt auch dir geschehen können. Ferdinandus I, König zu Neapel, ist des gähen Tods gestorben: Guicci. l. 1 – das hätt auch dir geschehen können. Joannes IV, König in Aragonien, ist des gähen Tods gestorben: Marinäus Buch 11 – das hätt auch dir geschehen können. Kaiser Henricus VI ist an dem Durchbruch gestorben: Aemil. 7 – das hätt auch dir geschehen können. Kaiser Albertus I ist eben an dieser Krankheit gestorben: Aen. Sylvi. K. 56 – das hätt auch dir geschehen können. Kaiser Friederich der Dritte ist an dieser Krankheit gestorben: Cuspini. – das hätt auch dir geschehen können. Kaiser Maximilianus der Andere ist an dieser Krankheit gestorben: Cuspini. – das hätt auch dir geschehen können etc. Henricus der Erste, König in Engeland, ist ertrunken An. 1120: Matth. Paris. – das hätte auch dir geschehen können. Fergusius, der Albanier König, ist ertrunken. Boet. 9; Donnaldus, König in Schottland, ist ertrunken.[174] Boet. 9; Valdemarus ist ertrunken, ein König in Dänemark. Saxo. 15; Hartmannus der Andere, ein Bruder des Kaisers Rudolphi, ist ertrunken. Cuspini; Erivis, König in Dänemark ist ertrunken: Cranz. l. 6. Swez. – das hätte auch dir geschehen können. Tullius Hostilius, der Römer König, ist vom Donner erschlagen worden. Plutarch; Anastasius, der Kaiser, ist vom Donner erschlagen worden. Zonar. 3. Thl.; Carus, der Kaiser, ist vom Donner erschlagen worden. Sabell. l. 8; Zoroastres, König der Britanier, ist vom Donner erschlagen worden. Volteran; Hatto, Erz-Bischof zu Mainz, ist durch den Donner erschlagen umkommen: Sigebert. – das hätt auch dir begegnen können. Henricus der Erste, König in Spanien, ist durch einen Ziegel, der ihm auf den Kopf gefallen, um das Leben kommen; Ritius l. 3. – das hätt dir auch geschehen können. – Wie viel Tausend und 100000, welche du nit gekennt, wie viel, welche du gar wohl gekennt, seynd durch das Feuer, Wasser, Gift, Schwert etc. zu Grund gangen, wie viel des gähen und unversehenen Tods gestorben! das hätt auch dir widerfahren können. Weilen du aber allen diesen Ueblen entgangen, mußt es niemand andern zuschreiben, als Gott allein, der dich aus so viel unzählbaren Gefahren errettet hat; welche überhäufige Gnaden du ja schuldig bist, mit Dank zu bezahlen.

Allhier hab ich für gut angesehen, eine kleine Dank-Predigt beyzusetzen, welche ich Anno 1685 in der Haupt-Stadt Grätz in Steyermark, in Gegenwart einer großen Menge Volks und häufigen Adels, in der Stadt-Pfarr-Kirche vorgetragen, damit hierdurch ein jeder lerne,[175] wie dankbar er sich gegen seinen Gott soll einstellen, der ihn aus Pest, Krieg, Hunger und anderen Röthen salviret:


Thema.


In tribulatione invocasti me, et liberavi te.


Du hast mich in Trübsal angerufen, und ich hab dich errettet. Psalm. 80.


Von Grund meines Herzens wünsche ich, das heut die vornehme und hoffentlich Gott dem Herrn angenehme Stadt Grätz möchte die Natur und Eigenschaft der Sonne an sich nehmen. Die Sonne postirt mit ihren Feuer flammenden Pferden von einem Himmelszeichen zu dem andern: die Sonn' geht in dem Monat Januario in das Zeichen des Wassermanns, die Sonn' geht in dem Monat Februario in das Zeichen des Fisches, die Sonn' geht in dem Monat Martio in das Zeichen des Widders, die Sonn' geht in dem Monat April in das Zeichen des Stiers, die Sonn' geht in dem Monat Majo in das Zeichen des Zwillings, die Sonn' geht ein in diesem Monat, benanntlich im Junio, in das Zeichen des Krebses: Von Grund meines Herzens wünsche ich, daß heut die edle Stadt Grätz auch möchte die Eigenschaft der Sonne an sich nehmen, ebenfalls gehen in das Zeichen des Krebses. Zuruck, zuruck, mein Grätz, zuruck, denk zuruck, wie Anno 1680 dich der gerechte Gott mit einer scharfen Ruthe gezüchtiget hat! denke zuruck! daß gleichsam von lauter Ach, ach, ach, ach das achtzigiste Jahr seinen Namen geschöpft hab.[176]

Zu Zeiten Elisäi des Propheten haben die Bären viel kleine Knaben zerrissen; Anno 1680 hat der grimmige Tod nit allein viel kleine, sondern auch große Leut allhier erwürget, denke zuruck!

Zur Zeit Mosis hat die Erd' ihrer zwei verschluckt, nemlich den Dathan und Abiron. Anno 1680 hat die Erd' nit nur 1000 allhier verschlickt, und hat mancher sein Grab gefunden unter einem verdorrten Baum, der noch in blühender Jugend war. Denke zuruck! Zur Zeit des berühmten Kriegsfürsten Josue hat der freche Dieb Achan einen guldenen Schatz entfremdet und unter die Erd' vergraben; Anno 1680 hat der zaundürre Dieb der Tod viel guldene Leut, einem manchen Mann sein Weib als einen guldenen Schatz, einem manchen Weib ihren Mann als ein guldenes Herz entfremdet und unter die Erde gebracht. Denke zuruck!

Zur Zeit des Propheten Ezechiel seynd die Felder voller Todtenbeiner gelegen; Anno 1680 hat man allhier um Grätz herum auf den Feldern, Wiesen und Aeckern hin und her viel Todte und Todtengräber angetroffen. Denke zuruck!

Zu Zeiten Jephte mußte dieser wackere Kriegs-Herr seine leibliche Tochter opferen; Anno 1680 haben manche Eltern ihre liebsten Söhn' und Töchter müssen aufopferen. Denke zuruck!

Denke zuruck, mein Grätz, und erwäge beinebens wohl, wer deine andere und annoch übrigen Innwohner von dem stark-tobenden Tod errettet hat! Wer? wer? Der ewige Gott im Himmel, so da dreifach in Personen, die allerheiligste Dreifaltigkeit hat dir Anno[177] 1680 das fernere Ach, Ach, Ach abgewendt. Dann Anno 16 und Achtzig hat Grätz Achtzig erfahren, was der gekrönte Prophet David in dem 80sten Psalm singt: In tribulatione invocasti me, et liberavi te. Du Grätz hast mich göttliches Drei in Trübsal angerufen und ich hab dich errettet. Deßwegen halt dein Wort, was du mir versprochen hast und so eifrig verheißen, nemlich eine schöne Ehren-Saul auf öffentlichem Platz und eine jährliche Danksagung!

Unser gebenedeiter Heiland hat einst drei seiner liebsten Apostel mit sich auf den hohen Berg Thabor geführet, ihnen daselbst gezeiget einen kleinen Abriß seiner himmlischen Glorie, ja er hat ein solches schönes, scheinendes, schimmerndes Angesicht gewiesen, daß sich Petrus gänzlich darin und daran verliebt, und also kurzum daselbst seine Wohnung aufschlagen wollte: So freundlich war das Angesicht Christi. Ein andersmal, wie der Stricks-Dieb Judas diesen seinen Herrn meineidig verrathen, und die hebräischen Lotters-Knecht Jesum von Nazareth mit großer Ungestümm wollten fangen, da hat er diese Lumpen-Bursch nur angeschaut: quem quaeritis? und mit diesem einzigen Blitzer, so aus seinen Augen geschossen, alle diese frechen Leut zu Boden geworfen, daß sie die Füß in die Höhe gehebt. So erschrecklich war das Angesicht Christi. Auf solche Weis' kann unser lieber Herr zweierlei Gesichter machen, süß und saur schauen? Ja, ja, ja. Diejenigen, welche im Leben ihn lieben, ihn loben, die schaut er ganz freundlich[178] und süß an; gegen dieselbigen aber, die ihn beleidigen, macht er ein sauers Gesicht. Etlich und 30 Jahr nacheinander hat Christus der Herr unsere Stadt Grätz ganz freundlich angeschaut, man ist allhier allezeit im Lust und Gust gesessen, fast ohne Plag, ohne Klag lebte man auch alle Tag, und immer in bester Ruhe, allezeit in Glückseligkeit: ein so freundliches Gesicht hat uns der allmächtige Gott gezeiget. Weilen wir aber die göttliche Güte mißgebraucht, mit öfterem Sündigen den Allmächtigen beleidiget, so hat er uns Anno 1680 auch ein sauers Gesicht gezeigt, welches so viel und viel Menschen nicht allein zu Boden geworfen, sondern gar unter die Erde gebracht. In der Stadt, bei der Stadt, um die Stadt war nichts als W, W, W allenthalben. Wissen sie aber, was für ein Buchstaben in dem A B C nach dem W folget? S.T.V.W. X; auf das W folget das X; dieses schreibt man wie ein Kreuz. Gar recht; wie uns der gerechte Gott zu grassirender Pestzeit das W geschickt hat, so seynd wir freilich zum X, zum Kreuz krochen, haben die Händ in die Höhe gehebt mit dem Mose, haben an die Brust geschlagen mit dem offenem Sünder, haben ein Gelübd gethan mit dem Jephte, haben die allerheiligste Dreifaltigkeit verehret und inbrünstig angerufen. Und diese, diese, kein Galenus oder Leonicenus; diese, diese, und kein Hermogenes oder Aristogenes; diese, diese, und kein Welt-Arzt, sondern[179] die allerheiligste Dreifaltigkeit hat uns erlöst. In tribulatione invocasti me, et liberavi te.

Fünf ehrsame, sittsame, gehorsame, tugendsame, friedsame Jungfrauen, nachdem sie gar höfliche Ladschreiben von dem himmlischen Bräutigam empfangen, kommen mit brennenden Ampeln vor die Himmels-Thür, und werden daselbst mit aller Willfährigkeit eingelassen. Willkomm, willkomm, herein, herein, da sollt ihr lustig und fröhlich seyn! Fünf andere wohl geschmierte, wohl polirte wohl armirte Jungfrauen kommen gleichmäßig für die Himmels-Thür, jedoch mit leeren Ampeln; diesen hat man die Thür vor der Nase zugeschlagen. Ueber das ist sich zwar nit so hoch zu verwundern, dann sie tragten leere Ampeln, in welchen kein Oel, kein Dacht, und folgsam kein Andacht war; aber das ist ja wunderlich, daß diese arme Tröpfinnen haben noch überlaut geschrieen: Domine, domine, aperi nobis! Herr, Herr, mach uns auf! Heraus, hat es geheißen Herr, Herr, und darinnen war kein Gehör. Jonas in seiner nassen Herberg ist erhört worden, diese nicht; Daniel in seiner tiefen Herberg ist erhört worden, diese nicht; Anna in ihrer heiligen Herberg ist erhört worden, diese nicht; die drei Knaben zu Babylon in ihrer heißen Herberg seynd erhört worden, diese nicht: Warum? Darum, sie seynd Närrinnen gewest, fatuae; sie haben nit recht geschrieen, nur zweimal Domine, Domine, Herr, Herr, geschrieen! Die Grätzer seynd Anno 1680 um ein guts verständiger gewest und die Sachen viel weiser angriffen zur leidigen Pestzeit; dann dazumalen haben sie bei dem Himmel angeklopfet, Hilf begehrt,[180] und einhellig, nit allein zweimal, sondern dreimal aufgeschrieen: Domine, Domine, Domine, Herr, Herr, Herr! Die närrischen Menscher haben eine göttliche Person ausgelassen; aber die Grätzer haben ganz inbrünstig alle drei angerufen, Gott den Vater, Gott den Sohn, Gott den hl. Geist, diese allerhöchste Dreifaltigkeit, und die hat sie erhöret, und die hat ihnen geholfen.

Anno 1599 hat die Pest in Hispanien dergestalten grassirt, daß sie forderist die Stadt Segobriga schier ganz öd gemacht; so bald man aber ein Gelübd gethan, den Tag des hl. Rochi feierlich zu begehen, da hat sich diese Sterbsucht geendt und gewendt. Rocho hatten sie darum zu danken, dem, dem. – Anno 1680 hat die Pest grassirt durch ganz Italien, bis endlich der hl. Christophorus in der Stadt Brixen erschienen und an die Hausthüren den heilsamsten Namen Jesus geschrieben, worüber alsobald dieses Uebel aufgehöret. Christophoro, dem hatten sie darum zu danken, dem, dem. Anno 1503 war die Pest in der Stadt Papia, wo der Leib liegt meines hl. Vaters Augustini. Nachdem sich aber der Magistrat verlobet hat, jährlich 22 weiße Fackeln auf den Altar des hl. Vaters zu opfern, alsdann hat sich augenblicklich das Uebel geendt. Augustino, dem hatten sie zu danken, dem, dem. Anno 1625 ist eine sehr große und grassirende Pest gewest durch ganz Sicilien, welche nachmals gewendt hat die Vorbitt' der hl. Rosaliä. Rosaliä, der hatten sie zu danken, der, der. Anno 1680, nachdem die Pest den österreicherischen Boden ziemlich durchgraset und grassiret, und der grimmige[181] Tod seine Pfeil auch in Steiermark abgedruckt, nicht eine geringe Niederlag in und bei der Stadt Grätz verursachet. Solches Uebel hat gewendt wer? Die allerheiligste Dreifaltigkeit; dieser zu Dank soll alles singen und klingen; dieser zu Dank soll alles laufen und schnaufen; dieser zu Dank soll alles leben und schweben. Dann wegen des achtzigsten Jahrs ermahnt uns der 80ste Psalm, im 80sten Psalm der achte Vers wegen des Ach, Ach, Ach. In tribulatione invocasti me, et liberavi te; Du hast mich in Trübsal angerufen, und ich hab dich errettet. Anjetzo zahl', was du Ihr schuldig bist!

Petrus soll auf eine Zeit Geld erlegen; er hatte aber keines; dann das Geld und die Kassa führte der saubere Prokurator Judas, so dazumal nit gegenwärtig; weesenthalben der Herr dem Petro befohlen, er soll hingehen, den Angel in das Meer werfen, dem nächsten besten Fisch, den er werde heraus ziehen, in das Maul greifen, und Geld darin suchen. Petrus geht, fischt, fangt, zieht, sucht, greift, findt und bezahlt. Schuldig seynd wir, das wird kein verständiger Mensch widersprechen; schuldig seynd wir, denn warum erscheinen wir heut frühe und in so volkreicher Versammlung auf dem Platz, als eben aus Schuldigkeit? schuldig seynd wir, Gott zu danken: solche Schuld zu bezahlen, suche ein jeder das Geld in seinem Maul, auf seiner Zungen! Was der Fisch Petri im Maul habe gehabt, ob es ein halber Gulden oder ein Fünfzehner gewest, das weiß ich nit; aber was wir im Maul, auf der Zunge für ein Geld haben, das weiß ich wohl: es ist ein ungarisch Geld, ein Dreierl; versteh[182] den Dank, den wir dem göttlichen Drei, der unzertrennten allerheiligsten Dreifaltigkeit ablegen, und danken Gott dem Vater als unserm Erschöpfer, Gott dem Sohn als unserm Erlöser, Gott dem hl. Geiste als unserm Tröster, dem einigen Gott, als unserm Erretter zur Pestzeit.

Die Stadt Augsburg hat den Namen von Kaiser Augusto, welcher allda seine Burg hatte, und also Augsburg so viel heißt als Augusti Burg. Die Stadt München hat den Namen von einem Münichs-Kloster, welches daselbst gestanden, und derenthalben noch einen Münich im Wappen führet. Die Stadt Salzburg wurde zuvor Juvavium oder Helfenburg genennet; nachdem aber der hl. Rupertus alldorten das Salz erfunden – wie er denn allezeit mit einer Salz-Scheiben abgebildet wird – alsdann ist sie Salzburg gekauft worden. Die Stadt Wien hat den Namen vom kleinen Wasser, so daselbst, vorbei rinnt. Die Stadt Grätz hatte bei den Römerzeiten den Namen Floriana, nach gehends wurde sie genennt Savanna; wie sie aber von Attila, dem hunnischen Tyrannen, von Grund aus zerstört worden, und 600 Jahr hernach die Herren von Bernegg ihre Wohnung daselbst aufgerichtet, haben sie es in wendischer Sprach Grätz genennet, welches so viel als eine Burg oder eine Stadt heißt. Dieser soll der eigentliche Ursprung seyn des Namens Grätz. Solchem rede ich gar nit zuwider; aber wie wär' es, wann ich der Stadt Grätz thäte rathen, weilen sie ohnedas den Namen öfters verändert, sie soll hinfüro nit mehr Grätz, sondern Gratias heißen? Das versteht bereits ein Ackersmann: Deo[183] Gratias, mein Grätz, thue heut, thue allemal der allerheiligsten Dreifaltigkeit bezahlen um die große Gnad, welche sie dir Anno 1680 ertheilt! Grätz, Deo Gratias!

Matthäi am 8. Kap. wird eine Haupt-That registriret von einem Hauptmann. Dieser Hauptmann wohnte zu Capharnaum, und hatte einen Bedienten, welcher über alle Massen elend und krank war. Der wackere Soldat und rechtschaffene Offizier trägt ein innigliches Mitleiden mit dem armen Tropfen, bittet deßwegen in eigener Person Christum den Herrn, er wolle doch vermög seiner großen Gewalt den armseligen Krüppel gesund machen. Ja, ja, antwortet unser lieber Herr, curabo eum, ich will zu ihm hinunter gehen und gänzlich gesund machen, ja, ja. Nein, nein, sagt der Hauptmann, die Gnad wär gar zu groß, ich bins nit werth, daß du sollst eingehen unter mein Dach, sondern sprich nur ein Wort, so wird er schon gesund! Fiat, sicut credidisti. Auf solches Memorial hat der gütige Heiland alsobalden das Fiat geschrieen: Et sanatus est puer in illa hora, und in derselben Stund ist der Mensch gesund worden. Was muß doch dieß für eine Stund seyn gewesen? Die mehresten Lehrer und Scribenten sprechen, es sey gewest Hora tertia, um 3 Uhr. Wie der Zeiger auf drei gestanden, da ist der Mensch kurirt worden. Ein Zeiger auf einer Uhr ist vornher[184] geformt als wie ein Herz, dessen Spitz auf die Ziffer oder Zahl deutet. Mit Grätz hat es Anno 1680 fast eine gleiche Beschaffenheit gehabt: malè torquebatur, sie hat sich damalens in einem üblen Zustand befunden; sie war nit ungleich einem Schwemmteich zu Jerusalem, ubi erat multitudo languentium, allwo. eine große Menge der Kranken war; sie war nit ungleich dem Topf Elisäi, mors in olla, wo der bittere Tod scheinte; sie war nit ungleich dem bedrängten Egypten zu Pharaonis Zeiten, wo kein Haus war, da nit ein Todter gelegen; sie war nit ungleich jenem Reisenden von Jerusalem nach Jericho, welcher unter die Mörder gefallen und halb zu todt geschlagen: halb todt war schier damals die ganze Grätz-Stadt: malè torquebatur. Sobald aber das Herz der hochlöblichsten geheimen Stell, das Herz der hochlöblichen Regierung, das Herz des löblichen Magistrats, mit der gesammten Burgerschaft, das Herz des hochwürdigen Kleri auf drei gezeigt, nemlich auf die allerheiligste Dreifaltigkeit: sanata est civitas, »so hat man von Stund an Hilf erfahren.« Deßwegen heut auf allen Zungen soll und muß und wird erschallen bei allen das Deo Gratias.

Der hl. Joannes als eine geheimer Secretarius des göttlichen Consistorii hat auf eine Zeit gesehen den grimmigen Tod auf einem falben Pferd hin und her auf dem Erdboden reiten und große Niederlag verursachen. Anno 1680 ist der wüthende Tod zu Grätz auf seinem falben Pferd durch alle Gassen gesprengt, bis er endlich in eine Grube gefallen und den Hals gebrochen.

[185] Er ist kommen in die Sporn-Gassen, da hat es geheißen:


Meinem Pferd geb ich die Sporn,

Ich will euch wohl ertappen,

Ihr seyd gleich hoch oder nieder geborn,

Ich nehm euch bei der Kappen.


Er ist kommen in die Muhr-Gassen, da hat es geheißen:


Auch bei der Muhr führ ich meine Kur,

Ich will euch wohl kuriren:

Fort, fort, allo! bereit' euch nur,

Ihr müst von dann marschieren!


Er ist kommen in die Schmid-Gassen, da hat es geheißen:


Schlagt wacker mit dem Hammer zu,

Mein Pferd braucht auch Hufeisen:

Im Grab werd't ihr bald haben Ruh,

Das will ich euch wohl weisen.


Er ist kommen in die Stämpfer-Gassen, da hat es geheißen:


Widersetzen werd't ihr euch nit,

Trutz Sapermost, ihr Stämpfer,

Ihr ghört zugleich in meinen Schnitt,

Ich bin der beste Kämpfer.


Er ist kommen in die Herren-Gassen, da hat es geheißen:


Ihr hoch- und wohlgeborne Leut,

Seyd gnädig allzusammen;

Doch laß ich euch auch nicht unkeit,

Ihr Gestreng, das ist mein Namen.


[186] Er ist kommen in die Hof-Gassen, da hat es geheißen:


Ein' Hofmann geb ich gar nit ab,

Bin gar ein grober Schlegel,

Ich werf den Herrn und Knecht ins Grab,

Treff' König und auch Kegel.


Er ist kommen in das kälberne Viertel, da hat es geheißen:


Das kälberne Fleisch ist nit mein Speis',

Ich bin der Menschenfresser,

Um ein' Fasttag ich gar nit weiß,

Ich machs euch auch nit besser.


Er ist um die Stadt herum geritten, zu dem Sack-Thor herein, und als er in den dritten und andern Sack kommen, da hat es geheißen:


Ich bin der rechte Greif in Sack,

Stehlen ist schon lang mein Brauch:

Ich nehm' das Leben, laß Sack und Pack,

Bald erfahren werd't ihrs auch.


Ecce equus pallidus, et qui sedebat super eum, nomen illi mors! Wie nun der grimmige Tod in den ersten Sack kommen, gleich nahend auf den Platz, da ist er samt seinem falben Pferd in eine Grube gefallen, sich den Hals gebrochen, so bald man daselbst hat angefangen zu graben, eine Grube[187] zu machen, worinn nachmalens die Ehren-Saulen der allerheiligsten Dreifaltigkeit gestellet worden: dort in dieser Gruben hat der Tod den Rest bekommen. Ich will sagen: sobald man die Bildnuß der allerheiligsten Dreifaltigkeit aufgerichtet, so bald die Leut ihre Augen, und mit denen Augen ihre Stimm', und mit der Stimm ihre Händ, und mit denen Händen ihre Gemüther zu der allerheiligsten Dreifaltigkeit erhebt haben, alsobalden ist die grassirende Pest verschwunden. Darum laßt uns heut an allen Orten, mit lauten Worten singen und sagen: Deo Gratias!

Vor etlich Jahren war in einer vornehmen Stadt in Italia ein Priester, welcher seinem Stand gemäß fromm und gottesfürchtig lebte – wie es dann einem solchen geziemt geistreich zu seyn; dann nit umsonst der Minister bei dem Altar, so oft der Priester Dominus vobiscum spricht, allzeit diese Antwort gibt: et cum spiritu tuo, und mit deinem Geist. Also soll ein Priester nichts als geistreich seyn. Weil nun die Tugend ein Licht, so ist es nichts neues mehr, daß sich Nacht-Eulen finden, welche dieses Licht hassen. Es ist zwar ein kleines Städtl in Schwabenland, welches Neidingen genennt wird; aber so man die Wahrheit will bestehen, könnt' schier eine jede Stadt diesen Namen haben. Das mußte neben andern auch erfahren obgedachter frommer Priester, dem aus Neid einer ganz gewissenlos nach dem Leben[188] getrachtet. Es hatte aber dieser gottesfürchtige Mann unter andern löblichen Tugenden auch forderist diese, daß er nemlich sein Brevier oder hl. Tagzeiten mit sonderm Eifer gebetet, und weilen ein jeder Psalm an dem End mit dem Titul der allerheiligsten Dreifaltigkeit versieglet ist, als nemlich Gloria Patri, et Filio, et Spiritui sancto: Ehre und Glorie sey dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist; also hat dieser gute Priester die schöne Gewohnheit gehabt, daß er sich allemal zu diesem v. Gloria etc. ganz tief geneiget hat. Nun hat es sich einsmals zugetragen, da dieser mit gewöhnlichem Eifer das Officium gebetet ohne einige Sorg einziger Gefahr, daß sein Feind mit einem scharf beladenen Rohr durch das Fenster auf ihn gezielt, dasselbige abgedruckt. Siehe aber Wunder! das Rohr ist nit losgangen, nach Bekanntnuß des Bösewichts selbsten, bis sich der Geistliche zu seinem Gloria Patri etc. Ehr sey dem Vater und dem Sohn und dem hl. Geist! ganz tief gebucket: dazumal ist die Kugel aus dem Rohr geprellt, aber weit über den Priester geflogen. Wann sich also dieser gottselige Priester zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit nit gebucket hätte, so wär er unfehlbar erschossen worden. Der grimmige Tod mit seinem Pfeil thut nach dem Leben zielen, er schießt seinen Bogen ab in Eil, und läßt mit sich nit spielen: das erfährt man täglich und stündlich; absonderlich hat man es gesehen vor 5 Jahren, bei welcher Zeit der wüthende Tod allerseits bei uns ganz ungestümm seine giftigen Pfeil hat abgedrucket. Wie kommt es aber, meine Grätzer, daß er so viel Tausend aus[189] euch nicht getroffen, indem er doch der beste und erfahrenste Schütz ist? Ich merke wohl, ihr wollt mir also antworten: Wie der Tod seine Pfeil abgedrucket und auf uns geschossen, da haben wir uns insgesamt gebucket und geneiget zu der allerheiligsten Dreifaltigkeit: Gloria Patri, et Filio, et spiritui sancto etc., bei ihr Hilf gesucht mit gebogenen Knieen; unterdessen seynd die Pfeil über uns geflogen, und also wir ohne Schaden verblieben. Solche große Gnad' schreiben wir niemand anderst zu, als der allerheiligsten Dreifaltigkeit.

Anselmus Minorita in Descript. Terrae S. Pagat. de admirandis Orbis Christiani schreibet: daß in dem hl. Land bei dem Fluß Ebron der Berg Mambre sey. Nit weit von diesem Berg sehe man ein altes Gemäuer, welches schon vor 3000 Jahren eine Wohnung war des großen Patriarchen Abrahams; nächst diesem alten Gemäuer stehet von 3000 Jahren her noch ein Eichbaum ganz grün zu allen Zeiten, welchen die Türken und Sarazener über Massen hoch verehren, auch selbigen mit allerlei von Gold und Silber gestickten Tüchern behängen, seynd auch des kräftigen Glaubens, daß, wann jemand frecher Weis' etwas von diesem Baum brechen sollte, er solches Jahr müsse sterben. Dieser Baum, wie man schreibt, soll noch stehen, und jederzeit grünen. Die Ursach ist diese: Mehr als vor 3000 Jahren ist die allerhöchste Dreifaltigkeit unter diesem Baum[190] dem großen Patriarchen Abraham erschienen in Gestalt dreier Männer: tres vidit, et unum adoravit: »als er diese drei gesehen, hat er einen angebetet.« Das ist die Ursach warum der Baum noch grünt und florirt, als könne auch nit anderst als floriren Land und Stand, wo man die allerheiligste Dreifaltigkeit verehret: das müssen wir merken. Nach diesem seynd erstgedachte drei Personen in Gestalt schöner Engel in das Haus des Abrahams eingetreten, ihm allda die glückselige Zeitung gebracht, daß er werde einen männlichen Erben bekommen, – wie es dann nachher geschehen, und ist solcher Isaak genennet worden, welches Wort auf deutsch ein Gelächter heißt. Risum fecit mihi Dominus, sagt Abraham, die hl. Dreifaltigkeit hat mir ein Lachen oder ein Gelächter in das Haus gebracht.

Dieß haben wir auch vor 5 Jahren in und um die Stadt Grätz erfahren. Vor 5 Jahren hat man allhier in der Wahrheit wenig Gelächter gespüret, wohl aber Weinen und Trauern allenthalben: Weinen und Trauern unter den Eltern, wann sie haben sehen müssen, daß der unbescheidene Tod ihnen die schönsten Blumen abgebrocket, ihre Kinder in blühender Jugend hinweg gezucket. Weinen und Trauern unter den Kindern, da sie Vater und Mutter verloren, um dero Hals sie oft, wie ein Wintergrün um einen Baum, sich umgewickelt; Weinen und Trauern unter den Eheleuten, wann sie haben sehen müssen, daß aus eins ist zwei worden, da sie nemlich in der Lieb vereiniget, durch den Tod seynd entzweit worden; Weinen und Trauern allenthalben. Sobald aber Grätz die allerheiligste[191] Dreifaltigkeit verehret hat, da hat es gleich geheißen: Risum fecit mihi Dominus. Da sich die Pest hat gewend't, da hat man wieder auf der Gassen gehört: Willkomm Bruder, da hat ein Freund den andern wiederum freundlich angelacht. Zu Kana in Galiläa ist das Wasser in besten Wein verwandelt worden; vor 5 Jahren ist Traurigkeit in Fröhlichkeit verändert worden. Zu Elisäi Zeiten ist das bittere Wasser in ein süßes verwandelt worden; vor 5 Jahren ist Leid in Freud verkehret worden. Zu Mosis Zeiten ist eine giftige Schlang in eine Ruthe verwandelt worden; vor 5 Jahren ist Trübsal in Freudenschall verkehret worden: Risum fecit mihi Dominus. Und das haben wir alles zu danken der allerheiligsten Dreifaltigkeit. In tribulatione invocasti me, et liberavi te.

Uns ist es weit besser gerathen, als denen Bäumen, von welchen die hl. Schrift registriret: daß nemlich die Herren Bäume, in Erwägung, daß alle Geschöpf' ihren König haben, die Vögel den Adler für ihren König, die gehenden Thier den Löwen für ihren König, die Fisch in dem Wasser den Wallfisch für ihren König, die Gestirn am Himmel die Sonne, die Steiner auf Erden den Diamant, die Blumen die Rose etc., als wollten auch die Bäume als nit mindere Geschöpf gleichermassen ihnen einen König erwählen. Der Reichstag wird ordentlich ausgeschrieben: alle Bäume kommen zusammen, geben ihre Stimm, und ersuchen ihrer drei nacheinander, haben aber von allen dreien einen Korb[192] erhalten. Bitten erstlich den Feigenbaum, er wolle die Kron annehmen und als ein bevollmächtiger Herr über sie herrschen: Impera nobis. Mein, es kann nit seyn! das war der erste Korb. Sie bitten nachmals den Weinstock, er wolle diese Würde antreten. Nein, es kann nit seyn! das war der andere Korb. Nach solchem tragen sie diese königliche Würde dem Oelbaum an, welcher sich gleichmäßig entschuldiget. Nein, es kann nit seyn! das war der dritte Korb. Das soll denen Bäumen wohl haben in die Nasen geraucht, absonderlich dem Cederbaum, dann dieser ist gar ein hochmüthiger Gesell, auch dem Eichbaum, dann dieser ohnedas ein grober Knispl, wohl auch dem Holzapfel-Baum, dann dieser fast all zeit ein sauers Gesicht macht. Sie mögen es empfunden haben oder nicht, so haben sie doch drei Körb bekommen. Denen Grätzern ist es weit glücklicher abgangen. Video homines velut arbores, wie dann jener Blinde nit übel von der Farb geredet, indem er die Menschen für Bäume angesehen: Vor 5 Jahren waren wir allhier zu Grätz solche Bäume, welchen der grimmige Tod seine Tyrannei stark an Tag geben; denn er ja nit wenig umgehaut. Solches war eine sattsame Ursach, daß sie auch einen König gesucht, der sie in Schutz und Protection möchte aufnehmen. Haben erstlich ersucht den Feigenbaum: Impera nobis, er woll[193] ihr König seyn. Durch den Feigenbaum wird verstanden Gott der Vater, welcher die süßeste Frucht getragen, nemlich das göttliche Wort, seinen eingebornen Sohn. Sie haben ersucht den Weinstock. Verstehe hierdurch die andere Person, welche in dem Evangelio spricht: Ego sum vitis vera! ich bin der wahre Weinstock. Sie haben gebeten den Oelbaum: Impera nobis, er woll ihr König und Protector seyn! Der Oelbaum ist eine Figur des hl. Geistes: massen die Tauben in die Arche Noe einen Oelzweig in dem Schnabel getragen. Zu diesen Dreien, nemlich zu der allerheiligsten Dreifaltigkeit, seynd die Grätzer kommen und sich völliglich dero Schutz und Schirm unterworfen, auch versprochen, verlobt, ihr ewig unterthänig zu seyn, alle Jahr auf öffentlichen Platz den schuldigsten Dank abzulegen, und dero hl. Bildnuß auf eine schöne Ehren-Saulen zu stellen. Und siehe, da hat es halb geheißen: In tribulatione invocasti me, et liberavi te: »Du hast mich in Trübsal angerufen, und ich hab' dich errettet.« Du denkest ja noch wohl daran, ich hab dich errettet.

Im Buch der Richter stehet geschrieben von dem Abimelech, daß er 70 seiner Brüder blutgierig erwürgt und allerseits eine unersättliche Tyrannei erzeiget habe. Er hat die Vestung Sichem belagert, gestürmt und in Asche geleget. Nach solchem hat dieser Blut-Egel die Stadt Thebes angriffen, auch selbige durch große Gewalt erobert. Mitten aber in dieser Stadt war ein Thurm, worauf sich Innwohner reterirten und sich tapfer zur Gegenwehr stellten. Solchen Thurm wollte auch Abimelech mit Feuer bezwingen, ist aber von einem Weib mit einem steinernen Willkomm also empfangen[194] worden, daß ihm hierdurch der Kopf zerspalten. Weilen nun Abimelech der Tyrann vermerket, daß er wegen solchen Stein müsse den Kehraus tanzen, als hat er seinem Waffenträger befohlen, er solle ihm das Leben gar nehmen, damit er nit den üblen Nachklang leide, ein Weib habe ihm den Rest geben. Es blieb aber dennoch wahr, daß ein Weib diesen hochmüthigen Gesellen mit einem Stein habe verwundet. Pfui! Dem blutgierigen Tyrann Abimelech ist zu vergleichen der Tod bei verwichener Pestzeit. Hat nit dieser grimmige Feind alles um Grätz um und um gestürmet? wie viel Menschen hat er erleget? wie viel aus denen Zuhörern müssen bekennen, daß dieser tyrannische Feind manche ihrer Bekannten und Verwandten hab' hingerissen und tyrannisch damit verfahren, bis endlich ein Weib ist kommen, die ihm mit einem Stein den Rest hat geben! Durch dieses Weib verstehe ich die Andacht der hochlöblichsten geheimen Stell, die Andacht der hochlöblichen Regierung, die Andacht des löblichen Magistrats etc. Sobald diese Andacht zu der allerheiligsten Dreifaltigkeit sich hat gewendet, ihr Versprechen, eine schöne steinerne Säule ihr zu Ehren aufzurichten, so ist alsobalden dieser Abimelech, der Tod, mit solchem Stein getroffen worden und den Rest bekommen.

Grätz, in diesem Fall die Haupt-Stadt in Steiermark, folget nach dem berühmten Kriegsfürsten Josue. Als dieser einst mit dem vergulten Bundes-Kasten in Begleitung der Kinder Israel zu dem Fluß Jordan kommen, da ist dieser Fluß durch göttlichen Befehl so höflich gewest, daß er oberhalb still gestanden und sich aufgebaumt, wie ein krystalliner Berg, unterhalb aber[195] abgeronnen; dahero die Leviten samt der Arche und dem ganzen Volk mit trucknen Füßen durchkommen, und weil ihnen die Arche des Herrn so wunderlich hat durchgeholfen, also hat der Kriegsfürst Josue zu einer Dankbarkeit und ewigen Gedächtnuß 12 große Stein lassen aufrichten, allen Nachkömmlingen zu einem immerwährenden Gedenkzeichen, daß ihnen der gütigste Gott so wunderlich hat hindurch geholfen. Diese Stein siehet man noch auf dem heutigen Tag; und wie der hl. Joannes Baptista bei dem Fluß Jordan geprediget, hat er auf diese Stein gezeiget und gesagt: Potens est Deus, ex lapidibus istis suscitare filios Abrahae: »Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams erwecken.« Dieser vergulte Bunds-Kasten war eine Figur der allerheiligsten Dreifaltigkeit; denn es war darinnen die Ruthe Mosis als ein Zeichen eines Gewalts: »die hat bedeutet Gott den Vater; es war darinnen die Tafel der Gesetz: diese hat bedeutet Jesum Christum, den göttlichen Sohn, welcher uns ein neues Gesatz gebracht; es war darinnen das süße Manna: dieses hat bedeutet den hl. Geist, dulcis hospes animae, der ein süßer Tröster der Seelen ist.« Hat ihnen also die allerheiligste Dreifaltigkeit in einer Figur durchgeholfen, weßwegen sie zu ewigem Dank und Denkzeichen die Steiner aufgericht.

Was Anno 2494 nach Erschaffung der Welt geschehen, was 1477 Jahr vor Christi Geburt geschehen, das ist auch Anno 1680 nach Christi Geburt geschehen. Ich will sagen, was mit dem Josue und den Israeliten geschehen: das ist auch mit uns[196] Grätzern geschehen. Wie seynd doch so Viel – deren nit Wenige gegenwärtig – wie seynd doch so viel bei der stark grassirenden Pest durchkommen? wie viel? wer? Honori, Matthias, Gregori, Jeremias, wer hat euch durchgeholfen? Athanasi, Ferdinande, Anastasi, Amande? wer hat euch durchgeholfen? Regina, Polixena, Rosina, Magdalena, wer hat euch durchgeholfen? Klara, Susanna, Sara, Joanna, wer hat euch durchgeholfen? wer? wer? Ich höre, ich höre: die allerheiligste Dreifaltigkeit, Gott Vater, Gott Sohn, Gott hl. Geist, der ein einiger Gott und drei göttliche Personen, die haben uns durchgeholfen, derentwegen wir auch zur ewigen Gedächtnuß und unsterblichen Angedenken eine steinerne Saulen wollen aufrichten.

Der hl. Joannes hat vor diesem in einer Entzuckung wunderbarliche Geheimnussen gesehen. Unter anderen hat er einmal vier Thier gesehen, welche man der Zeiten denen hl. Evangelisten zumalet: er sah einen Löwen, ein Kalb, ein Thier, das hatte ein Gesicht, wie ein Mensch, und einen Adler. Diese Thier hatten Tag und Nacht keine Ruhe, sondern lobten stets die allerheiligste Dreifaltigkeit. Sanctus, Sanctus, Sanctus, Heilig, Heilig, Heilig! Er, Joannes, hatte einen Löwen gesehen, ein Kalb gesehen etc., welche das Lob der allerheiligsten Dreifaltigkeit abgeleget. Aber ich sehe heut ein Panther-Thier, mit welchem das Herzogthum Steiermark pranget, dieses sehe ich heut, und hör ich heut das göttliche Drei loben und preisen! Heilig, Heilig, Heilig! Heilig Gott Vater, heilig Gott Sohn, heilig Gott der hl. Geist![197] gebenedeit Gott der Vater, gebenedeit Gott der Sohn, gebenedeit Gott der heilige Geist! Gedanket sey Gott dem Vater, gedanket sey Gott dem Sohn, gedanket sey Gott dem hl. Geist! Ja, ich glaub, daß alle unsere Herzen werden beschaffen seyn, wie das Herz meines hl. Vaters Augustini, welches viel Jahre nach seinem Tod ein Engel dem hl. Sigeberto als eine besondere Reliquie eingehändiget, bei dem sich dann dieß große Wunder zugetragen: Wann man das Herz des hl. Vaters in ein krystallenes Geschirr auf den Altar gestellt, so oft der Priester in der hl. Meß die allerheiligste Dreifaltigkeit genennt, so oft hat sich das Herz bewegt und in die Höhe aufgewallet; auch so oft man das Buch, welches er von der allerheiligsten Dreifaltigkeit geschrieben, zu dem Herz gesetzet hat, so oft hat es sich in Gegenwart des Volks gerühret, und gleichsam in die Höhe gehupfet: also verliebt war was Herz meines hl. Vaters Augustini in die allerheiligste Dreifaltigkeit. Gleichmäßig glaube ich auch, daß alle Herzen der gegenwärtigen eifrigen Christen, und aller Grätzer insgesammt, seynd ganz und gar verliebet in dieses göttliche Drei, von dem sie vor fünf Jahren so große und überhäufige Gnaden empfangen, auch ferner hoffen durch diese allerheiligste Dreifaltigkeit von allen Uebeln befreit zu seyn. Es hat vermeint der Joseph, er habe dem Benjamin den besten Schatz in den Sack gelegt, indem er die Säck anderer seiner Brüder mit Treib hat lassen anfüllen, und obenher ihr Geld verborgen; dem Benjamin aber seinen silbernen Becher, wormit er pflegte zu weissagen, in Sack gestecket. Wir in Grätz haben weit einen[198] größern Schatz im Sack, N.B. und zwar im ersten Sack allhier, wo nemlich die allerheiligste Dreifaltigkeit, wodurch ich etwann so gut als Joseph mit seinem silbernen Becher kann wahrsagen. Wahrsagen will ich, daß wir hinfüran unter dem Schutz der allerheiligsten Dreifaltigkeit werden von der Pest befreiet seyn; wahrsagen will ich, daß wir mit Hilf der allerheiligsten Dreifaltigkeit werden Sieg und Victori wider unsere Feind erhalten: allermassen Gedeon, der tapfere Kriegsfürst, die Madianiter mittels der allerheiligsten Dreifaltigkeit überwunden; dann er nahm wider einen so starken Feind nit mehr als 300 Mann zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit, die 300 mußten ebenfalls drei Stuck mit sich haben, nemlich eine Trompete, ein irdenes Geschirr, welches sie mußten zerbrechen, und eine Fackel: mit diesen dreien Stucken seynd viel 1000 Madianiter erleget worden. Durch die Trompeten wurde verstanden der himmlische Vater, welcher mit dem Schall eines einzigen Worts Himmel und Erde erschaffen; durch das irdene Geschirr wurde verstanden die andere Person in der allerheiligsten Dreifaltigkeit, als welcher die irdische Menschheit angenommen, und nachmals durch die hebräischen Mißgönner zerbrochen worden, wie man denn noch 5 große Riß oder Ritzer siehet; durch die Fackel wurde verstanden der hl. Geist, der in Gestalt feuriger Zungen über die Apostel erschienen. Gleichwie nun Gedeon den großen Feind, wie da die abgöttischen Madianiter waren, sieghaft überwunden durch die allerheiligste Dreifaltigkeit; also hoffen wir alle insgesamt durch sonderbare Beihilf und Gnaden der allerheiligsten Dreifaltigkeit:[199] durch die Macht des himmlischen Vaters, durch die Verdiensten des Sohns Gottes, durch die Gnad und Erleuchtung des hl. Geists unsern Erb-Feind, den ottomanischen Tyrannen zu überwinden. Wohlan denn, ihr tapfere Soldaten und Kriegsleut, marschirt wider euere Feind in dem Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, sprechend mit Mund und Herzen:


Allerheiligste Dreifaltigkeit, hilf uns den Krieg fortführen,

Hilf uns allzeit in unserm Streit, daß wir victorisiren.


Hilf, daß wir heuer recht obsiegen

Und unsere Feinde jagen,

Alsdann wir dir bei Füßen liegen,

Und ewigen Dank sagen!


Aus dieser schlechten und geringen Predigt kann man gleichwohl lernen, wie man dem gütigsten Gott seine Gnaden, wormit er uns so oft vom großem Uebel erlöst, mit Dank solle bezahlen. Wie Christus der Herr den Lazarum von den Todten auferwecket, hat er nit befohlen, daß man ihm soll die Grabtücher, mit denen er an Händen und Füßen gebunden war, hinwegnehmen oder auflösen, sondern Lazarus mußte also gebunden aufstehen: »ligatus manus et pedes« – uns hierdurch eine schöne Lehr zu geben: Wann[200] Gott jemand eine große Gnad erweiset, oder aus einem großen Elend errettet, wie den Lazarum von dem Tod, so sey er gebunden und verbunden, ligatus, verobligirt, ihm dessenthalben zu danken. Siehe, mein Mensch, es ist noch ein anderes Auszügl vorhanden, woran du Schuldenmacher ziemlich zu zahlen hast, allermassen dich Gott der Herr nit allein erschaffen, nit allein erhalten, sondern auch erlöset hat. Wer Gott dem Herrn nit danket, spricht mein hl. Vater Augustinus, um die Erschaffung, der verdient die Höll, und wer Gott nicht dankt um die Erlösung, der verdient, daß eine neue Höll für ihn werde.

Im Nachfolgenden wird gar nit specifizirt dasjenige, was Gott von der Krippe an zu Bethlehem deinetwegen ausgestanden; sondern nur wird dasselbige aufgezeichnet, was dein Jesus ausgestanden von der Zeit und Stund an, da er im Garten gefangen worden:


Auszügl.


Hans Adam Erdschrollen, sündiger Mensch auf der Welt, hat von mir Endesunterschriebenem die hiebei verzeichneten Gnaden empfangen. Hoffe, daß er solche mit Dank be zahlen werde.


Anno 3074 nach dem Absterben des ersten Menschen.

Gnaden:


Erstlich: Von der Stund an, da mich mein treuloser und meineidiger Apostel Judas mit einem falschen Kuß verrathen, bin[201] ich deinetwegen von einem Gericht zu dem anderen bis endlich an das Ort meiner bitteren Kreuzigung geschleppt worden, Schritt

6304


Mehr: In mein Angesicht habe ich von denen jüdischen Scherganten und andern zusammen gerotten Gsind harte Backenstreich empfangen

100


Mehr: Habe ich theils von den Soldaten, theils auch von den hebräischen Lottersknechten harte Stöß und Schläg an meinem Hals empfangen

120


Mehr: Hab ich deinetwegen 380 Schläg auf den Rucken, 43 auf die Brust, 85 auf das Haupt, 38 auf die Seiten, 62 auf die Schultern, 40 auf die Arm, 32 auf die Schienbein, in Summa empfangen harte Schläg und Stöß

410


Mehr: Seynd mir von dem übermüthigen Pöbel und unerzogenen Buben zu Jerusalem in mein Angesicht stinkende und unflätige Speichel neben unerhörtem Spott und Aushöhnung geworfen worden

32


Mehr: Bin ich wie ein veracht'er Erdwurm deinethalben zu Boden gestoßen und mit Füßen getreten worden, nit nur einmal, sondern

183


Mehr: Bin ich bei den Haaren und Bart mit unglaubigen Schmerzen von denen Soldaten und andern Gassen-Raupen gezogen worden

358


Mehr: Ist mir eine dörnerne Kron auf das Haupt gesetzt, und dieselbe also unmenschlich[202] eingedrucket, daß mir hierdurch Wunden seynd gemacht worden

1000


Mehr: Hab ich in meiner Geißlung Wunden empfangen

6666


Mehr: Hab ich in dieser Zerfleischung Bluts-Tropfen vergossen

730005


Mehr: Habe ich meine Arm an dem Kreuzbaum ausgespannt, und seynd mir eiserne Nägel deinetwegen durch Händ' und Füß geschlagen worden mit Hammer-Streichen

62


Mehr: Bin ich für dich gestorben. Die Summa Summarum meiner Schmerzen kannst du in kein

10000000


bringen


Loco Sigilli †.

Jesus dein Erlöser.


Soll es möglich seyn, daß der Mensch in Ablesung dieses Auszügels nicht an Händ und Füßen zittere? Siehest du anjetzo, was du deinem Erschöpfer und deinem Erlöser schuldig bist? Seynd dann dir deine Augen denen harten Kiesel-Steinen befreund't, und in Erwägung, daß für dich dein Heiland Jesus 63000 heiße Zäher vergossen, du gleichwohl mit keinem Tropfen Augenwasser versehen bist? Erwäge doch bei dir, daß zwischen einem Kothkäfer und Goldkäfer, zwischen Tausendgulden-Kraut und Brennnessel, zwischen einem Ziegelstein und Edelgstein, zwischen einem Lampel und einem Trampel nicht ein großer Unterschied sey, als zwischen dem Menschen und dem Engel, und[203] dannoch, wie der Mensch gesündiget, hat ihn Gott erlöst, und wie der Engel gesündiget, hat ihn Gott nit erlöst! Ein mancher Federhans und Prahler will weiß nit was für Bäume ausreißen, als wie der Xerxes, welcher mit 700000 Mann das Griechenland überfallen; aber du Xerxes mit allen deinen bewaffneten Soldaten, wann auch 100000 Philistäer Eisenfresser dabei wären, bist eine lautere Lettfeigen gegen einen Engel, welcher in dem Kriegs-Heer Senacherib hundert und fünf und achtzig Tausend erleget. Ein mancher Kothfink und polirte Mistbutte bildet sich ein, sie sey über alle Massen schön, und setzet bisweilen ein Paar schwarz-taffete Mucken auf die Wangen, damit nur das weiße Pergament desto sichtbarer heraus scheine, ja es muß gar oft auch der Anstrich diese leonische Waar für gut versilberen. Putz dich, schmuck dich, mein mit Ziegel bedeckter Saustahl, du kommst mir eben vor in deiner schönen Tracht, wie eine gezierte schöne Pastete, worinnen ein muffendes Brätl von einem alten verreckten Schimmel, du werdest halb nach deinem Tod alle Glutpfannen und Rauchwerk beschäftigen, und inner etlich Tagen ärger schmecken, als des Teufels sein Balsam-Büchsel. Pfui! siehe aber, wie schön ein Engel! Die hl. Theresia, diese seraphische Mutter und Jungfrau, ist von dem Himmel berichtet worden, daß, wann der Mensch nur mit einem Aug den alleruntersten Engel erblicken sollte, so müßte ihm das Herz über des Engels Schönheit vor lauter Süßigkeit in tausend Stucken zerspringen, also schön[204] ist ein einziger Engel. Wie schön werden dann tausend, hundert tausend, tausendmal tausend Engel seyn? Und dannoch – N.B. merkts wohl – und dannoch hat Gott die Engel nit erlöst, sondern den Menschen, den so geringen von Erdreich zusammen gepappten und zerbrechlichen Tropfen!

Ei du undankbarer Mensch, o du in Abgrund der Erden verfluchter Mensch, wann du die Lieb deines Herrn, die Treu deines Erschaffers, die Erbarmnuß deines Heilands nit tief zu Herzen fassest! Sieh hinab in die höllische Feuergruben, schau, da liegt in dem Pech und Schwebelteich der dritte Theil der Engel, eine so große Anzahl derselben, daß, wann allein diejenigen, welche in der Luft herum schweben, leibhaft und körperlich über uns schweben sollten, so müßte nach Meinung vieler hl. Lehrer die Sonne ihre Strahlen zurück ziehen und die Nacht stets in der Welt seyn, weilen unmöglich durch eine so große Menge und Dicke der korporirten Geister in der Luft der Sonnen mit ihren Strahlen durchzubrechen. Schau hinab, sprich ich, in den feurigen Schmelz-Ofen, schau, da liegt das edle Kleinod, welches Gott selber auf seiner Brust getragen, Lucifer der allerschönste Engel! Ach Lucifer, wie tief bist du hinab gefallen. Bist du dann nicht der schöne Stern, der früh Morgens also aufging, daß Sonn und Mond über deine Schönheit sich verwunderten? Freilich wohl bin ichs. Wie bist du dann so tief hinab gefallen? Non habui sublevantem me, »es hat mir niemand geholfen,« sagt er. 6000 Jahr lieg ich schon in diesem feurigen Schmelz-Ofen, und Jesus der Sohn Gottes hat mich noch nie mit einem guten Aug angeschaut;[205] 6000 Jahr werde ich noch darinnen schwitzen, und nach sechstausendmal tausend Jahr wird er mich noch mit keinem Aug anschauen, und also muß ich ohne einigen Augentrost von Ewigkeit das ewige Elend schmelzen, an ewigen Ketten und feurigen Banden angeschmiedet verbleiben – ich, der die schönste Creatur nach Gott war, mit so viel Millionen andern so edlen Geschöpfen bin und bleibe, ach, bleib und bin ewig verloren! und ein räudiges Schaf, ein stinkendes Aas, einen nichtigen Erdwurm, einen Sack voller Koth, eine Haut voller Elend sucht der Sohn Gottes 33 Jahr, geht und steht, lauft und schnauft, streit' und leid't 33 Jahr, nemlich für den Menschen; für mich aber hat er nicht einen Fuß aufgehebet, und wird auch ewig keinen aufheben! Ein Kleinod läßt Gott im Koth liegen, einen rußigen Bleischrollen hebt er auf; den Menschen erlöst er, die Engel läßt er im ewigen Verderben liegen!

O mein Christ, um die Barmherzigkeit Gottes, um das vergossene Blut des Sohns Gottes, um die blutrinnenden Wunden deines Heilands Jesu Christi, gehe doch einmal in dein Gewissen, frag dein Herz, ob du dessenthalben deinem Erlöser bist dankbar gewest? ob du nit diese unergründlichen Gutthaten mit Uebelthaten vergolten? O mein Jesu, eine Höll, tausend Höllen, hunderttausend Höllen seynd ja zu wenig für einen solchen Menschen, welcher dir um diese Lieb undankbar ist!

Weltbekannt seynd die heroischen Thaten, welche Georgius Gisera aus Böhem für den König Ladislao in Ungarn gethan hat. Ladislaus war noch[206] ein Kind, welches Kaiser Friedrich der Dritte bei seiner Hofstadt als sein Gerhab auferzogen. Die Ungarn hatten bereits wider diesen Ladislao rebelliret. Wladislaus, König in Polen, ist ebenfalls mit großer Macht in Ungarn eingefallen. Der einige tapfere Georgius Gistra oder Gisera mußte allen diesen anstatt des jungen Herrls Ladislai Widerstand thun, welches er dergestalten erwiesen, daß er den Feind nit nur einmal in die Flucht geschlagen, die Rebelien öfters mit ritterlicher Tapferkeit erleget, und allerseits große Glorie und Victori erhalten. Wie dieser Georgius einmal nach Neustadt kommen, und bei Ihro Majestät dem Kaiser Audienz begehrt, so hat er auch unterthänigist gebeten, man wollte ihn auch vor seinen jungen König kommen lassen, damit er demselben möchte die Händ küßen. Als er nun Ladislaum ersehen, empfangt er ihn mit diesen Worten: Nun sehe ich dich, mein König, einmal, und erfreue mich, daß ich so glückselig bin, deine königliche Würde zu sehen! o wann du wissen sollest, was ich deinetwegen hab ausgestanden, was Mühe und Arbeit, was Gefahr und Streit, wie manche Wunden! siehe die Wundmall, diese seynd ja kräftige Zeichen, daß ich deinem Herrn Vatern und dir bin getreu verblieben, und noch ist kein Unglücks-Fall, kein Tod, den ich deinetwegen nit erbietig bin auszustehen; aber du als ein Kind verstehest solches nit! und setzte nachmals mit lächletem Mund diese Wort' hinzu: Mein König, wirst du mirs aber vergelten? oder was Dank werde ich von dir darvon tragen? Ladislaus, ein Hrrrl im sechsten Jahr, nachdem obbemeld'ter Gisera hat ausgeredet, wendete[207] er seine Augen hin und her im Zimmer, ersiehet endlich den Almusen-Beutel seines Kammer-Dieners, nimmt denselben in der Geheim zu sich, und gibt dem Gisera, diesem tapferen Kriegs-Herrn, sechs Groschen; dann mehrer dazumalen nicht darinnen gewest. Vielen Anwesenden seynd deßwegen die Augen übergangen. Dem Georgio hat solches dergestalten wohlgefallen, daß er diese sechs Groschen hat lassen in Gold einfassen, und nachmals an dem Hals getragen als ein Kennzeichen der königlichen Dankbarkeit.

Was hab ich deinetwegen, o mein Mensch, nicht ausgestanden! sagt auch der Heiland Jesus, und zeigt uns noch seine offenen Wunden als purpurfarbene Zeugen und Zeugnuß seiner Lieb gegen uns; ja was wollen noch so viel Wunder, die er in der Welt mit seinen hl. Passions-Instrumenten wirket, anders andeuten, als seine unendliche Lieb, die er uns durch sein Leiden erwiesen!

Zu Placenz in der schönen Kirche des großen Spitals wird ein hl. Dorn von der Kron Christi aufbehalten, welcher schon zum öftern am Charfreitag just um 9 Uhr hat angefangen zu blühen. – In dem Marktfleck St. Quirici, zwischen Acsium und Fabrian, wird auch ein heil. Dorn gezeiget, welcher da alle Jahr durch ein ewiges Wunderwerk in der hl. Charwoche zu blühen pfleget. – In der Capelle des maltheserischen Großmeisters wird auch ein hl. Dorn gezeiget, an dem mehrmalen alle Jahr vermerket, daß er am hl. Charfreitag fängt an zu grünen und zu blühen. Joan. Bosius in Hist. Relig. S. Joan. Hier. p. 2. l. 7. In Umbria ist ein Ort mit Namen[208] Montone, allwo ein Dorn aus der hl. Kron des Herrn verehret wird, und mit höchster Verwunderung alle Jahr am Charfteitag von sechs Uhr bis auf neune grünet und schöne Blüthe bringen thut. Petr. Sanct. c. 16. – Zu Neapel in dem Kloster St. Patritiä ist ein Nagel, wormit der gebenedeite Jesus ist gekreuziget worden; in diesem siehet man etliche ganze bleiche Bluts-Tropfen. Wann aber die hl. Charwoche herbei nahet, werden diese ganz roth; am Charfreitag aber zeigt sich das frische Blut, welches schon gar oft mit größtem Wunder betrachtet worden. – Zu Venedig in St. Klara Kirchen ist auch ein hl. Nagel zu sehen, mit welchem die Füß unsers Herrn seynd angeheft worden. Auf diesem seynd auch etliche bleiche Mail von Blut, welche ebenfalls augenscheinlich alle Jahr am Charfreitag ganz lebhaft werden. – Zu Typhernar in der Domkirche daselbst ist ein hl. Dorn aus der Kron unsers Herrn, und siehet man an dem Spitz des Dorns ein subtiles Härl mit Blut angepicket. Alle Jahr am Charfreitag in derselben Stund, in welcher die dörnerne Kron auf das allerheiligste Haupt ist gedruckt worden, pflegt dieser ausgedorrte Bluts-Tropfen so frisch zu werden, als wär er erst aus einem lebendigen Leib gezogen worden. Und dieses Wunder sieht männiglich alle Jahr, außer denjenigen, welche in großen Sünden und Lastern verharret seyn. Thieopolus de Pass. Dom. tract. 13. c. 2. – Zu Donauwörth in Bayern haben die Patres Benedictiner auch einen hl. Dorn aus der Kron Christi, an welchem man alle[209] Jahr am Charfreitag spüret, daß kleine Tröpflein auf- und absteigen. August. Mang. Select. Hist. c. 166. – Der hl. Dorn zu Firmi in der Kirche des hl. Vaters Augustini, der hl. Dorn zu Brixen in dem Gottes-Haus St. Juliä, der hl. Dorn zu Barii, der hl. Dorn zu Policastri pflegen durch immerwährendes Wunder alle Jahr am Charfreitag Blut zu schwitzen. – In dem Marktfleck St. Maximi nächst bei Massilia werden in einem schönen, kostbaren krystallinen Geschirr aufbehalten etliche Bröckel Erden mit Blut vermischet, welche die hl. Maria Magdalena unter dem Kreutz genommen. Diese zeigen alle Jahr ein unerhörtes Wunder; denn alle Jahr am Charfreitag, wann man in der Passion diese Worte singet: Unus militum lancea latus ejus aperuit, et continuo exivit sanguis et aqua: Einer von denen Kriegs-Leuten eröffnete seine Seite mit dem Speer, und alsbald gieng Blut und Wasser heraus – zu diesen Worten thut sich das mit der Erde vermischte Blut alsobalden bewegen und über sich quellen, und währet solches Wunder bis zu dem End der Passion. Thieopol. de Pass. Dom. tract. 13. c. 2,

Zu was Ziel und End glaubst du, daß solche Wunder Gott alle Jahr wirken thue? was meinst du, der du solches liesest und solches weißt, was hierdurch der allmächtige Welt-Heiland wolle andeuten? Er, glaub du mir, er will durch solches in deinen Augen, forderist aber in deinem Herzen erneuren die Gedächtnuß seines bittern Leidens; er will dir, sofern du es schon vergessen hättest, noch anzeigen, was er deinetwegen, deiner Seelen wegen, deiner Sünden wegen, deines[210] Heils wegen habe gelitten, und verlange also eine Dankbarkeit von dir! Was kann ihn doch mehr schmerzen, als die Undankbarkeit!

Nichts hat mehr geschmerzet den gebenedeiten Heiland in seinem Leiden, als die Undankbarkeit des Malchi; indem dieser ihm einen so harten Backenstreich mit einer Eisen-Faust in sein Angesicht versetzet, welchem er kurz zuvor wunderbarlich das abgehaute Ohr wieder hat angeheilt. Für solche große Gutthat ist dieß der Dank. O verfluchte Schand! Gleichwie diejenigen Juden aus dem Geschlecht Ruben, welche Christum den Herrn im Garten gefangen und gebunden, drei ewige Flüch' über sich bekommen, und alle aus diesem Geschlecht müssen es noch entgelten, wo sie immer in der Welt seynd, als nemlich: was sie Grünes anrühren, dasselbe verwelkt den dritten Tag; was sie säen in die Erd, dasselbe geht niemalen auf; wo sie begraben werden, alldort wächst nit ein Gräsl. Item diejenigen Juden, dergleichen man vor diesem in Portugal angetroffen, welche aus dem Geschlecht seynd derselben, so Christo dem Herrn in das Gesicht gespiben, auf den heutigen Tag, so oft sie einen Speichel auswerfen, so springt ihnen solcher wieder in das Gesicht. Auch dieselben Juden, dergleichen in Polen und Moscau noch zu finden, welche aus dem Geschlecht derjenigen seyn, so unsern Erlöser gegeißlet, werden alle Jahr am Charfreitag 6666 blutige Mail am Leib bekommen, und werfen den ganzen Tag Blut aus; und schreibt Antonius[211] Caraffa, daß er einen solchen Rabbiner mit Namen Eleazar habe selbsten gesehen den ganzen Charfreitag so häufiges Blut auswerfen, daß er denselbigen Tag acht Fatzinetl verbraucht. Also auch alle diejenigen Juden, deren so viel zu Constantinopel aus dem Geschlecht Aser auf den heutigen Tag den rechten Arm um eine halbe Spann kürzer haben, als den linken, und eines jeden aus diesem Geschlecht rechte Hand wird von Mutter-Leib krumm seyn, zu einem ewigen Fluch, weilen nemlich aus diesem Geschlecht Aser der verruchte Malchus gewest, welcher unsern Herrn einen so harten Backenstreich in dem Haus Annä gegeben. O vermaledeiter Streich! Bist du ein Mensch? Nein, du bist über alle unvernünftige Thier! ein Tiger und Panther haben mehr Erbarmnuß als du! Du sollst denjenigen verwunden, der erst deine Wunden geheilet? Aber, mein Jesus, weit undankbarer bin ich, weit übersteige ich diesen Bösewicht in der Undankbarkeit. 547500 Tropfen Blut hast du wegen meiner vergossen, ein Tropfen ist so theuer, daß Maria Gottes Mutter mit allen Heiligen im Himmel, mit allen Engeln im Himmel, mit allen Menschen auf Erden immer und ewig nit kann bezahlen; und ich thue wegen so vieler tausend Bluts-Tropfen nicht allein dir nit danken, sondern veracht' dich, verspott dich, verwirf dich, marter' dich, kreuzige dich, tödte dich noch darüber, so oft ich eine Tod-Sünd' begehe! O unendliche Gütigkeit Gottes,[212] wie viel mal hätte ich schon sollen von allen Teufeln in den Abgrund der Hölle gestürzet werden, und du hast mich gleichwohl noch allzeit mit denen jenigen Armen, die ich ans Kreuz hab angenagelt, so väterlich umfangen! Wann ich dir schon danke 100000000000 mal, so ist noch nicht ein Tüpfl bezahlet an dem Auszügl, welches ich von dir empfangen! Es ist zwar die Undankbarkeit eines Menschen gegen den andern Menschen auch sehr verdammlich, und hat man dergleichen tägliche und stündliche Exempel und Beispiel in der Welt: es hat des Königs Pharao sein Mundschenk dem Joseph in der Keiche ganz guldene Berg versprochen, um weilen er ihm den Traum so gut und glücklich ausgeleget, es ist gleichwohl nachgehends solches Versprechen mit Pfui versiegelt gewest.

Es geschieht wohl öfters heutigen Tags, was vor diesem einmal geschehen zwischen dem Elia und Elisäo: Elisäus hat bei seinem Vater Elia um Gnad angehalten, und inständig gebeten, er woll ihm doch, dafern ihn Gott werde zu sich rufen, seinen doppelten Geist spendiren. Wie nun der feurige Wagen mit feurigen Pferden erschienen und den Eliam in die Höhe geführet, da hat Elisäus mit lauter Stimm angefangen zu schreien, und seinen heiligen Vater gelobt und gepriesen: Pater mi, Pater mi, Currus Israel et Auriga ejus! Sobald aber Elias seinen Mantel heruntergeworfen, welcher da gefüttert war mit einem doppelten Geist, non video eum amplius, »da hat ihn der Elisäus nit mehr gesehen.« Nit mehr? Ja nit mehr. Gesetzt,[213] er habe ihn nicht mehr können sehen, warum fahrt er nicht in seinen Lob-Sprüchen fort? Mein, mein, wie fragst du so seltsam? der Elisäus hat schon in den Händen, was er begehrt und verhoffet! deßwegen ist kein Wunder, daß er ihn nachmals nit mehr gesehen. Nit mehr? Ja, ja, nit mehr. Die Noth ist eine Mutter, die hat sehr viel Kinder: Complimenten, Reverenz, Basalaman, Ceremoni, Bitten, Versprechen etc., seynd lauter Kinder der Noth; aber die Kinder sterben mehresten Theil mit der Mutter. Wann keine Noth mehr, so seynd die Kinder auch nicht mehr. Ich heiß zwar nit Elias, hab aber gleichwohl einen Namen aus dem alten Testament. Es kommt einer zu mir, er macht Klafterlange Complimenten, er bucket sich wie ein Taschen-Messer: Pater mi, Pater mi! Sie könnten mir wohl helfen; da und dort und dort vermögen Sie etwas; Sie thun ein gutes Werk; der Teufel hohl mich, ich will dieses mein Lebtag in keine Vergessenheit stellen, ich will die Zeit meines Lebens mich emsig befleißen, diese Gutthat zu erwiedern und dankbar zu seyn. Wann dieser geschworen hätte: der Teufel hohl, so hätte er weit besser geredet; dann er und seine Wort seynd hohl, und werden hohl seyn, leer und nichts darinnen, darunter etc. Sobald er dasjenige erlangt, was er vorhero so inständig verlangt, so macht ers wie der Elisäus, nachdem er den Elianischen Mantel samt dem doppelten Geist erhalten: »Non videt me amplius, er siehet mich nit mehr,« er schaut mich nicht mehr an, er[214] kennt mich nit mehr, das Deo Gratias ist ausgeflogen, er macht nit mehr so große Reverenz, er neigt nur den Hals, als wie die Gäns', wann sie unter einem Steg durchschwimmen. Das ist fast eine tägliche Erfahrnuß bei mir, bei dir, bei uns, bei euch, bei diesen etc. Ein solcher Gesell kommt mir vor, wie ein Reisender bei heißer Sommerszeit: wann dieser einen Brunnen sieht, o wie erfreut er sich! er eilet hinzu, legt den Hut auf die Seite, er buckt sich; nachdem er aber den Durst gelöschet und nach Genügen getrunken, da ist die Ceremonie aus, er setzet den Hut auf, er zeigt dem Brunnen den Rucken, er schaut ihn nicht mehr an. Also gehet, und kommet, und bittet, und sucht, und tracht, und schaut, und zielet mancher, wie er doch dieß und das, weiß nit was, möcht erhalten, er macht Con – – – – stan – – – – ti – – – – no – – – – po – – – – li – – – – ta – – – – ni – – – – sche Ceremonien; so bald er aber glücklich erreicht, wohin er gezielet, so bald er bekommen, nach dem es ihn gedurstet hat, da ist der Kirchtag aus, seine Complementen singen das Completorium, sein Aufwarten citirt den Curtium, seine Anerbietungen floriren wie Feigenbaum am Weg, den Christus excommunicirt; ja oft zeigt er die Feigen gar, absonderlich wann die Blätter der Versprechungen abfallen, und werden oft die Gutthaten mit Uebelthaten vergolten. O Judas-Brüder!

Ein Bauer wollte einest etwas in die nächst entlegene Stadt tragen zu verkaufen; unterwegs aber,[215] wegen der schweren Last thät er bei einem Felsen rasten, in welchem Felsen eine große Schlange versperrt gelegen. Wie diese den Bauren wahrgenommen, so fanget sie an inständig zu bitten, er wolle sich doch ihrer erbarmen: Ich bitte dich um Gotteswillen, welcher dem Mosi in dem alten Testament von dem Erz und Glocken-Speis' auf eine hohe Saule mich zu setzen befohlen; ich bitt, ich bitt und bitt dich tausend und tausendmal, hilf mir doch aus diesem Loch, dann ich wegen des schweren Steins nicht kann heraus kriechen! Wie wirst du mich aber belohnen? fragte der Bauer. O mein herzallerliebster Mann, ich will dir der Dank geben, mit welchem die Menschen die größten Gutthaten pflegen zu bezahlen! So seys dann! der Bauer wälzet den großen Stein hinweg, daß also die Schlange in die freie Luft kommen, und des langen Arrests entlediget worden. Wie sie sich in der Freiheit befunden, so will sie mit großem Gewalt den Bauern umbringen! Holla! schreit der Baur, was ist das? soll das meine Belohnung seyn um die große Gutthat? ist das der Welt Dank? Ja, spricht die Schlange, die Menschen pflegen in der Welt das Gute mit dem Bösen zu vergelten, und solchen Welt-Dank hab' ich dir versprochen. Weißt du was, meine Schlange, entschuldiget sich der Baur, ich bin ein einfältiger Mann, und nit schriftgelehrt, ich will mich mit dir ohne gelehrte Zeugen in keine Disputation einlassen, sondern wir wollen andere suchen, welche hierinfalls verständig urthlen werden. Ist es Sach,[216] daß ich Unrecht habe, so will ich gern sterben. Begeben sich demnach beede, der Baur und die Schlange, auf den Weg, und treffen bald an einen alten Schimmel, welcher nichts als Haut und Bein tragte. Dieser hatte seine Weid auf einem dürren Feld, und war allbereits schon dem Schindophilo übergeben. Willkomm, Herr Schimmel, wie, daß ihr euch ganz alleinig auf diesem öden Feld aufhaltet? aus was Ursachen ist der Herr nit zu Haus im Stall bei einer guten Haberkost? Ach, meine Herrn, antwort' der Schimmel, ihr dürft euch deßwegen so stark nicht verwundern, es ist schon allbereits der Welt ihr Brauch: Ich bin 30 Jahr bei einem Edelmann gewest, dem dieses Geschloß vor euren Augen zugehörig, habe ihm gedienet, wie es einem redlichen Pferd zustehet; ich weiß mich wohl zu erinnern, daß ich ihn in dem vorigen Türkenkrieg bei Komoren etlichmal hab vom Tod errettet; jetzt daß ich alt, schäbig und ganz kraftlos bin, so hat er mich dem Schinder übergeben. – Siehest du es, Bauer, hast es vernommen, wie die Welt das Gute mit dem Bösen belohnet? Allo! jetzt bring ich dich um, sagt die Schlange. Gemach, bittet der Bauer, gemach, die Sach muß durch einen allein nicht geschlichtet werden! wann mehrere dieses Urthls werden seyn, alsdann will ich mich ganz urbietig ergeben. Gut! Die zwei beurlauben sich von dem Schimmel, und nehmen ferners ihren Weg fort. Bald aber trafen sie einen Hund an, welcher an einem alten Strick an einen Zaun angebunden. Willkomm, Herr Melampus, wie so melancholisch? Ihr müßt eine schlechte Kost haben, weilen ihr so beindrechslerisch ausschauet! wie kommt[217] es, daß Euer Hundheit also bei diesem Zaun sich befindet? Ach, seufzet der Hund, das ist mein Lohn, daß ich meinem Herrn so getreu gedient hab! was Strapaza habe ich in mancher Jagd und Hetz ausgestanden! wie viel Hasen hab ich meinem Herrn gefangen, und ihm also mit eignen Zähnen manches Schnapbissel erhäschet! will geschweigen, daß ich Schelmen und Dieb mit meinem Wachen und Bellen nächtlicher Weil hab abgetrieben; anjetzo, da ich alt, matt, müd und verdrossen bin, hat er mich an den Zaun binden lassen, und wird bald einer kommen, der mich erschießen wird! Allo! sagt die Schlang, Bauer halt her, dein Handel ist nun verloren, zwei haben dich schon überstritten. Ei nit so gäh, meine Schlang! dafern der dritte auch solcher Meinung wird seyn, so will ich mich nachmalens keineswegs weigern. In währendem Zank läßt sich ein Fuchs sehen, welcher sich selbst freimüthig für einen Richter bei diesen streitenden Parteien aufgeworfen; ruft dahero den Bauern ein wenig beiseits und fragt denselben, ob er mit Hennen versehen sey, und wie viel er ihm wolle spendiren, wann er ihn aus dieser äußersten Lebensgefahr salvire. Ich schenke dir alle Hennen, mein guldener Fuchs, sagt der Bauer. Ueber solches fängt der Fuchs mit besonderer Wohlredenheit die Sach vorzutragen, alle Umstände reiflich zu erwägen. Damit aber hierinfalls keinem ein Unbild oder Unrecht geschehe, sagt der Fuchs, also ist nothwendig, den Augenschein einzunehmen, wie sich der Handel hat zugetragen. Begeben sich dahero alle drei zu dem Felsen. Der Fuchs schüttlet den Kopf und läßt sich verlauten, als komme es ihm unmöglich vor,[218] daß die große Schlang in diesem Loch sey gestecket. Mein, Schlange gehe her, und zeig mirs, wie bist du darinnen gewest? Die schlieft hinein; der Bauer mußte den Stein fürwälzen; alsdann fragt mehrmalen der Fuchs: meine Schlang, ist es also gewest? Ja, ja, ganz natürlich ist es also gewest! Nun, nun, antwortet der arge Fuchs, ist es also gewest, so solle es also verbleiben. Dergestalten war der Bauer aus seiner Gefahr errettet, und voller Freuden dem Fuchsen versprochen, er solle früh Morgens um 7 Uhr im Haus auf eine gute Hennensuppe erscheinen. Der Bauer kommt etwas spät nach Haus, wessenthalben das Weib das Gestirn schon mit trotzigen Runzlen ausgespalirt und den armen Mann mit rauhen Worten bewillkommt. O mein Weib, sagt der Bauer, wann du sollt wissen, wie es mir ergangen, du würdest weit anderst reden! meine guldene Urschel, du hättest bei einem Haar deinen Mann verloren! Gedenke, was mir für ein Unstern begegnet: in augenscheinlicher Lebensgefahr bin ich gewest! und erzählet ihrs mit allen Umständen; doch hat der Himmel einen ehrlichen Fuchsen zu mir geschicket, der hat mich durch seinen Witz wunderbarlich erlediget: dessentwegen ich ihm aus schuldigster Dankbarkeit all unsere Hennen versprochen, und Morgen – wills Gott – in der Früh um 7 Uhr wird er dieselbigen abhohlen. Was? hohlen? sagt sie – Hennen hohlen? meine Hennen hohlen? hohl dich der Teu! was hast du mit meinem Gflüglwerk zu schaffen, du Schmarotzer? wer wird dir nachmals die Eier legen? du Bengel, du Büffel! komm mir nur der Fuchs, ich will ihm schon einen hölzernen Vergelts Gott zu[219] verkosten geben! Der arme Fuchs wußte um all diese Bosheit nichts; dahero ist er in der Früh in guter Sicherheit und Vertrauen in das Haus kommen, hoffte denselbigen Tag eine absonderliche Mahlzeit. Kaum aber, daß er einen guten Morgen abgelegt, hat ihn die Bäurinn mit einem Scheit Holz den Rückgrab eingeschlagen, daß also der arme Fuchs in diesen seinen Todesnöthen nichts mehrers lamentirt, als die Undankbarkeit der Welt, wie solche das Gute mit dem Bösen so vielfältig vergelte und bezahle.

Was kann besser die Wahrheit an den Tag geben als dieses Gedicht? und seynd fürwahr die Poeten nicht allezeit Phantasten, wann sie eine dergleichen lehrreiche Fabel phantasiren, in welcher ganz natürlich entworfen ist der jetzige Welt-Dank. Wie oft sehen wir, hören wir, greifen wir dergleichen Undankbarkeiten! und ist nit vonnöthen, alte Bücher und Geschichten zu citiren, welche dergleichen Laster häufig vortragen, sondern man hat ganz frische und nagelneue solche Begebenheiten. Es hat nit allein Moses von seinen Israeliten, nit allein David von seinem Saul, nit allein Agrippina von ihrem Nero, nit allein Amalsinthia von ihrem Theodato, nit allein Cicero von Augusto, nit allein Menelaus von dem Paris einen solchen üblen Lohn darvon getragen; sondern auch ich, und du, und ihr – besinn dich wohl – haben viel Uebelthaten für Gutthaten, Gift für Honig,[220] Goschen für Groschen, Spieß für süß darvon getragen. O Judas-Brüder!

Aber doch wäre die Undankbarkeit des Menschen gegen den andern noch zu verschmerzen, und verdient diese nur eine Höll; aber die Undankbarkeit gegen Gott verdienet mehr Höllen. Nit so grausam – ist gewiß – ist das Pantherthier in Libia; nit so erschrecklich – es ist wahr – ist das Tiegerthier in Hircania; nit so wild – es ist nit anderst – ist das Krokodil in Egypten, wie da ist die Undankbarkeit gegen Gott. Wessenthalben sein göttliches Herz nichts mehr schmerzet, als solcher Undank. Dahero gedenk nur, daß dir dein Kruzifix in der Stube auf deinem Altärl also zurede:


Siehe Mensch, wohin ich kommen bin,

Was Pein ich übertrage,

Ich stirb für dich und geh dahin,

Hör', was z'letzt ich noch klage!

Siehe an die Wunden, so für dich

Dermalen ich empfangen,

Siehe an die Nägel, an welchen ich

Am Kreuz für dich gehangen;

Und ob schon groß all Schmerzen seyn,

Die ich bisher empfunden,

Ist dieses doch mein' größte Pein

Ueber alle Stich und Wunden,

Daß, da ich all mein Blut hergab,

So viel ausstund der Schmerzen,

So schlechten Dank empfangen hab,

Das schmerzet mich von Herzen.


Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 2, S. 151-221.
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