Besuchung des heiligen Grabes

[67] Kommt Sterbliche/ die ihr die Gräber scheuet/

Besucht mit mir/ was mich im Geist erfreuet/

Und könt ihr nicht nach Palestina gehn/

So bleibet hier in Andacht stille stehn.


Es prangt die Welt mit ausgeschmückten Zimmern/

Hier blinckt Crystall und dort muß Silber schimmern/

Der Herr der Welt/ den sie gestossen auß/

Entlehnet ihm ein schlechtes Todten-Hauß.


Der Lebens-Fürst/ durch den wir alle leben/

Läst sich verschmacht ins Grab zu ruhen heben:

Die Sonne/ die der Sonne gab den Schein/

Senckt sich erblaßt in finstern Winckel ein.[67]


Weil Adam must aus Schuld vom Garten scheiden/

Fieng Christus auch im Garten an zu leyden.

Im Garten wird er nun zur Ruhe bracht/

Weil diese Schuld ist wieder gutt gemacht.


Im Garten blüht die edle Sarons-Blume/

Das Paradieß wird uns zum Eigenthume.

Den Saamen und die Zwiebel stecken wir/

Doch bricht heraus die schönste Blüth herfür.


Du stille Grufft/ in harten Felß gehauen/

Man wolte dir den Felß des Heyls vertrauen/

Gleichwie ihn nicht mag halten deine Klufft/

So öffnet er auch künfftig unsre Grufft.


Du dunckles Hauß/ in festen Stein gebauet/

Wer ist/ dem noch für solcher Wohnung grauet?

Es hat dich ja der Glantz der Herrligkeit/

Und unser Grab zugleich mit eingeweyht.


Es darff ihn nicht die Schaar der Wächter hütten/

Ich will für mich derselben Stell erbitten/

Ich will bey ihm mein Hertze schliessen ein/

So werd ich auch mit ihm erwecket seyn.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 2, S. 67-68.
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