[So giebt Lorette nun dem Kräntzgen gutte Nacht]

[127] So giebt Lorette nun dem Kräntzgen gutte Nacht/

Und will sich allgemach zum Frauen-Netze schicken?

Der Gärte reicher Schmuck/ der Blumen Krone Pracht

Soll izt ihr Silber-Haar nicht mehr wie vormahls schmücken?

Was schadets/ wenn nur noch die Scham-gefärbten Wangen/

Der roth-geküßte Mund mit Ros- und Nägeln prangen![127]


Den Lippen gleichet sich die Zucker-Rose nicht/

Die Liljen/ die bey ihr auff Hals und Brüsten schweben/

Die Tulipen/ die ihr beblümen das Gesicht/

Sind Blumen die mehr Glantz und Anmutt von sich geben;

Als wenn ihr Rubars Zier und Spanjens Gelsamiuen/

Ja Florens gantzes Reich zum Krantze müsten dienen.


Zwar Kräntze sind beliebt/ auch in der Götter Hauß/

Ein rund-geflochtner Zweig muß Nimph- und Helden zieren/

Der Himmel schmückt sich selbst mit Sternen-Kräntzen aus/

Läst Kräntz um Sonn und Mond und andre Lichter spüren;

Doch wenn die Sonne brennt/ wünscht man ihn mit Verlangen

Vom Schleyer brauner Nacht/ der Wolcken Haub/ umhangen.


Es hüllt sich alle Welt in Schaub- und Hauben ein;

Soll sich Lorett allein der Mode nicht bequemen.

Der Himmel will heut selbst mit ihr gehaubet seyn/

Daß sie sich nicht allein des Häubgens dörffe schämen.

Wir sehn auch izt das Feld mit Faden übersponnen/

Was Wunder/ wenn Lorett ein gleiches hat begonnen.


Den Erden/ Krantz verderbt der ungestüme Nord/

Des Herbstes rauhe Lufft macht Blum und Laub entfliehen:

Hier bläst ein warmer Sud die welcken Blätter fort/

Und macht den bunten Krantz der Liebe Glutt verblühen:

Wann jene früher Frost und scharffer Reiff entfärben/

So kan wohl dieser auch von heissem Thau ersterben.


Man geht bey Tag und Nacht mit Garn und Netzen aus/

Manch leichtes Feder-Kind mit Lust und List zu fangen;

Was ist die Haube denn? der Freyheit Vogel-Hauß/

Ein Netze/ nach der Jagt zur Siegs-Pracht ausgehangen.

Muß hier die Jägerin gleich selbst im Netze liegen/

So zeuget solches doch von ihrem Fang- und Siegen.


Nun Bräutel/ gib mit Lust dem Kräntzgen gutte Nacht/

Laß Venus Sieges-Fahn um deine Scheitel fliegen/

Und dencke/ weist der Krantz gleich mehr von Gelder-Pracht/

So weiß die Haube mehr von würcklichem Vergnügen.

Das Glücke wird dein Netz aus edler Seyde weben/

Die Zeit viel neuen Zeug zu Kräntz- und Hauben geben.

Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 4, S. 127-128.
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