Wahre Freundschafft/ Sechstinne

[129] Was ist das höchste Gutt auff diesem Erdenkreiß?

Es halten ihrer viel davor den theuren Koth

Der Erde gelbes Marck/ das man mit strenger Hand

Aus fest-verschloßner Schos der großen Mutter reist/

Sie setzen gegen Gold die Seele selber auff/

Im Fall sie lachet an ein Nutzen und Gewinn.


Was ist auff dieser Welt der edelste Gewinn?

Viel schätzen sich vor reich/ im Fall der Riegelkreiß

Erdienter Herren-Gunst gehoben aus dem Koth

Ihr vor verachtes Haubt/ im Fall die Gnaden-Hand

Des Fürsten sie erhöht und aus dem Staube reist/

So bläset sich ihr Sinn aus allen Kräfften auff.[129]


Was hebet man mit Recht vor alle Gaben auff?

Es nehmen ihrer viel den kurtzen Jahr-Gewinn/

Dadurch erweitert wird der enge Lebenskreiß/

Vor Ehre/ Geld und Gutt/ sie kleben an dem Koth

Der irrdnen Sterbligkeit mit Hertze/ Mund und Hand/

Biß sie zulezt davon ein traurig Ende reist.


Was ist darnach man sich mit bestem Rechte reist?

Was nur den geilen Leib zur Freude muntert auff/

Diß acht der meiste Theil der Menschen vor Gewinn/

Da doch so lange Zeit den rundten Jammerkreiß

In Ach und Weh bewohnt der schwache Bau von Koth/

Verwechselt Leyd und Freud einander reicht die Hand.


Was ist zu nehmen an mit ausgestreckter Hand?

Nicht stoltze Wissenschafft/ die von der Erde reist

Den Wind-gefüllten Sinn/ zu steigen Himmel auff/

Die vielen zwar verheist der Ewigkeit Gewinn/

Doch wenn sich kehret um der Ehre falscher Kreiß/

Wird durch der Feinde Grimm gestürtzet in den Koth.


Geld/ Gnade/ Zeit und Lust und Wissen fällt in Koth/

Ein treuer Jonathan des Freundes rechte Hand/

Der von dem Freunde sich in keinen Nöthen reist/

Der Gutt und Blutt vor ihn mit Freuden setzet auff/

Ist/ meinem Sinne nach/ der edelste Gewinn/

Den uns gewähren kan der Erde Kugelkreiß.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 4, S. 129-130.
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