3. Scene.

[28] Vorige. Blinte. Engel. Hans. Bauern.


ENGEL. Da ist er! – Münzer, die Feinde sind gegen uns im Anzug, der Landgraf von Hessen, heißt es, ist mit 10000 Mann gegen uns aufgebrochen – sollen wir uns waffnen und ihm entgegenrücken?[28]

MÜNZER. Nein!

BLINTE. Nein – nein – da hört ihr's wieder! Seiner Unfehlbarkeit beliebt, uns hier still liegen und hinschlachten zu lassen wie die Maccabäer. Willst du uns wohl sagen, weshalb wir nicht marschiren?

MÜNZER. Weil ich es nicht für gut befinde.

BLINTE. Hört ihr's – er findet es nicht für gut. Das muß euch genügen, Strohköpfe! Packt euch nach Hause! Er findet es für besser, hier sein Schöppchen im Klosterkeller zu trinken. Geht also nach Hause.

MÜNZER für sich. Geist Korah's, regst du dich?

ENGEL. Nein. Wir wollen uns nicht immer mit diesen Antworten abspeisen lassen. Steh' uns Rede! Hier haben wir alle gleiche Rechte, keiner soll mehr sein als der andere. Wir haben unser Gut und Leben auf's Spiel gesetzt, um unsere Kragen wird hier gewürfelt, wir wollen sicher sein, daß uns wenigstens die eigenen Führer nicht im Spiel betrügen.

MÜNZER für sich. Volksgehorsam! Jeder ist sein eigener Moses und Cäsar.

ENGEL. Warum quälst du uns hier Tag um Tag mit nutzlosen Exerzierübungen ab? Thörichte Spielerei!

PFEIFER. Warum führst du uns nicht gegen den Feind?

BAUERN. Gegen den Feind – wir wollen marschiren.

BLINTE. Was thust du Tag um Tag Geheimnißvolles im Kloster? Ein ehrlich Unternehmen wie das unsere bedarf keiner Heimlichkeiten.

BAUERN. Er unterhandelt heimlich mit den Adligen.

ENGEL. Man hat vermummte Boten gesehen, die sich des Nachts hierherschleichen –

BAUERN. Weh uns – wir sind verrathen –[29] antworte – vertheidige dich! Gieb uns Aufklärung! – Wir wollen wissen, wie es mit uns steht. –

MÜNZER. Das ist zu viel! Schweigt, Gesindel! Ist das der Gehorsam, den ihr gelobt? Kleinmüthige, Feiglinge – da der Befreiungskampf noch kaum begonnen, zagt ihr, mißtraut ihr? Mir mißtraut ihr, dessen ganzes bisheriges Leben ein Kampf für eure Befreiung gewesen ist, den ich unter den furchtbarsten Fährnissen gekämpft? Ihr ungeübten wilden Haufen wollt so wie ihr seid gegen die eisengepanzerten Reisigen des Landgrafen von Hessen laufen, der, gewarnt durch die Kämpfe früherer Jahre, seine ganze Mannschaft bisher ununterbrochen auf den Kampf mit uns eingeübt? Aber ich werde sie von euch entfernen, die Buben, die euch tagtäglich in den Ohren liegen und euch das Gift der Unbotmäßigkeit und des Mißtrauens einflößen, indeß sie honigsüß zu euch von Freiheit und Gleichheit schwatzen. Die Wolke meiner Langmuth reißt einmal, Peter Blinte, und der Blitz des Zorns zuckt hervor. Zu Pfeifer. Du mein alter Waffengefährte aus den Gefilden Schwabens und des Elsaß – kein Stahl auf die Brust des Einen gezückt, den der Andere nicht aufgefangen – und murrst jetzt gegen mich? Zu Hans. Du, den ich mit diesen Händen aus den Klauen der adligen Räuber befreit – du lehnst dich gegen mich auf, ohne den dich heut' schon die Würmer speisten?


Pause.


PFEIFER. Vergieb mir, Thomas.

HANS. Ich erröthe bis in den Grund meiner Seele. – Brüder, ist dies der Dank, daß er als der erste den Ruf zur Befreiung in unseren Gauen ausgestoßen? Schämt euch. Wer ein braver Bauer ist, rufe mit mir: Hoch Münzer, unser Meister!

EIN THEIL DER BAUERN. Hoch Münzer!

MÜNZER für sich. Rohr im Winde! Und mit ihnen soll ich Eichen entwurzeln.[30]

BLINTE. Aber was thut die Grafendirne noch im Lager? Ihr ganzes Geschlecht hat uns mißhandelt und beleidigt – sie soll als Sühne sterben.

MÜNZER. Ein wehrlos Weib wollt ihr hinschlachten? Was kann sie für die Grausamkeit der Männer ihres Geschlechts?

BLINTE. Sie sterbe, damit sie nicht adliges Gezücht zur Welt bringe, das uns vernichtet.

MÜNZER. Seht ihr nicht, daß sie uns hier lebend im Lager als Geisel viel wichtiger ist, denn todt? Daß wir durch sie ihr ganzes Haus in Banden halten? – Ist einer unter euch, der mir mißtraut – er trete vor und rede! Pause. Wer mich als Verräther anklagen will – er soll das Wort haben. Pause. Nun wohl, ich sage euch: ihr seid alle Gottes Kinder, seid gleich geboren und sollt gleichen Antheil haben an Besitz und Genuß im Frieden – jetzt aber ist Krieg, und im Kriege soll nur einer herrschen, und alle Freiheit und Gleichheit ist aufgehoben, bis wieder Frieden über der Welt ruht. Ich werde euch zum Siege führen, ich schwöre es euch bei dem Höchsten – wer aber gegen den geringsten meiner Befehle nur aufzublicken wagt, der hat die Sonne zum letzten Mal aufgehen sehen: merke dir das wohl, Peter Blinte!

LÄRM draußen vor der Scene. Hinein, hinein mit ihm, führt ihn vor den Meister!


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 28-31.
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