Die letzten Dinge, nein, die ersten

[137] Ich hasse, nein, ich verachte die Männer, die »genügsam« sind.

Inwiefern nämlich genügsam?!

Daß sie mit den Chancen, den Möglichkeiten ihres doch so zarten und wechselvollen Daseins vorzeitig Abrechnung machen, Kassa-Schluß, End-Bilanz, also direkt-indirekt »lebendigen Tod«!

»Begeisterung« für eine Schönheit, eine »Lieblichkeit« ist die »elektrisch-magnetische« Kraft unserer Maschinerie.

Weil die meisten Männer diese emsige Begeisterung, diesen Strom von Spannkräften in ihrer armseligen, leicht explodierbaren Maschinerie nicht aushalten, haben sie aus unbewußtem Selbsterhaltungs-Triebe das perfid-blödsinnige Bedürfnis, die »Angebetete« reell in Besitz nehmen zu dürfen! So bald als möglich.

Dadurch wird ihre Begeisterung abgekühlt, fühlen sie, spüren sie instinktiv.

Dadurch können sie dann friedlich, mit sich im Reinen, wieder weiterexistieren. Von der Last befreit, erlöst pfui.

Existieren?! Vegetieren!

Begeisterung ist Religion des psychischen, aber siehe, auch des physiologischen Organismus!

Ohne Begeisterung retardiert die Uhr Deines Lebendig-seins, stockt, bleibt zurück, versagt den Dienst!

Wird jedesfalls ungenial, gewöhnlich.

Wer sich vorzeitig »bindet«, ist gebunden.

[138] Begeisterung bindet nie, sie treibt die Maschinerie an, ihr möglichst Bestes zu leisten.

»Gewohnheit« ist die Amme, die uns vergiftet! Wir sind »ent-geistert«, weil nicht mehr begeistert.

Kinder, Natur-Genies, werden des noch so verehrten Spielzeugs müde, vergessen nie, daß es ein »Spielzeug« ist; nur ein Anregungs-Mittel ihres wertvollen Frohsinns!

Kinder haben »Rumpelkammern« ausgedienter Puppen!

Wollt Ihr mich täuschen, mich,

mit Eurer Ordnung, Eurer scheinbaren fadenscheinigen, Leben hemmenden Ordnung Eurer Unordnungen, die sich nur versteckt halten?!

Der Vogel Strauß vergräbt seinen dummen Kopf im Sande,

und merkt nicht, daß die geschickte Flinte auf sein dummes Herz gerichtet ist!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 137-139.
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