Gedicht

[81] Wer bist Du, was bist Du, wie bist Du?!?

Du bist dreimal hintereinander auf dem schmalen düsteren Hotel- Gange,

in der Nähe meiner Zimmertüre gesessen,

in der Hoffnung deines jungen Herzens,

ich würde aufschließen!

Du bist dreimal hoffnungslos weggegangen.

Wieso aber eigentlich hoffnungslos oder traurig oder gekränkt?!?

Du hast dir doch, 17jährige, in meinem zwar alten, aber immer

noch empfindlichen Herzen ein ewiges Denkmal dadurch gesetzt,

wie die alten Römer sich ausdrückten, aere perennius!

Deine Stunden auf meinem schmalen düsteren Hotelgange, nächst der Türe Nr. 33, sind keine verlorenen!

Sie haben Dir in der Erinnerung an Deine mysteriöse Anhänglichkeit eine Seele gewonnen!

Ich habe nie geahnt, daß Du mich brauchst – – –

aber daß Du gewartet hast,

Stunden lang vor der geschlossenen Türe,

drei Tage lang, und es mir nur

zufällig nachträglich berichtet hast,[81]

weil ich zufällig fragte: »Weshalb haben Sie sich so lange nicht um mich umgeschaut und gekümmert?!«

Da sagtest Du schlicht: »Gekümmert?! Ich bin drei Tage lang Stunden lang vor Ihrer Türe gesessen,

aber sie ging für mich nicht auf!«

Mädchen, und Das hältst du für

verlorene Stunden deines jugendlichen Daseins?!?

Mädchen, es sind Deine reichsten, wertvollsten!

Bedenke es!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 81-82.
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