Aus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem Lächeln?!?

[167] Am Tage, an dem man erfahren hat, daß man einen Haupttreffer gemacht habe, verdaut man Speisen leicht, die man tags vorher noch hätte erbrechen müssen!


Vor dem Falle

Sie wehrt sich mit ihren letzten Kräften, die sie aber gar nicht mehr hat – – –.


Zwei Arbeiter gehen hinter einem Mädchen, das wunderbare aschblonde Haare hat: »Jessas, Jessas, de Haar, de möcht' man ins Maul nehmen, so schön sein's!«


»Von deinen Küssen, Teurer, erhält meine weiße Haut keine rosigen Flecke. Du hast also kein Temperament – – –.«

»Ich habe Achtung und Sorge um die Schönheit deiner Haut. Das ist mein Temperament!«


Die Art, eine Wagendecke zu richten, kann oft mehr Liebe und Freundschaft beweisen als Worte und Briefe und Taten!


Einziger wirklicher Triumph eines männlichen Herzens – – eine wirklich reuig Zurückkehrende.


Antlitz, Auge, adelige Hände und Finger sprechen oft laut und vernehmlich für die schweigende verstummte Frau von ihren eingesargten Träumen!
[167]

Die wunderbare junge Spanierin sagte mir über meinen Brief: »Votre lettre – – – je comprends, que vous me comprenez – – – c'est tout ce qu'il nous faut – – – c'est' plus!«


Wunsch:

Ich möchte, daß eine geliebte Frau noch immer zärtlicher und liebevoller ein Blumenbeet im Garten anblicken könnte als mich – – –.


Manche Menschen sind schon ganz verkommen, und noch immer verraten ihre adeligen Gliedmaßen die Intentionen Gottes, die sie nicht realisiert haben!


Wenn man Romeo auf Ehre und Gewissen, das eben kein Romeo besitzt, fragte, ob er es denn sich wirklich zugetraute, die geliebteste Julia ganz, ganz glücklich zu machen, so müßte er erwidern:

»Ich glaube, mein Herr, für einige Wochen langt es gerade – – –«.


Die Seelen der Ehebrecher sprechen bereits miteinander, und derjenige, der um sein Glück ängstlich zittert, hört doch nur die Worte: »Guten Abend!« und »Wie geht es Ihnen?!?«!


Es gelang dem Tierbändiger, es den Tigern weiszumachen, daß er mächtiger sei als sie. Es gelang dasselbe dem Gatten bei seiner süßen renitenten Frau. Aber der Tierbändiger ist anständiger. Er sagt nie: »Sie brauchen das zu ihrem Glücke!«
[168]

Er war sehr musikalisch und verachtete die Frauen! Das heißt, er erwartete sehnlichst und vergebens eine, die so wirkte wie Beethovens Adagios und Schubert-Lieder!


»Niemand hätte gedacht, daß es mit ihm so schnell zu Ende gehen würde ...« Weil sich niemand die Mühe genommen hatte, es zu beobachten!


»Ich glaube, es ist ein Sport von Ihnen, zerrissene Schuhe zu tragen!« Am nächsten Tage fand man ihn erhängt.


Prinzip! »Ich habe es mir einfach zum Prinzip gemacht, meine Briefe nicht herzuzeigen und basta«, sagte sie zu ihm. Da schlief er die ganze Nacht nicht, hatte am nächsten Tage schreckliche Migräne und versäumte eine wichtige geschäftliche Angelegenheit. Auch aß er keinen Bissen zu Mittag.


»Ich halte Bananen für das gesündeste Obst!«

»Weshalb essen Sie sie dann nicht selber?!?«

»Kann die Zuträglichkeit einer Frucht durch mein persönliches Verhalten ihr gegenüber größer oder geringer werden?«


»Sie predigen Wasser und trinken Wein, mein Lieber!?!«

»Wäre es nicht ein größeres Verbrechen, Wein zu trinken und ihn auch noch zu predigen?!?«
[169]

Es gibt zweierlei Arten von Nebenmenschen. Die, die jenen hassen, der besser französisch spricht wie sie selbst. Und die, die ihn um dessentwillen lieb haben. Diese letztere Sorte gibt es aber überhaupt noch nicht!


»Machen Sie sie eifersüchtig mit Frau B. Da wird sie schon ›gekrochen‹ kommen!«

»Ich will aber gar nicht, daß sie ›gekrochen‹ kommt!«


»Sie ruinieren uns alle Frauen, mein Herr Dichter, indem Sie Ihre Ansprüche an den Mann und seine Art und Weise vergrößern!«

»Ich sehe es ein, daß es taktlos von mir ist, die Frauen darauf aufmerksam zu machen, daß der Mann ein Wesen von unendlicher Kultur sein sollte!«

»Wohin kämen wir, bitte, wenn wir nur immer Idealen nachhängen würden?!?«

»Zu den Idealen!«


Ausspruch einer wunderschönen jungen Frau

Es ist das Seltenste auf der Welt, einen Mann zu finden, der einen ununterbrochen entschädigte für die vielen Liebhaber, die man seinetwegen nicht erhört hat!


»Das Leben ist kompliziert«, sagte sie und tat nur, was ihre momentane Laune ihr eingab.

»Das Leben ist einfach«, sagte sie und tat nur ihre Pflicht.[170]

Man wird einmal so überempfindlich werden, daß man die Eifersuchtsqualen eines liebevollen Herzens, die man erzeugt, wird miterleben können. Dann wird man auch den rohen Mut verlieren, sie diesem Herzen aufzubürden! Aber dazu muß man dekadent werden, das heißt »überempfindlich«!


Mein Kind zertrat einen Maikäfer. Ich sagte zu ihm: »Denke dir ein Reich der Riesen. Da kommt einer und zertritt dich! Kein Papa mehr, keine Mama, keine Kinderfrau Mimi, kein Onkel Karl. Du bist ein Brei. Und weshalb? Niemand weiß es«.

Mein Kind dachte: »Philosophieren, gut! Aber nur net schlagen!«


»Meine Frau langweilt sich an meiner Seite!«

Tiefste psychologische Erkenntnis, die es überhaupt gibt. – – –

Weshalb schrieb noch niemand das Drama: »Langweile«?!? Das wirklich Tragischeste, das existiert?!!


»Ich will eigentlich immer verhätschelt werden. So war es bei meiner Kinderfrau Baba, so ist es nun bei Herrn Karl. Aber mein Gatte betrachtet mich als einen erwachsenen Menschen«.

»Das ist ein großes Unrecht von ihm – – –.«


Die Frauen sind die gefährlichsten Alkoholiker. Sie brauchen ununterbrochen »Räusche«. Sie wollen nicht zum Bewußtsein ihrer selbst kommen. Sie würden sich zu minder vorkommen. Deshalb brauchen sie Räusche, Betäubungen. Einer muß[171] ihnen ins Ohr flüstern: »Ohne dich kann ich nicht existieren«. Und ein anderer muß sich sogar ertränken ihrethalben. Von diesen Eitelkeitsgiften fristen sie ihr Dasein. Betäubung und Berauschung! Nüchtern würden sie es unangenehm und blamierend empfinden, daß sie nicht einmal es wissen, wie man Oxfordhemden in der Wäsche zu behandeln hat!?!


Man kann einen »wirklichen Menschen« wittern an einem Nichts, wie die edlen Hunde das Wild.


Ich sagte zu einem fünfzehnjährigen Mädchen, das sparte und sparte, nur um in eine Wagneroper gehen zu können, jeden Monat auf einen bequemen Sitz:

»Und würden Sie einen Mann lieb haben können, der für diese Dinge kein Verständnis hätte?!?«

Sie erwiderte: »Ein Mann, der nicht Musik liebte, ist für mich kein Mensch. Es ist ein wildes Tier! Wie verstünde er mich, eine mir selbst unverständliche Lebenssymphonie


Die Menschen vertragen das flache Geschwätz. Aber nicht das tiefe Schweigen! Da sagen sie alsbald: »Heute sind Sie nicht sehr amüsant! Was ist Ihnen?!? Ist Ihnen etwas über die Leber gelaufen?!? Wirklich, bei Ihnen kennt man sich nicht aus – – – Kommen Sie zu sich, mein Herr – – –«. Eben dort aber war man!


Die Engländerin

»O mein Freund, was nützt mir da deine große Liebe, wenn du mir bei der Türe nicht den Vortritt läßt?!?«
[172]

Eine Dame zu ihrem Geliebten, der es etwas an Takt und Geschmack fehlen ließ; »Omne animal post coitum unhöflich!«


Gespräch zwischen zwei kleinen Knaben

»Wer ist dir lieber, der Moses oder der Rübezahl?!«

»Natürlich der Moses!«

»Mir der Rübezahl. Der Moses muß alles tun, was Gott ihm anschafft, aber der Rübezahl tut, was ihm paßt!«


Es gibt einige Worte, bei deren Nennung angeblich kultivierte Damen noch immer beunruhigt werden: »Syphilis, Hure, Päderast, Lesbierin –«. Wie wenn ein Botaniker beunruhigt würde durch die Worte: Tollkirsche, Schirling, Bilsenkraut –!?


Es gibt nur eigentlich ein einziges Laster, die Eitelkeit. Sie ist ungoetheisch. Sie führt uns statt in die Welt, zu uns selbst zurück! An den Anfang statt an das Ende!


Der Stammtisch

Herr Peter ließ sein drittes Krügel »Löwenbräu« stehen, verließ vorzeitig den Stammtisch. Zu ihr, zu ihr!

»O Peter, was hast du davon?! Sie hat einen schmucken jungen Gatten und vielleicht noch einen anderen. Was also hast du davon?!«
[173]

»Ich habe davon die treibende Kraft in mir, etwas Liebgewohntes, Stammtisch und Bier, verlassen zu können!«


Aus einer Frau eine Kirche machen! Was nützte es mir denn, das Steinepos des Domes, die baumlangen Kerzen, den Duft des Weiherauches auf ihr Wesentliches zu reduzieren?!? Es gibt nur eine einzige Impotenz, die Dinge nicht mehr mit dem Reichtum der eigenen Seele ausstatten zu können!


Dichter

Jemand schrieb über mich: »Und wenn man wirklich noch daran zweifeln könnte, daß man es hier mit einem gottbegnadeten Dichter zu tun hat, so lese man nur die kleine Geschichte von dem siebenjährigen Kind!«

Aber gerade diese Geschichte hat mir die Mutter dieses Mäderls wörtlich mitgeteilt.

»Aber diese einfache Sache für wert zu halten, sie den anderen mitzuteilen, mein Herr?!?«

»Jawohl, das heißt ein Dichter sein!«


Dialog

»O, geliebtestes Geschöpf dieser Erde, du errötest, du erbleichst in Gesellschaft dieses Mannes –. Brauchst du ihn vielleicht für dein wenn auch nur momentanes Glück?!?«

»Geliebtester, indem du mich so in edler Herzensangst befragst, löst du den ›bösen Zauber‹, der mich bannte! Ich glaubte ihn zu brauchen bis dahin – – –.«
[174]


Dekadenz – Aszendenz!

Es gibt Menschen, die bereits so empfindlich reagieren auf Reizungen, daß sie bei einer zugeschlagenen Türe ohnmächtig werden könnten. Infolgedessen wird man sich allmählich bemühen, Türen vornehmleise zu schließen!


Kultur

Wenn es also wahr ist, daß sanftmütigstes rücksichtsvollstes Benehmen Frauen auf die Dauer langweilig und reizlos wird, dann – – – wollen wir ihnen lieber fade und reizlos werden![175]

Quelle:
Peter Altenberg: Märchen des Lebens. Berlin 7–81924, S. 167-176.
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