Der Abendspaziergang

[251] »Geh', nimm mich mit, mein Freund, auf Deinem Abendspaziergange! Oder möchtest Du vielleicht lieber allein sein?!?«

»Ja, ich möchte allein sein – – –.«

Schweigen.

»Siehst Du, und ich könnte einen Spaziergang nur wirklich geniessen, wenn Du mit dabei wärest – –.«

»Du?! So?!«

»Und Du nicht, Du nicht, Du nicht – – –!«

»Nein, ich nicht.«

Schweigen.

»Verzeihe es mir, mein Freund, mein Geliebtester! Und gehe!

Wir soupiren aber Punkt 9!

Wir werden warten, wenn es später wird!

Komme wann immer!«

Er ging.

Er kam Punkt 9.

Friede, Friede, Kraft, Kraft hatte die schweigende Natur in ihn hineingegossen; er fühlte sich gefestet, gesichert, concentrirt; wie zum Extracte seiner selbst geworden!

»Du bist bleich – – –« sagte er.[251]

»Du isst nichts – – –« sagte er.

»Du bist wie krank – – –« sagte er ergriffen.

Schweigen.

»War es schön?!?« sagte sie sanft.

»Schön war es!« sagte er hart.

Da nahm sie seine Hand, küsste sie und sagte: »Verzeihe es mir – – –.«

Dann versuchte sie, zu essen.

Friede, Friede, Kraft, Kraft flohen aus ihm und entschwanden.

Da sagte er: »Nächstens nehme ich Dich auf den Spaziergang mit. Es ist besser.«

»Besser? Besser?«

»Schöner! Schöner!«

»Oh – – –« sagte die armselige Erpresserin und bekam ein ganz seeliges Gesichterl![252]

Quelle:
Peter Altenberg: Was der Tag mir zuträgt. Berlin 12–131924, S. 251-253.
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