Wie ein Bild – – –

[175] Es war ein kleines, ganz kleines Gärtchen – –.

Rund herum wuchsen dichte Stachelbeerstauden, mit dicken glänzenden rothen Träubchen.

Alles war roth und dunkelgrün.

An den kleinen Kieswegen standen, dicht gedrängt, graugrüne Nelkenstämme mit grossen rothen Nelken.

Die dufteten und dufteten – – –.

Es war Abend.

Auf einer Bank sass ein junges Mädchen, in einem dünnen rothen seidenen Kleide.

Sie träumte: »Ich liebe Ihn – – –.«

Nebenan war ein kleines, ganz kleines Gärtchen –.

Rund herum wuchsen dichte Stachelbeerstauden, mit dicken glänzenden weissgelben Träubchen.

Alles war weiss und dunkelgrün.

An den Kieswegen standen, dicht gedrängt, graugrüne Nelkenstämme mit grossen weissen Nelken.

Die dufteten und dufteten – – –.

Auf einer Bank sass ein junges Mädchen, in einem dünnen weissen seidenen Kleide.

Sie träumte: »Liebe ich Ihn – – –?!«

Der Mond ging auf.

Der rothe Garten und der weisse Garten glänzten im gelbgrünen Silber des Mondlichts – – –.[175]

In der kleinen Villa mit dem rothen Gärtchen schimmerte in den Fenstern goldgelbes Kerzenlicht.

Das junge Mädchen in rother Seide fröstelte.

Sie stand auf und ging hinein – – –.

In der kleinen Villa an dem weissen Gärtchen blieben die Fenster dunkel.

Das junge Mädchen in weisser Seide fröstelte.

Aber sie blieb sitzen und träumte – – –.

Es war Nacht.

Über den Gärtchen lag das Mondlicht – – –.

Die rothen Nelken und die weissen Nelken und die dunkelgrünen Stachelbeerblätter waren nass und schimmerten – – –.

In der Villa an dem rothen Gärtchen schlief ein junges Mädchen – – –.

Der Mond schien auf den rosigen Leib und auf die rothe Seide am Sessel.

Sie träumte: »Liebe ich Ihn – – –?!«

In der Villa an dem weissen Gärtchen schlief ein junges Mädchen.

Der Mond schien auf den schneeweissen Leib und auf die weisse Seide am Sessel.

Sie träumte: »Ich liebe Ihn – – –.«

Der Morgen lag mit graurother Farbe über den Gärtchen.

Alles war nass und schimmerte – – –.

Und die Mädchen zogen die Decke über den Leib und schliefen traumlos – – –.[176]

Quelle:
Peter Altenberg: Wie ich es sehe. Berlin 8–91914, S. 175-177.
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