Die ewigen Freuden der Seligen

[267] »Und ich sahe die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, zubereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne.«

Apok. 21, 2.


1

Ich bin voll Trost und ewger Freud,

Voll himmelischer Güte,

Voll Lebens, voller Seligkeit,

Voll Jauchzens im Gemüte,

Wenn ich an dich, du werte Stadt,

Jerusalem, gedenke

Und in dich meiner Sinnen Rad,

Du Liebesland, versenke.


2

Du bist ganz schön und wohlgebaut,

Ganz herrlich aufgeführet,

Kein Makel wird an dir geschaut,

Kein Ungestalt gespüret.

Du übertriffst der Sonnen Licht,

Dein Ansehn glänzt von ferne

Weit über Himmels Angesicht,

Wenn er voll goldner Sterne.


3

Die Mauern sind hoch aufgespitzt,

Ganz schußfrei, voller Türme,

Sie lachen, wenn es kracht und blitzt,

Sie fürchten kein Gestürme.

Die Steine sind dem Jaspis gleich,

Durchscheinend wie kristallen,

Der Grund ist köstlich, stark und reich,

Kann ewig nicht zerfallen.
[268]

4

Sie funkeln, daß auch fast's Gesicht

Vergeht noch auf den Grenzen,

Dort leucht des Chalzedoniers Licht,

Da steht der Goldstein glänzen.

Dort blickt der Sardonyk hervor

Mit seinen schönen Wangen,

Da steigt der Amethyst empor,

Mit Purpur reich behangen.


5

Dort färbet sich der Karneol,

Da spieln die Hyazinthen,

Hier sieht man den Chrysopras wohl

Und den Topas dort hinten.

Wie schöne scheint das Himmelblau

Der würdigen Saphiren,

Wie grünet das Smaragdes Au,

Wie kann Beryll sie zieren.


6

Unglaublich ist der Pforten Pracht,

Ein jed (ich muß's doch sagen)

Ist nur aus einer Perl gemacht

Und wunderlich beschlagen.

Es ist nur ein Stück und dabei

So künstlich ausgeätzet,

Daß man das Werk allein ganz frei

Für unvergleichlich schätzet.


7

In allen steht ein Seraphin

Mit herzlichem Verlangen,

Der pflegt mit großem Freudensinn

Die Pilger zu empfangen.[269]

Er heißet sie willkommen sein

Mit freundlichen Gebärden

Und führet sie frohlockend ein,

Daß sie da Bürger werden.


8

Die Gassen alle sind durchaus

Mit klarem Gold gebrücket,

Es ist kein Ort, kein einzigs Haus,

Welchs nicht das Aug berücket.

Man weiß schier nicht, wo mans Gesicht

Zum ersten hin soll wenden,

Ein solches übertrefflichs Licht

Sieht man an allen Enden.


9

Dies Licht kommt nicht vom Mondenschein,

Nicht von der Sonnen Strahlen,

Es fällt auch nicht vom Blitz hinein,

Der alls im Hui kann malen.

Es ist das Licht der Herrlichkeit,

Die wesentliche Sonne,

Die Flamme der Durchläuchtigkeit,

Gott selbst und seine Wonne.


10

Glückselger Pilger, der du hast

Den Weg hieher genommen

Und bist zu deiner Ruh und Rast

In diese Herberg kommen.

Hier kannst du deine matte Brust

Für alle Müh ergötzen

Und dir mit tausendfacher Lust

Die kurze Qual ersetzen.
[270]

11

Die Häuser alle sind gebaut

Von weißem Alabaster,

Von Marmel, den man ganz durchschaut

Gleichwie das goldne Pflaster.

Dem kleinsten, das darinnen steht,

Ist keine Stadt zu gleichen,

Es kann (so hoch sind sie erhöht)

Ihm First kein Turm erreichen.


12

Die Fenster sind von Bergkristall

Aufs sauberste polieret,

Die Rahmen silbern überall

Geätzt und ausgezieret.

Der stolzen Dächer Glanz und Pracht

Ist Schmelzwerk bestermaßen,

Vom teuersten Metall gemacht

Mit wunderlichen Straßen.


13

Die Zimmer drinnen sind staffiert

Mit Kunsttapezereien,

Mit schönsten Bildern ausgeziert,

Die einem's Herz erfreuen.

Es stehn ganz lebhaft hin und her

Der Heiligen Geschichte,

Die Reisen übers irdsche Meer

Mit günstigstem Gesichte.


14

Bei jedem ist bald hinten dran

Ein Zier- und Blumengarten,

Da schaut man, was man wünschen kann,

Von Blumen tausend Arten.[271]

Hier steigt der Lilien Schnee empor,

Da glänzen die Narzissen,

Dort ragt ein Rosenstock hervor,

Da läßt Safran sich küssen.


15

Hier ist ein Beet von Tausendschön,

Da voller Tulipanen,

Dort pflegt die Goldwurz aufzustehn

Mit ihren gelben Fahnen.

Hier zeiget sich die Anemon,

Der Nelken samtne Wangen,

Dort steht die stolze Kaiserkron

Beim türkschen Bunde prangen.


16

Alls ist mit solchem Fleiß und Kunst

So zierlich angeleget,

Daß es die Augen stracks zur Gunst,

Das Herz zur Lust beweget.

Kein Perlenhefter hat ein Tuch

So künstlich ausgesticket,

Als dieses Wunderblumenbuch

Sich ineinander schicket.


17

Aus diesem Garten kann man bald

In einen andern gehen,

In dem die Bäume jung und alt

In bester Ordnung stehen.

Da hat man mit Verwunderung

Die schönsten Frücht in Augen,

Es ist kein Stäudlein ja so jung,

Das nicht sollt etwas taugen.
[272]

18

Auf diesem läßt sich eine Schar

Der Jungfernäpfel sehen,

Auf jenem wird man bald gewahr,

Wie sich die Birnen drehen.

Ein andrer ist von Pfirschken schwer,

Ein andrer von Morelchen,

Ein andrer wanket hin und her

Mit Muskatellerkelchen.


19

Ergötzlich ist es anzusehn,

Wenn sich die Pomeranzen

Von Lüften hin und wieder drehn

Und auf den Ästen tanzen.

Wenn die Zitronen klein und groß

Sich auf die Erde neigen

Und die Granaten fast ganz bloß

Und reif zum Essen zeigen.


20

Draus kommt man in das freie Feld,

Das hat ein schön Gesichte,

Man siehet eine solche Welt,

Die unsre macht zu nichte.

Da liegt ein Berg, da steht ein Wald,

Da ruhen Aun und Wiesen,

Ein jegliches ganz wohlgestalt

Und nie genug gepriesen.


21

Man siehet stracks die liebe Saat

Auf etlich hundert Morgen,

Sie wächst ohn allen Mißgerat

Goldstriemig und ohn Sorgen.[273]

Es hat der Kürbisse so viel

Und zückerne Melonen,

Daß man sich, wie man immer will,

Nicht kann vor ihnen schonen.


22

Es schwingen sich die Lerchelein

Mit Haufen in die Höhe,

Das treue Turteltäubelein

Seufzt lieblich ohne Wehe.

Sie lassen sich von jedermann

Auch mit den Händen fangen

Und fliegen von sich selbst heran,

Wenn du sie tust verlangen.


23

Die Flüsse schleichen schlangenweis

Im Grünen hin und wieder,

Die Ströme rauschen ohne Fleiß

Ganz wohlgefällge Lieder.

Auf diesen Wassern schwimmen auch

Die Schwäne, welche singen

Und durch des langen Halses Schlauch

So schön Getöne bringen.


24

Geht man darauf in einen Wald,

So hat man drin zu sehen

So viel Ding, das so mannigfalt

Und fein, als je geschehen.

An Bäumen wächst ein seidner Moos

Vermengt mit goldnen Faden,

Das Laub ist linde, fett und groß,

Das Holz ohn eingen Schaden.
[274]

25

Man hört den angenehmsten Schall,

Den tausend Vögel machen,

Es lockt und zückt die Nachtigall,

Die Tauben girrn und lachen.

Die Amsel schlägt, die Finke pinkt,

Die Lerche direlieret,

Der Zeisig und der Stieglitz singt

Und alles musizieret.


26

Die Alaster schwatzt mit den Starn

Von ihren Fantaseien,

Es pelfern hin und her mit Scharn

Die schönen Papageien.

Da reden sie die Selgen an

Mit lächerlichen Grüßen

Und plaudern artig jedermann

Zur Kurzweil, wie sie wissen.


27

Das Wild ist sämtlich da nicht wild,

Kein einzigs ist zu scheuen,

Der Leopard geht sanft und mild,

Man scherzet mit den Leuen.

Ein Jauchzen und ein Lustgeschrei

Hört man bei dem Gehetze,

Der Hirsch hängt sein verguldt Geweih

Freiwillig an das Netze.


28

Es quilln viel lautre Brünnelein,

Die den Kristall beschämen,

Viel Bächlein rinnen, die den Schein

Dem Fraueneis benehmen.[275]

Ausbündig günstig kommen drinn

Die Wiesen und die Matten,

Es hat da, was er will, der Sinn,

Schöns Licht und schönen Schatten.


29

Nahbei findt man mit sondrem Schein

Erbauet Schäfereien,

Die Schäflein sind so hübsch und fein,

Daß sie das Herz erfreuen.

Sie tragen Seiden statt der Woll

Und silbernes Gespinste,

Sie gehn so häufig fett und voll

Ohn alles Mißgegünste.


30

Die Fische sind so wundersam,

So lustbar in den Teichen,

So günstig, daß man sie vom Damm

Mit Händen kann erreichen.

Sie schimmeren wie Goldgeschmeid,

Sie spielen fast so feine

Wie Perlenmutter und zur Zeit

Wie edele Gesteine.


31

Die Hügel muß ich sonderlich

In diesem Schauplatz preisen,

Sie sehn so lustig rund um sich,

Als wollten sie sich weisen.

Sie sind durchscheinend allzumal

Wie die polierten Glasen,

Sind wohl bewachsen überall

Mit Gold, Grün und mit Rasen.
[276]

32

Der ein ist lauter von Saphir,

Der andre von Kristallen,

Der ein Smaragd, ein andrer schier

Wie Bernstein und Korallen.

Sie sind voll Segens und voll Tau,

Man siehet ihre Spitzen

Von fern hernieder auf die Au

Mit Milch und Honig schwitzen.


33

Herunten werden sie umschanzt

Mit auserlesnen Reben,

Mit Lauben, deren Zier so glanzt,

Daß ichs nicht weiß zu geben.

Es stehen haufenweis und frei,

Oliven, Mandeln, Feigen

Und Cedernbäum, je zwei und zwei,

Den Straßweg anzuzeigen.


34

Und alle diese Lieblichkeit

Pflegt für und für zu währen,

Es kann kein Alter, keine Zeit

Ihrn Saft und Glanz verzehren.

Es ist ein ewger Frühlingsschein,

Ein ewger Herbst im Lande.

Es dauert alles insgemein

In seiner Blüt und Stande.


35

Die Erde wird allzeit geziert

Von ihrem Seidensticker,

Der Wald steht immer wohl schattiert,

Die Luft wird niemals dicker.[277]

Es hängen durch das ganze Jahr

Die Trauben an den Reben,

Das Obst reift fort, die Wollenschar

Pflegt stets am Klee zu kleben.


36

Es pflegt kein Wetter da zu sein,

Kein Donner wird gehöret,

Es fällt kein Reif noch Brand darein,

Kein Hagel, der zerstöret.

Man weiß vom Winter, Frost und Eis

Auch nicht ein Wort zu sagen,

Man hört auch über Sommer heiß

Nicht eine Mücke klagen.


37

Es schneit wohl zur Ergötzlichkeit,

Was? Lilien und Narzissen.

Es pflegt sich auch zu mancher Zeit

Ein Reglein zu ergießen.

Sein Wasser ist von Rosmarin

Und Rosen destillieret,

Von Majoran und von Jasmin,

Von Springauf abgeführet.


38

Es stürmt kein Wind in diesem Port

Und innerhalb der Brucken,

Der Blumen feind, der strenge Nord,

Darf hier nicht einmal mucken.

Es facht und webelt nur allein

Wie spielend durcheinander

Ein tausendkühles Lüftelein

Mit lieblichem Gewander.
[278]

39

Die Schönheit, Lust, Schmuck, Glanz und Pracht

Der Selgen, die da bleiben,

Hat noch kein Mensch je vorgebracht

Und recht gekonnt beschreiben.

Die Engel sind so voller Gunst,

So huldreich an Gebärden,

So freundlich, dienstig und umsonst

Als kein Geschöpf auf Erden.


40

Die Tugenden sind voller Zier

Und löblicher Gestalten,

Die Sanftmut leucht so schön herfür

In Fürsten und Gewalten.

Die Herrschaften in großer Zahl

Sind glimpflich im Gebieten

Und die Erzherzog allzumal

Voll Ehrns in allen Tritten.


41

Wer will der Seraphiner Blitz

Und feurge Liebeswagen,

Wer von der Cherubiner Witz

Und großem Lichte sagen?

Wer kann den Ernst und Majestät

Der Thronen wohl vermelden?

Unmöglich ists auf dieser Stätt

Auch dem beredtsten Helden.


42

Erstaunungsvoll sieht man allda

Die heilgen Leiber schweben,

Man glaubts nicht, was sie fern und nah

Für Aussehn von sich geben.[279]

Der eine strahlt mit großem Licht,

Durchleuchtend wie die Sonne,

Ein andrer hat ein Angesicht

Ganz wie des Himmels Wonne.


43

Der übertrifft den Mondenschein

Zu mehr als siebenmalen,

Die Rötin bricht nicht so herein,

Als hunderttausend prahlen.

Viel glänzen wie der Morgenstern

Und andre Himmelsflammen,

Viel wie das Firmament von fern

Mit allem Licht zusammen.


44

Viel leuchten wie ein Diamant,

Viel schimmern wie Opale,

Viel haben des Karfunkels Brand

Und seine Feuerstrahle.

Viel sind wie Onykel so weiß,

Viel haben vom Kristalle,

Viel von dem Sardonyk den Preis,

Von reinsten Gläsern alle.


45

Die Märtrer gehn in Kermesin

Und rotem Sammet prangen,

Sind mit Geschmeide von Rubin

Ganz wunderlich behangen.

Sie tragen Kronen auf dem Haupt

Von lauter edlen Steinen,

Ein Lorbeerkranz, der sie umlaubt,

Macht ihren Sieg erscheinen.
[280]

46

Die Jungfern, eine keusche Schar,

Gehn all in weißer Seide,

Kein Atlas gleißt so schön und klar

Wie der zu ihrem Kleide.

Auf ihrem Haupt blüht eine Kron

Von Lilien und Narzissen,

Von Röslein, die man Anemon

Mit Namen pflegt zu grüßen.


47

Die Lehrer geben in die Fern

Ein himmlisches Geglänze,

Auf ihrn Talarn stehn so viel Stern

Als an der Feste Grenze.

Sie sind in Goldstück eingekleidt

Und haben goldne Kronen,

Die Liebe hat sie zubereit,

Sie pflegt mit Gold zu lohnen,


48

Die andern alle sind so schön

Und herrlich angeleget,

Daß auch kein Kaiser kann so gehn,

Wenn er die Krone träget.

Es ist solch Reichtum, solche Pracht,

Solch Perlenschmuck zu sehen,

Soviel Kleinoden, daß alls lacht

Im Hin- und Wiederdrehen.


49

Sie riechen so vortrefflich wohl

Nach Caß- und Zimmetrinde,

Ein Apothek mit Balsam voll

Riecht nie so schön am Winde.[281]

An einem kann man Benzoin,

Am andren Amber spüren,

Der streichet mit Rhodisöl hin

Und der tut Nelken führen.


50

Es kann kein Weh in ihn'n entstehn

Noch Krankheit sie beladen,

Sie können in die Hölle gehn

Ohn Brand und eingen Schaden.

Es kann kein Waffen, Spieß noch Schwert

Sie schneiden und durchstechen,

Kein Hammer auf der ganzen Erd

Ihr kleinstes Beinlein brechen.


51

Sie sind subtiler als die Luft,

Die Berge zu durchdringen,

Sie gehn durch Steine, Maur und Gruft,

Nichts hält noch kann sie zwingen.

Sie können wie mit einem Ball

Mit Sonn und Monde spielen,

Die Erde hindrehn überall,

Kann sie nicht einst vervielen.


52

Sie sind so hurtig und geschwind,

Unsäglich, sehr behende,

Sie können sein, eh als der Wind

In allem Ort und Ende.

Sie sind in einem Augenblick,

Wo sie nur hingedenken,

Und können gleich so stracks zurück,

Sollts tausend Meiln sein, lenken.
[282]

53

Sie dürfen die Dreifaltigkeit

Nicht mehr im Glauben ehren,

Man darf sie keine Heimlichkeit

Noch etwas anders lehren.

Sie sehn es klar und können nu

Selbst urteiln ohne wanken,

Sie können auch noch schaun dazu

Die innersten Gedanken.


54

Sie leben sicher und gewiß,

Daß sie darinnen bleiben,

Sie fürchten keinen Fall noch Riß,

Der sie kann raus vertreiben.

Sie wissen, daß noch Krieg noch Feind,

Noch Pest zu ewgen Tagen,

So lange Gottes Sonne scheint,

Von dannen sie kann jagen.


55

Daraus entstehet solche Freud

Und Trost in ihrn Gewissen,

Daß sie vor großer Süßigkeit

Fast in sich selbst zerfließen.

Sie haben Gott, die höchste Lust,

Sie können ihn umfassen,

Sie halten ihn an ihrer Brust

Und wolln ihn nimmer lassen.


56

Da höret auf all ihr Begehrn,

Da stirbet alls Verlangen,

Da stehn sie ewig im Gewährn

Und ewig im Empfangen.[283]

Da sitzen sie zu ewger Zeit

In höchster Ruh und Friede,

In Zufluß und Genüglichkeit

Und werdens niemals müde.


57

Sie werden nie vom Zorn bewegt,

Von keinem Haß betrübet,

Es wird kein Zank noch Streit erregt,

Kein Mutwill je verübet.

Die Mißgunst und der blaue Neid

Sind ewig da verschrieben,

Melancholei und Traurigkeit

Ist vor der Pforte blieben.


58

Sie sind mit lauter Lieb und Brunst

Des heilgen Geists entzündet,

Ein jeder sieht mit lautrer Gunst,

Was er im andern findet.

Ein jeder liebt den andern so

Als wie sein Herz und Leben,

Ein jeder ist des andern froh

Und was ihm Gott gegeben.


59

Sie haben alles ingemein

Ohn Argwohn, ohn Verdenken,

Sie reden ohne falschen Schein,

Ohn Sticheln, ohne Kränken.

Es ist kein Stolz noch Übermut,

Kein Aufblähn unter ihnen,

Ein jeder ist dem andern gut

Und will ihn stets bedienen.
[284]

60

Sie leben in Vertraulichkeit

Wie Kinder miteinander,

Wie Tauben in Holdseligkeit

Und günstigem Gewander.

Es ist ein Herz, ein Geist und Sinn,

Ein Will und Wohlgefallen

Im Tun und Lassen her und hin

Aufs höchst in ihnen allen.


61

Es mehret auch noch diese Freud,

Daß sie das Herz und Sinnen

Mit klarem Sehn und Unterscheid

Im Nächsten kennen können.

Sie sehn, wie ers so treulich meint,

Wie er so herzlich liebet,

Wie er der ist, der außen scheint

Und den er von sich gibet.


62

Sie gehen öfters auf das Feld

Und die gestickten Auen,

Die Wunder Gotts, die neue Welt

Und was darin zu schauen.

Da sehn sie mit Verwundrung an

Der Sonnen neue Pferde,

Des Monds Gesicht, den neuen Plan

Der kristallinen Erde,


63

Da machen sie ein Feldgeschrei

Der Allmacht Gotts zu Ehren,

Da singen sie so vielerlei

Der Weisheit Lob zu mehren.[285]

Da spielen sie nach aller Lust

Mit jauchzendem Gemüte,

Da laben sie Mund, Sinn und Brust

Und preisen seine Güte.


64

In diesem setzen sie sich fein

Zusammen in den Schatten

Und sprechen von der Freud und Pein,

Die sie auf Erden hatten.

Sie sagen, wie sie auf die Bahn

Des wahren Lebens kommen,

Was ihnen Gott für Guts getan,

Wie er sie angenommen.


65

Da rühmt Henricus seine Braut,

Die keusche Kunigunde,

Und Elzear sagts überlaut,

Daß ihn sein' überwunde.

Da scherzet die Cäcilia

Mit ihrm Valeriane,

Da kommt Alex aus Syria

Mit seinem Pilgerfahne.


66

Da redt Johannes von der Brust,

An der er hier gelegen,

Da Bernhard von des Geistes Lust

Und innrem Gnadenregen.

Da ist Franziskus allerding

Im Zeigen seiner Wunden

Und Katharina in dem Ring,

Der sie mit Gott verbunden.
[286]

67

Da hört man mit Verwundrung an

Der Genoveva Leben,

Wie sie die Schickung Gottes kann

Und sein Versehn erheben;

Wie seinen Jammer und sein Glück

Eustachius erzählet,

Wie Bartholmä der Galgenstrick

In Indien gequälet.


68

Da reden von der Härtigkeit

Die strengen Eremiten,

Die Märtyrer, was sie für Leid,

Für Schimpf und Tod erlitten.

Da weist der Täufer auf sein Haupt,

Da Agatha die Brüste,

Da andre, wessen sie beraubt

Das peinliche Gerüste.


69

Da weiß Agnet sich ihren Spott

Gar artlich Nutz zu machen,

Da Margaret ob ihrem Tod

Mit Barbara zu lachen.

Da kann Lorenz sich schöne ziern

Mit seinem Rost und Kohlen,

Ignatius sich an den Tiern

Gar meisterlich erholen.


70

Der Thron, auf welchem voller Huld

Der König Jesus sitzet,

Ist über alls Gestein und Gold

Und über Kunst geschnitzet.[287]

Er übertrifft des Himmels Glanz,

Leucht mehr als der Karfunkel,

Sein kräftig aufgewölbter Kranz

Ist wie der Blitz, wenns dunkel.


71

Sein Kleid macht blaß den reinen Schnee

In klaren Sonnenstrahlen,

Die Kron auf seines Hauptes Höh

Kann keine Zung abmalen.

Die Sonn weicht seinem Angesicht

Und aller Blitz gar gerne,

Sein Augenäpfel und ihr Licht

Sind zweene Morgensterne.


72

Er ist der lieblichst und ganz schön

Vor allen Menschenkindern,

Läßt einen jeden zu sich gehn

Und ruft auch gar den Sündern.

Niemand hat jemals ihn gesehn

In seinen Majestäten,

Der unverliebt sich könnt abdrehn

Und ohn ihn anzubeten.


73

Zur Rechten etwas unter ihm

Ist noch ein Thron erbauet,

Auf welchem man in Goldgestriem

Die Jungfrau Mutter schauet.

Ihr Thron ist klares Helfenbein,

Ihr Rock ist himmelfarben,

In ihrer Hand ein Köcherlein

Voll Blumen, Frücht und Garben.
[288]

74

Zu beiden Seiten um den Thron

Sind tapezierte Dielen,

Drauf sitzt der Patriarchen Kron

In schön beschlagnen Stühlen.

Nach diesem die Propheten all,

Die von ihm prophezeiten,

Drauf die Apostel ebenfall

In gleichen Würdigkeiten.


75

Zu Füßen auf des Thrones Schwell

Knien dreimal tausend Knaben,

Die sich bis auf die Stund und Stell

Mit nichts bemakelt haben.

Er hat sie selbst vom Erbfall rein

Gewaschn und eingekreidet

Und in Livrei von Mondenschein

Zu seinen Ehrn gekleidet.


76

Vor ihm sieht man die große Schar

Der Heilgen aller stehen,

Die Päpst und Kaiser dienen dar

Vor seines Thrones Höhen,

Es stehn die Märtrer allzumal,

Bekenner groß und kleine,

Stehn Fraun und Jungfraun ohne Zahl,

Ein edele Gemeine.


77

Um ihn und oberhalb des Throns

Sieht man die Engel schweben,

Die zum Befehl des Menschensohns

Und seinen Diensten leben.[289]

Die Seraphim und Cherubim

Und Thron und noch sechs Scharen,

Die schweben allesamt vor ihm

Zu hunderttausend Paaren.


78

Die Alten voller Ehrbarkeit

Stehn auf von ihren Stühlen

Und falln mit Ehrerbietigkeit

Zu seines Thrones Dielen.

Sie legen ihre Kronen hin

Und geben ihm die Ehre

Und tun es kund mit klarem Sinn,

Daß ihm der Preis gehöre.


79

Dies sehend, tuns auch alsobald

Die andern Heilgen alle

Und schrein zusammen mit Gewalt

Und freudenreichem Schalle:

Du, du bist würdig, Gotteslamm,

Kraft, Stärk und Ehr zu haben,

Dir, dir gebührt der reiche Stamm,

Gewalt und andre Gaben.


80

Du hast uns, Gott, mit deinem Blut

Erkaufet von der Erden,

Du hast uns Priester ihm zu gut

Und Könge lassen werden.

Dir, dir sei Lob und Herrlichkeit,

Dir sei von allen Zungen

Durchs ganze Nun der Ewigkeit

Preis, Ruhm und Dank gesungen.
[290]

81

Dies fangen auch die Hügel an

Zurücke zu erschallen

Und alle Grüft auf ferner Bahn

Gar eigen nachzulallen.

Du, du bist würdig, spricht die Luft,

Kraft, Stärk und Ehr zu haben,

Dir, dir gebührt, wird nachgeruft,

Gewalt und andre Gaben.


82

Drauf geht es in ein Jubiliern

Mit Pauken und Trompeten,

Da fängt man an zu musiziern

Mit Zinken und mit Flöten.

Da ist das schönste Saitenspiel,

Das jemals war zu hören,

Da sind der besten Sänger viel

In mehr als tausend Chören.


83

Da höret man das Gloria

Von allen Engeln singen,

Da muß sich das Halleluja

In alle Lüft erschwingen.

Da wird das Sanctus oftermal

Ganz artlich ausgesprochen

Und das Osanna ohne Zahl

Aufs künstlichste gebrochen.


84

Da höret man ein neues Lied

Allein die Jungfern singen,

Dazu die Harfen sind bemüht,

Die wie der Donner klingen.[291]

Sie loben ihren Bräutigam,

Daß er sie auserkoren

Und sie zu seinem keuschen Stamm

Absonderlich geboren.


85

Sie halten ihm vor großer Freud

Ein künstliches Getänze

Und reichen ihm zur Dankbarkeit

Im selben ihre Kränze.

Sie ehren ihn in einem Reihn

Mit tief gebognem Neigen

Und machen ihm den schönsten Main

Aus ihren Lilienzweigen.


86

Es ist von allen ingemein

Ein ewges Triumphieren,

Ein jeder will der erste sein

Und seinen Thron berühren.

Die Märtrer schwingen ihre Fahn

Und beugen ihm die Picken,

Sie rennen mit den Lanzen an

Und brechen sie in Stücken.


87

Die andern alle streun ihm für

Ihr Ölzweig, ihre Palmen

Und singen ihm mit Ehrgebühr

Die allerschönsten Psalmen.

Sie werfen Blumen allerhand

Auf seines Throns Gestelle

Und räuchern mit kostbarem Brand

Vor der gekrönten Schwelle.
[292]

88

Viel können sich insonderheit

Vor Inbrunst nicht enthalten,

Sie laufen zu ihm ungescheut

Vor Jungen und vor Alten.

Maria fällt ihm um den Hals

Mit hunderttausend Küssen

Und dankt ihm für die Ehr und alls,

Welchs er sie läßt genießen.


89

Johannes fliegt an seine Brust

Und bleibt nach Wunsche liegen

Und wieget sich mit höchster Lust

In dieser Himmelswiegen.

Die Magdalena laufet hin

Zu den verklärten Füßen

Und muß sie mit Herz, Mund und Sinn

Auch noch vor Inbrunst küssen.


90

Da siehet man, wie Majestät

Mit Liebe kann bestehen,

Wie wohl sie sich in einer Stätt

Vertragen und begehen.

Er schwingt sich selbst herab vom Thron

Und kommt mit Lust gegangen,

Den Kleinesten (der Gottes Sohn)

Gar herzlich zu empfangen.


91

Drauf stellt er an ein groß Bankett

Im großen Göttersaale,

Dahin der ganze Haufe geht

Mit lieblichem Geprahle.[293]

Unmöglich ists den Aufzug sehn

Mit unverzuckten Sinnen,

Unmöglich, wie er zu geschehn

Pflegt, nur beschreiben können.


92

Ich will nur lalln, so gut ich kann,

Den Schatten bloß zu bilden;

Die Engel fahn den Reihen an

Mit Senkung ihrer Schilden.

Auf ihren Achseln tragen sie

Vergoldte Botenspieße,

Geschürzte Röcklein bis ans Knie,

Geflügelt sind die Füße.


93

Nach ihnen kommt das größre Heer

Der Erzengel getreten,

Ein Regimentsstab ists Gewehr,

Ihr Gang andächtigs Beten,

Drauf gehn die Tugenden herein

Mit zierlichstem Verwenden,

Die schönsten Blumensträußelein

Sieht man in ihren Händen.


94

Gemeldten folgen stracks hinnach

Noch mehr von den Gewalten,

Sie gehen gar gefach, gefach,

Tun bloße Schwerter halten.

Nach denen kommt der Fürsten Flut

Wie große Wasserwogen,

Sie tragen ihren Fürstenhut

Vom Haupt herabgezogen.
[294]

95

Der Herrschaften, der sind noch mehr,

Die alle Szepter führen,

In großem Ansehn, großer Her

Den schönen Aufzug zieren.

Der Thronen noch viel größre Schar,

Die tragen güldne Kronen

Zum Zeichen, daß in ihnen gar

Gott pflegt zu ruhn und wohnen.


96

Der Cherubinen noch soviel,

Bedeckt mit ihren Flügeln,

Gehn zu verwunderlichem Spiel

Mit unbefleckten Spiegeln.

Die denen folgen ohne Zahl,

Die selgen Seraphiner,

Die tragen Fackeln allzumal

Als feurge Liebesdiener.


97

Nachdem die alle sind fürbei,

So komm'n die Edelknaben

In der gemeldten Liverei,

Die sie vom Herren haben.

Ein jeder trägt ein Körbelein

Von himmlischem Gemächte,

Aus welchem sie den Weg bestreun

Gleich einer Blumenflechte.


98

Dann bricht, gleich wie die Sonn, herein

Voll ewger Herrlichkeiten

Der Selgen liebster Glanz und Schein,

Ders Mahl tut zubereiten.[295]

Ich sage, Jesus kommt nunmehr,

Die heilgen Hochzeitleute

Mit höchster Gunst und höchster Her

Hinein zu führn als Bräute.


99

Ich sage, Jesus, Jesus kömmt,

Mehr ist mir nicht gegeben,

Sein Glanz mir alln Verstand benimmt,

Alls Reden, alles Leben.

Wer seinen Gang und seinen Blitz

Nach Würden will beschreiben,

Der lasse sich zuvor den Witz

Der Selgen einverleiben.


100

Vor ihm geht als Erzmarschall her

Mit fürstlichen Gebärden

Der Großfürst Michael, dem er

Die Ehr hat lassen werden.

Sein Marschallstab tut eigentlich

Ein dreifachs Kreuz darstellen,

Mit welchem er ganz ritterlich

Verjagt die Macht der Höllen.


101

Ans Herren Seiten gehn, die sich

Ums Himmelreich verschnitten

Und mit Gewalt den Schlangenstich

Erlitten und bestritten.

Sie haben einen bessern Stand

Und einen bessern Namen,

Als alle Gottessöhn im Land

Und Töchter je bekamen.
[296]

102

Fragst du warum? so sag ich dir,

Ein unbeflecklichs Leben,

Das pflegt die Ehr und diese Zier

Den Gläubigen zu geben.

Je unbefleckter und mehr rein

Du wirst hier einhergehen,

Je näher wirst du Gotte sein

Und Christo mehr anstehen.


103

Die sind so unvergleichlich schön,

Daß Gott sie muß liebkosen,

Die Lilie muß vor ihn' vergehn

Und alle Zuckerrosen.

Nichts zeucht der Herr so gern in sich

Als den Geruch von ihnen,

Drum läßt er auch so günstiglich

Nächst um sich her sie grünen.


104

Viel tragen Infuln in der Hand,

Auch viel dreifache Kronen,

Nicht wenig fürstliches Gewand,

Es gehn ihr auch mit Thronen.

Daraus man sieht, daß insgemein

Auch große Leut auf Erden

Des Himmelreichs verschnitten sein

Und Gotts Verlobte werden.


105

Am nächsten nach dem Gottessohn

Gehn die Apostel alle,

Die Jünger, eine schöne Kron,

Die er behüt vorm Falle.[297]

Sie gehn daher wie große Herrn,

Wie Fürsten aller Christen,

Durchläuchtig in die weite Fern

Samt den Evangelisten.


106

Die Patriarchen folgen drauf,

Vermengt mit den Propheten,

Ein ebenfalls durchlauchter Hauf,

Der nunmehr außer Nöten.

Sie tragen Anker von Demant

Und klare Ferngesichte,

Sie prangen wie ein festes Land

Welchs übermaßen lichte.


107

Nach diesen kommt der Märtrer Heer

In Scharlach angezogen,

Ein Heer, groß wie das weite Meer

Und dessen Wasserwogen.

Sie schwingen all ein schönes Fahn

Zum ewgen Siegeszeichen

Und machen lustig jedermann

Mit ihren Ritterstreichen.


108

Drauf kommt die freudenvolle Schar

Der Beichtiger gesprungen,

Weil ihr Bekenntnis in Gefahr

Ihn' ist so wohl gelungen.

Sie gehn mit Zinken und Schallmein,

Mit Orgeln und mit Flöten,

Mit Cymbeln und mit Jubelschrein

Und himmlischen Trompeten.
[298]

109

Mit ihnen gehen untermengt

Die Prediger und Lehrer,

Die Bischöf und (welchs mich wohl denkt)

Die armen Kirchenmehrer.

Sie gehn mit Büchern, ihrer Lust,

Mit Lichtern voller Leben,

Mit Jesu Namen auf der Brust,

Mit goldnen Pilgerstäben.


110

Die Ordensstifter gehn auch hier

Mit ihren Kriegesheeren,

Die sie geworben vor der Tür

Und nunmehr Gott gewehren.

Sie ziehen wie Soldaten auf

Und große Generale,

Ihr Gang ist ein behender Lauf

Mit fürstlichem Geprahle.


111

Nach denen kommt in großem Glanz

Die Schar der Eremiten,

Der Diakonen heilger Kranz,

Die Priester und Leviten.

Sie tragen goldgewirktes Band

Und weiße seidne Schnüre,

Patenen, priesterlichs Gewand

Und Kelche mit Gebühre.


112

Nach alln komm'n endlich ohne Zahl

Die gmeinen Heilgen alle,

Die gehen jauchzend allzumal

Mit schönstem Klang und Schalle,[299]

Ihr aller Schmuck und viele Pracht

Ist nimmer zu beschreiben,

Drum laß ichs lieber ungedacht

Und die Erzählung bleiben.


113

In größerm Troß gehn an der Seit

Der göttlichen Verwandten,

Mit Haschen, Spießen, schön bereit,

Die Engel als Trabanten.

Sie nehmen ihren Fürstenhut

In ihre würdgen Hände

Und gehn voll Ehrung wohlgemut

Vom Anfang bis zum Ende.


114

Wenn dann nun alle sind fürbei,

So ist gleichwohl noch immer

Zu sehn: es kommt in edler Reih

Das heilge Frauenzimmer.

Sie wallen wie ein blühends Meer,

Wie tausend Frühlingsgarten

Und wie ein buntes Blumenheer

Von hunderttausend Arten.


115

Die erst ist Gottes erste Braut,

Die seinen Sohn geboren,

Da er sie nach des Engels

Laut Zur Mutter auserkoren.

Maria mein ich, unsre Frau,

Die Jesum, unser Leben,

Uns, wie ein Feld den Maientau,

Sich unversehrt, gegeben.
[300]

116

Die führt ihr treuer Gabriel

Als obrster Hofemeister,

Bestellt von ihrm Emanuel,

Dem Herren aller Geister.

Er geht voll Zucht, führt sie gar sacht

Mit engelischen Sitten

Beim Ärmel, dessen Gold und Pracht

Er küßt in allen Tritten.


117

Ihr treten tausend Engel für

Aus alln und jeden Chören,

Die sie mit höchster Ehrgebühr

Anbeten und verehren.

Den Weg bestreun mit Blüt und Laub

Die Bethlemiter-Knaben,

Die den Befehl und Gartenraub

Von ihrem Sohne haben.


118

Stracks auf dem Fuße gehn ihr nach

Mit Lampen die Jungfrauen,

Die Jesu in dem Klosterdach

Sich haben wolln vertrauen.

Sie sind gar anders jetzt geziert,

Als sie auf Erden gangen,

Die Gottheit selbst, die sie geführt,

Die strahlt aus ihren Wangen.


119

Die andern Jungfern, die allhier

Die stete Keuschheit liebten

Und sich wie Christinn'n für und für

Dem Herrn zu dienen übten,[301]

Die gehen diesen zugesellt

Und glänzen wie die Lilien,

Die keine Hitz, wie in der Welt,

Noch Zeit je kann vertilgen.


120

Den Jungfern folgt der Witwen Fahn

Und aller heilgen Frauen,

Die Gott auf dieser Pilgersbahn

Verlangten anzuschauen.

Goldn Ähren sind in ihrer Hand

Zu dreißig, sechzig Pfunden,

Die sie in dem gelobten Land

Durch ihr Verdienst gefunden.


121

Nach ihnen gehn wie Tauben her

Die strengen Büßerinnen,

Die glänzen wie ein gläsern Meer,

Das feurig ist von innen.

Sie haben in des Lammes Blut

Ihr Kleid ganz rein gewaschen

Und durch die bittre Tränenflut

Verschwemmt der Sünden Aschen.


122

Dann kommen wieder ohne Zahl

Die gmeinen Heiliginnen,

Aus deren Augen stets ein Quall

Der Andacht pflegt zu rinnen.

Wie schön jedwed in allen Chörn

Geschmückt geht und gezieret,

Laßt sich auf dieser Welt nicht hörn,

Obs gleich wird angeführet.
[302]

123

Höchst günstig ists, daß all und jed

Ein schöner Engel führet

Und sie zu ehren sich bemüht,

Wie einer Braut gebühret.

Die wird von einem Cherubin,

Die von dem Tugendwagen,

Die von dem huldsten Seraphin

Fast auf der Hand getragen.


124

Nach allen komm'n die Mägdelein

Durchs Taufbad hingeschwommen,

Ein jed ist wie ein Mondenschein,

Wenn er volls Licht bekommen.

Der kleinen Püpplein günstigs Walln

Und artiges Gewimmel

Macht alln ein neues Wohlgefalln

Und gleichsam neuen Himmel.


125

Den ganzen Aufzug, den beschleußt

Ein Regiment Gewalten,

Welchs sich um sie herum ergeußt

In fürstlichen Gestalten.

Zu zeigen, daß man niemand klein,

Niemand geringe schätzet,

Wer in dies ewge Seligsein

Durch Christum ist versetzet.


126

Sobald man ankommt, stellen sich

Die engelischen Heere

In bester Ordnung günstiglich

Und zierlich ins Gewehre.[303]

Sie neigen sich, den Herrn zu ehrn

Als König aller Zeiten

Und schrein ihm zu mit vollen Chörn

Nach allen Möglichkeiten.


127

Gebenedeit sei Jesus Christ,

Schrein sie mit vollem Schalle,

Gebenedeit sei, der du bist

Der Herrscher über alle.

Gebenedeiet sei dein Tritt,

Gebenedeit dein Gehen,

Gebenedeiet jeder Schritt,

Osanna in den Höhen.


128

Mit gleichem Wunsch und Jubelschrein

Und ehrsamen Gebärden

Empfahen sie den ganzen Reihn,

Dem da solls Brautmahl werden.

Der holde Jesus, aller Trost,

Bleibt an der Tür auch stehen,

Bis er ein jeden liebgekost

Und heißen all eingehen.


129

Dann kommt er voller Günstigkeit

Und tut, eh sies gedenken,

Zur Mehrung ihrer Seligkeit

Ganz reichlich sie beschenken.

Den setzt er über ein ganz Land,

Den über dreißig Städte,

Den in den höchsten Ritterstand,

Dem gibt er viel Geräte.
[304]

130

Vieln schenket er ein fürstlichs Schloß,

Vieln goldene Paläste,

Vieln eine Burg wie's Kaisers groß,

Auch vieln nur Zweig und Äste.

Ihr vieln das ganze Himmelreich,

Auch vieln den Kreis der Erden,

Vieln laßt er Land, Herrschaften gleich,

Vieln auch nur Dörfer werden.


131

Dem Frauenzimmer wirft er an

Die teuersten Geschmeide

Von Gold und Perln, die er gewann,

Da er hier ging im Leide.

Jedwedem, was der hier verdient

In diesem Jammerleben,

Wird, wenn er nunmehr dorten grünt,

Doch reichlicher gegeben.


132

Da mehrt sich Freude über Freud,

Da stehn sie voller Dankens

Und ewiger Genüglichkeit

Im Zirk dies selgen Schrankens,

Sie sehen alle, daß ihn' ist

Mit hunderten vergolten

Mehr worden, als sie selbst erkiest

Und selber wünschen wollten.


133

Drauf gibt man mit Trompetenschall

Den Ton zum Hochzeitsmahle,

Da komm'n die lieben Engel all

Und dienen in dem Saale.[305]

Die Heilgen, jeder wie er kann,

Springt auf vor großen Freuden,

Sie mahnen all einander an:

Kommt, nun wolln wir uns weiden.


134

Nun wollen wir des ewgen Guts

Mit ewger Lust genießen,

Nun wolln wir recht sein gutes Muts

Und uns aus uns ergießen.

Nun wolln wir uns mit bestem Wein

Und bestem Balsam füllen,

Mit Rosen krönen und die Pein

Des vorgen Leides stillen.


135

Der Herr, dem höchlich wohlgefällt

Ihr heilges Jubilieren,

Beginnt alsbald die selge Welt

Zum Sitzen anzuführen.

Er setzt sie selber an den Tisch

Und ehret sich mit ihnen,

Er träget auf behend und frisch

Und tut sie selbst bedienen.


136

Bald anfangs bringt er ihnen dar

Die zärtlichsten Gerichte,

Von seiner Kindheit erstem Jahr

Und kleinem Angesichte.

Er setzet auf sein junges Blut

Sein Unschuld, seinen Namen

Und zieret alle Speisen gut

Aus seiner Weisheit Kramen.
[306]

137

Zum andern trägt er ihnen auf

Die Anmut seiner Jugend,

Die Klugheit, den verdeckten Lauf

Und alle seine Tugend.

Die Arbeit, die er früh und spat

Bei'n Eltern hat verrichtet,

Und den Gehorsam, der ihn hat

Zu solchem Werk verpflichtet.


138

Er füllt die ganze Tafel an

Mit dem, was er erworben,

Da er, der treue Pelikan,

Verwundt am Kreuz gestorben.

Und spickt bei allen Trachten ein

Den Zucker seiner Liebe,

Die ihn solch unerhörte Pein

Für sie zu leiden triebe.


139

Er setzet ihnen ferner vor

Die Klarheit seiner Seele

Und hebt sie etwas mehr empor

In der durchlauchten Höhle.

Zuletzte läßt er das Konfekt

Von seiner Gottheit kommen,

Da bleibt die Tafel stets bedeckt

Und wird nie abgenommen.


140

Er trinket ihnen eines zu

Mit höchstem Wunsch und Gönnen,

Daß sie sich vor dem Großgetu

Nicht gnug verwundern können.[307]

Der Wein ist ewge Süßigkeit,

Wird aus dem lautren Bronnen

Der heiligen Dreifaltigkeit

Vom heilgen Geist gewonnen.


141

Da können sie sich ohn Verdruß

Mit Speis und Trank anfüllen,

Doch nie mit allem Überfluß

Den süßen Hunger stillen.

Sie werden trunken von dem Wein

Und wolln doch immer trinken,

Bis sie in Vaters Schoß hinein

Unds ewge Bett versinken.


142

Da liegen sie in ewger Lust

Und ewigem Genießen,

Da muß das Herz in ihrer Brust,

Leib, Seel und Geist zerfließen,

Sie schwimmen wie die Fisch im Meer

Der ewgen Süßigkeiten

Und darf sie niemand hin noch her

Zu einem Brunnen leiten.


143

Da sehen sie Gott, wie er ist,

Wie Vater in dem Sohne,

Und wie er ewig sie erkiest

Zu seinem Freudenthrone.

Da schmecken sie den heilgen Geist

Und fühln seins Stromes Wogen,

Da sind sie ihnen ganz entreist

Und ganz in Gott gezogen.
[308]

144

Sie werden da ein Gott in Gott,

Ein Wesen, eine Wonne,

Sie sind daselbst das Himmelsbrot

Und selbst die ewge Sonne.

Sie werden eine Seligkeit

Mit ihm, ein Geist und Leben,

Ein Licht und eine Herrlichkeit,

Ein einiges Erheben.


145

Da werden sie in' dunklen Grund

Der Reichtümer verzucket

Und von dem allersüßsten Mund

Der ewgen Lieb verschlucket.

Da fället hin die Anderheit,

Da ist nur eins zu spüren,

Da muß man sich in Ewigkeit

Vor Wollust selbst verlieren.


146

Nun, dieses ist die Seligkeit!

Doch hab ich nichts geschrieben.

Es ist noch mehr, was Gott bereit

Für die, so ihn hier lieben.

Kein Ohre hats noch nie gehört,

Kein Auge hats gesehen,

Kein sterblichs Herz wards je gelehrt,

Was recht dort wird geschehen.


147

Verlangt dich, Pilgrim, in dies Land

Und diese Stadt zu kommen,

Wünscht sich dein Herz und Geist zur Hand

Darin sein aufgenommen?[309]

So merke, wie du dich dazu

Durch vier Paar Seligkeiten

Mit wahrer Buß und stiller Ruh

Nächst Gott recht sollst bereiten.


148

Die arm im Geist sind und die Welt

Mit ihrer Pracht verachten,

Die nicht nach Reichtum, Gut und Geld,

Noch eitlen Ehren trachten;

Die ihren Willn den Toten gleich

Von aller Lust abwenden,

Die haben schon dies Himmelreich

Auf Erden in den Händen.


149

Die sich vom Zorn und Grimmigkeit,

Vom Schmähn und Drohn enthalten,

Die alles mit Bescheidenheit

Regieren und verwalten;

Die wie die Lämmer sind bewandt,

Vor Glimpf und Sanftmut fließen,

Die werden dies gelobte Land

Besitzen und genießen.


150

Die ihre Sünd und ihre Schuld

Mit heißen Zährn beweinen,

Die aus getreuer Lieb und Huld

Mitleiden Christi Peinen;

Die um sein Ehre sind betrübt

Und für sein Volk sich kränken,

Die sind in diesem Schloß beliebt

Und ihnen wird mans schenken.
[310]

151

Die stündlich nach Gerechtigkeit

Ein groß Verlangen tragen,

Die nicht nach Ansehn,

Lieb und Leid

Für ihren Hunger fragen;

Die durstig tun im Geist und Sinn

Nach Gottes liebstem Willen,

Die werden ihren Durst hierin

Und Hunger können stillen.


152

Die ihres Nächsten Herzeleid

Aufnehmen mit Erbarmen

Und Gutes tun zu rechter Zeit

Den Dürftigen und Armen;

Die ihn entführn aus seiner Schuld,

So seine Seel umfangen,

Die werden alle Gunst und Huld

In dieser Stadt erlangen.


153

Die ihr Gewissen rein und schön

Gewaschen und behalten,

Mit Zoten und mit Schandgetön

Die Lippen nicht zerspalten;

Die ihre Herzen nicht verbaun

Mit schädlichen Gedanken,

Die werden Gottes Antlitz schaun

In diesem selgen Schranken.


154

Die in Vertrag und Einigkeit

Mit ihrem Nächsten leben.

Die Lieb und Lob für Schmach und Neid,

Die Guts für Böses geben;[311]

Die sich des Friedens früh und spat

Aus Herzens Grund befleißen,

Die wird man Erben dieser Stadt

Und Gottes Kinder heißen.


155

Die um des Guten, welchs sie tun,

Verfolgung leiden müssen,

Die vor dem Haß nicht können ruhn,

Weil sie mit Wahrheit grüßen;

Die alle Nachred und Verdacht

Geduldiglich verschweigen,

Derselben ist des Himmels Pracht

Und ganzes Wesen eigen.


156

So geh nun hin und halt dich wohl,

Daß dir der Streit gelinge,

Tu, was ein tapfrer Kämpfer soll,

Und sei dann guter Dinge.

Glaub, hoff und lieb und schrei zu Gott,

Daß du wirst aufgenommen,

Auf daß wir mögen durch den Tod

Nach Wunsch zusammenkommen.


157

Denn hier soll meine Bleibstatt sein,

Hier will ich überspringen,

In diesen Port will ich mich ein

Mit Sturm und Liebe dringen.

Hier will ich mir ein ewges Haus

Durch gute Werke bauen,

Auf daß ich ewig mög daraus

Gott und den Herrn anschauen.


Amen
[312]

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 3, München 1952, S. 267-313.
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