[35. Kapitel]

Wie die Lalen einen Mühlestein gruben / vnd einer damit hin weg lieffe.

[120] Es hatten die Bawrn ein Mühle gebawet / zu welcher sie mit algemeinem Werck auff einem hohen Berg in einer Steingruben einen Stein gehawen / vnd den mit grosser mühe[120] vnd arbeit den Berg herab gebracht. Als sie jn drunden hatten / fiel jnen eyn / wie sie die bawhöltzer / so sie zu jrem Rhathauß gebraucht / so ring den Berg hinab gebracht / als sie dieselben selberst den Berg hinab haben lauffen lassen / sagten derowegen vntereinander: Nun seind wir doch grosse Narrn / daß wir so vbele zeit haben hinab zubringen /da wirs doch wol könten mit geringerer arbeit außrichten. Wir wöllen jhn widerumb hinauff tragen /vnd selberst den Berg herab lauffen lassen / wie wir mit vnserm Bawholtz auch haben gethan.

Solchs gefiel jhn allen: trugen also den Steyn mit viel grösserer mühe widerumb hin auff den Berg / vnd wie sie jhn eben wider abstossen wöllen / sprach einer vnter jnen: Wie wöllen wir aber wissen / wa er hingelauffen sey? wer will es vns daniden sagen? Ey /sagt der Schultheiß / welcher den rhat gegeben hatte /diesem ist sehr wol zuthun: dann es muß einer auß vns seinen Kopff inn diß Loch stecken (wie dann die Mühlstein in der mitt ein grosses Loch haben) vnd mit hinab lauffen. Das ward nun für gut angesehen /vnd also bald einer erwehlet / welcher den Kopff inn das Loch gestossen / vnnd mit dem Stein den Berg hinab gelauffen ist.

Nun ware zu vnterst am Berg ein Fischweyer / in denselbigen fiel der stein / sampt dem Lale / also daß die Lalen beide den Steyn vnd den Mann verlohren /vnnd keiner wußte / wa sie hinkommen möchten sein. Also fiel ein argwon auff den Gesellen / welcher mit dem Steyn gelauffen / als were derselbige mit dem Mühlstein entlauffen / vnd wolt jhn also das jhre entfrembden: liessen derowegen in allen vmbligenden Stetten / Dörffern vnd Flecken / offentliche Brieffe anschlagen: Wa einer wurde kommen / mit einem Mühlstein am Hals / den solte man eynziehen / vnnd jhm /als einem so vom gemeinen Gut gestolen / seine Recht lassen ergehn. Aber der arme Teuffel lag im Weyer / war todt: hette er aber reden können / so were er willens gewesen[121] jn anzusagen / daß sie seinthalb ohne sorg weren / er wölle jhn das jhre widervmb zustellen. Aber der Last hat jhn dermassen getrucket /vnd so tieff hinunter gezogen / daß er / nach dem er gnug Wasser gesoffen / ja mehr als jhm gut war / zu tod starb / vnnd noch heut deß tages todt ist / vnnd todt bleiben wirdt / soll / vnnd muß.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 120-122.
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