Der Trauring

[185] Der dicke Lucas stand mit Isabellen

vor'm Pfarrer, der sie beide jetzt verband,

und ihm befahl, nun seiner Schönen Hand

das Kleinod, als das wahre Unterpfand

des ehelichen Bandes zuzustellen.

Er war auch gleich bereit, und holte auf der Stelle

das Kleinod, das Natur ihm zugewandt,

hervor, gab's seiner Braut, und Isabelle

nahm es sehr züchtig in die Hand –

denn Ehrbarkeit ist junger Mädchen Zierde –

in diesem Augenblick schien Lucas sehr erfreut,

doch dauerte sein Glück nur kurze Zeit.

Der Pfarrer, den der Anblick sehr frappirte,

rief zornig aus: wer sprach von diesem Kleinod da?

den saubern Schatz mögt ihr nur gleich verstecken;

seid nicht so dumm – den Trauring mein' ich ja,[185]

den sollt Ihr jetzt an ihren Finger stecken. –

Nun war vielleicht der Schönen Finger

zu dick, vielleicht der Ring zu klein,

genug, es schien, als sollt's nicht sein,

er stieß und stieß mit nicht geringer

Bemühung, – doch umsonst, es ging

an ihren Finger nicht der Ring.

Auf einmal taumelt' er und wankte –

da lag, eh' er sich's selbst versah,

Freund Lucas sammt dem Ringe da,

worauf der Pfarr'r von neuem zankte.

O Tölpel, steckt man so ihn an?

sprach er, nun macht ein Ende mit dem Dinge –

die Galle steigt mir schon heran –

welch ein verdammtes Zaudern mit dem Ringe. –

Verzeihen Sie, sprach Lucas mit Erröthen,

ich weiß es nicht, was mich verwirtt gemacht;

ich sehe doppelt, doch die künft'ge Nacht

steck' ich ihn blindlings an, d'rauf will ich wetten.


U – .[186]

Quelle:
Nuditäten oder Fantasien auf der Venus-Geige. Padua [o. J.], S. 185-187.
Lizenz:
Kategorien: