Die Theilung.

[127] An seiner Braut, Fräulein Christinchens, Seite

Saß Junker Bogislav Dietrich Karl Ferdinand

Von – sein Geschlecht bleibt ungenannt –

Und that, wie alle seine Landesleute,

Die Pommern, ganz abscheulich witzig und galant.


Was schwatzte nicht für zuckersüße Schmeichelein

Der Junker seinem Fräulein vor!

Was raunte nicht für kühne Schelmereien

Er ihr vertraut in's Ohr!

Mund, Aug' und Nas' und Brust und Hände,

Ein jedes Glied macht ihn entzückt.[127]

Bis er, entzückt auch über Hüft' und Lende,

Den plumpen Arm um Hüft' und Lende drückt.

Das Fräulein war geschnürt (vielleicht zum ersten Male).

»Ha!« schrie der Junker, »wie geschlank!

Ha, welch ein Leib! verdammt, daß ich nicht male!

Als käm' er von der Drechselbank!

So dünn! – Was braucht es viel zu sprechen?

Ich wette gleich – was wetten wir? wie viel?

Ich will ihn von einander brechen!

Mit den zwei Fingern will ich ihn zerbrechen

Wie einen Pfeilenstiel!«


»Wie?« rief das Fräulein, »wie? zerbrechen?

Zerbrechen« (rief sie nochmals) »mich?

Sie könnten sich an meinem Latze stechen.

Ich bitte, Sie verschonen sich.«


»Bei'm Element! so will ich's wagen,«

Schrie Junker Bogislav: »wohlan!«[128]

Und hatte schon die Hände kreuzweis angeschlagen

Und packte schon heroisch an;

Als schnell ein: »Bruder, Bruder halt!«

Vom Ofen her aus einem Winkel schallt.


In diesem Winkel saß, vergessen, nicht verloren,

des Bräut'gams jüngster Bruder, Fritz.

Fritz saß mit offnem Aug' und Ohren,

Ein Kind voll Mutterwitz.

»Halt!« schrie er, »Bruder! auf ein Wort!«

Und zog den Bruder mit sich fort:

»Zerbrichst du sie, die schöne Docke,

So nimm die Oberhälfte dir!

Die Hälfte mit dem Unterrocke,

Die, lieber Bruder, schenke mir!«


G[otthold] F. [= Ephraim) Lessing.[129]

Quelle:
Nuditäten oder Fantasien auf der Venus-Geige. Padua [o. J.], S. 127-130.
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