CXII.

[123] 1. Es wolt gut jäger jagen,

wolt jagen die wilden schwein,

was begegnet jhm auff der heyde,

ein frewlein im weissen kleide,

ein zartes jungfrewelein.


2. Er bat sie umb die liebe,

ob sie sein bülin wolt sein,

sie sprach von hertzen gerne,

jhr seid mein morgensterne,

ich will doch lassen ein.


3. Und da es ward umb den abend,

wol umb die vesperzeit,

der knab der kam gegangen,

in seinem braunen mantel,

er ward sich gelassen ein.


4. Da namen die zwey den mantel,

sie spreyten den uber sich,

die zwey spielten des guten,

bis das erwachet die mutter,

schlaff töchterlein weckest mich.


5. Slaff (so) hertzliebe mutter,

ich wil nicht wecken dich,

die deck ist mir entgangen,

ich wolt sie gern wider langen,

schlaff mütterlein noch als vor.


6. O wehe der leidigen decke,

die dir entgangen ist,

du hast sichs eingelassen,

den knaben auff freyer strassen,

es sol dir werden leid.


7. Und das ich hab gelassen ein,

den liebsten bulen mein,[124]

des mus ich offt entgelten,

mit fluchen und auch schelten,

ich armes jungfrewelein.


8. Und ehe das jar herummer kam,

die magd gewan ein kind,

wenn ander jungfrewlein tantzen,

mus sie da heimen pflantzen,

mus wiegen jr kindelein.


9. Ist mir die zeit schon lange,

so ich mus bleiben daheim,

dennoch wil ich lieber pflantzen,

wenn ander jungfrewlein tantzen,

denn schlaffen die nacht allein.


10. Der uns dis liedlein new gesang,

ein frischer reuter ist ers genandt,

er hats uns wol gesungen,

das braun megdlein hat er genommen,

Gott geb jm glück und heil.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 123-125.
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