CXXIV. Die mit List erworbene Braut.

[259] Es ist ein Streit unter den Naturkündigern warumb theils Kinder ihren Eltern / theils aber denselben nicht gleich sehen? Insgemein wird solches den Bildungskräften / und dann der unterschiedlichen Beschaffenheit des Saamens / wie auch dem Gestirn beygemessen / und solches alles kan sich finden in zweyen zugleich empfangenen und gebohrnen Kindern / welcher Mutter etwan eine Persohn zu der Zeit / in welcher sich die Leibesfrucht zu gestalten pfleget / betrachtet /wie wir hievon ein denckwürdiges und wahre Exempel / ob es gleich einem Freuden-Spiel nicht gar unähnlich / beyfügen wollen. In der Stadt Aquila im Konigreich Neapoli / haben sich zween Knaben gefunden / welche in dem Angesicht / an der Stirne / Alter /Grösse und Geberden / einander gantz völlig gleich /daß keiner vor den andern zu erkennen gewesen / als dan den Kleidern / welche bey Hermolas viel stattlicher / der eines Edelmanns Sohn / als bey Eleonor /eines gemeinen Bürgers Kind. Als Hermolas die Knaben-Jahre zurücke gelegt / wird er von seinem Eltern nach Siena gesendet / aldar seinem Studiren ferner obzuliegen. Er findet aber eine Jungfrau Prudentia genand / welcher Schönheit ihme seine Freyheit zu einer angenohmen Dienstbahrkeit machte. Er sahe wohl /daß er zu ihr keinen Zutritt / alß durch die Thür der Kirchen / ich will sagen / durch eheliche Verbündniß /zu welcher ihn Eltern / weil sie vermeint / die Tochter bey diesem reichen Neapolitaner wohl anzubringen /gerne verstanden; Seine Eltern aber einwilligen zu machen / wußte er keinen Raht. Indem er nun mit diesen Gedancken[260] umgehet / verliebt sich Hortensia eine Adeliche Jungfrau in diesen Hermolas / und weil sie keine Gelegenheit / ihm anzusprechen / schreibt sie ihm einen sehr höfflichen Brieff / welchen er / zu einer Kurtzweil mit gleicher Müntz bezahlet. Die Verliebten lassen sich füglich mit den Jägern vergleichen / welche das Gefangene verlassen / und einem andern nacheilen; Also hatte Hortensia Quintellum /der sie brünstig liebete / bereits in ihren Garten /wolte aber den schönen Neapolitaner erjagen. Als nun Quintellus sahe / daß ihme Hermolas seiner Liebsten Gunst weggenommen / lässet er ihm sagen / daß er der Hortensia müssig gehen solte / oder ihne zu einem abgesagten Feinde haben würde; Hermolas sagte / er solte einen Mann finden / der sich für der Weiber Waffen (den Worten) nicht fürchtete. Es gange ihm aber Quintellus mit seine Beystände so lange nach /daß er Hermolas entich begegnet und ihne Mörderischer Weise angriff. Der Neapolitaner stunde an einem Thor / und schützte sich dergestalt / daß ihm Quintellus in den Degen laufft / und in das Bein ver wundet / darüber er auch zu Boden gefallen / und Hermoles / der auch etliche geringe Wunden hatte / zu entspringen Gelegenheit bekommen. Quintellus wird zu den Wund-Artzt getragen / und befindet sich sein Stich zwar gefärlich / aber doch nicht tödlich. Hermolas aber müste dem Gefängnüß entfliehen / und sich zu Viterbo eine Zeit auffhalten / entfernet von seiner schönen Prudentia / welche den Ruff erschallen lassen / das Hermolas nach Aquila verreiset / und nicht mehr wieder kommen würde. Indessen würde Quintellus von seinen Wunden geheilt / und ob er woll Hermolas erstlich beschuldiget / hat er doch nachmals sein Unrecht erkand / und ihn wieder entschüldiget / damit aber seine Freunde keines wegs zu Frieden sein wollen.[261] Hortensia machet sich heimlich in Mannes-Kleidern darvon / und kompt nach Aquila / ihren Hermolat zu ehlicher Beyliebe zu bewegen / nachdem sie aber in der Stadt herumb spatzieret / begegnet ihr Eleonor / den sie für den Hermolas / wegen besagter Gleichheit ansiehet / und auff das freundlichste zuspricht. Als dieser den Irthum / so ihme mehrmahls begegnet / erkennet / und höret / daß es eine reiche von Adel / will er solches Glück nicht aus Handen lassen / doch ihren Worten auch nicht vollen Glauben zustellen / sondern bittet sie / daß sie bey einem seiner Freunde etliche Wochen verharren wolte / biß er seine Eltern zu solcher Verehlichung willigen machte. Inzwischen nimpt er seinen Weg auff Siena / und leget seine Werbung bey Hortensia Freunde selbst ab / die ihn für Hermolas / welcher den Sienesern noch nicht trauen wil / ob er gleich gehöret / daß Quintell sein Feind wiederumb genesen / in das Gefängenißllegen lassen. Bevor nun Eleneor in das Gfängeniß gekommen / und von Hortensia Freunden das Ja-Wort zu dem Ende erhalten / daß ihre Tochter nur möchte wieder kommen / schreibt er alsobald nach Aquila /und bittet seine verhoffte Hochzeiterin sich wieder einzustellen / wie sie auch gethan / den vermeinten Hermolas hat sie aber / in den Gefängnüß / und als hätte er sich entführet / beklagt gefunden. Nach dem aber der Hermolas wieder nach Siena gekommen /und von seinen Freunden Urlaub erlangt / Prudentia zu freyen / wird er ungefehr von den Schergen begegnet / und weil sie vermeinet / daß er auß dem Gefängnüß gebrochen / alsobald angefallen / und wieder in Verhafft genommen. Sie funden aber allda Eleonor /für Hermolas / und wurde den Irrthumb / welchen die Gleichheit ihrer Angesichter machte / bald erkant. Sie bekennen beede die Warheit / werden[262] gegen einander gehöret / und weil Hermolas dem Richter die Hand gesalbt / sind sie der Verhafft erlassen / und wieder auf freyen Fuß gestellet worden; Da dann Hermolas ohne fernere Verzögerung Prudentiam gefreyet / und mit sich nach Aquila geführet / welche ihren Nahmen in der That erwiesen / und sich bey seinen Eltern und Freunden geliebt und geneigt gemacher. Weil nun Hortensia in des Eleonoris Angesicht gefunden / was sie an Hermolas geliebet / hat sie von ihme nicht absetzen / sondern den Betrug für angenehm halten /und sich mit ihm trauen lassen wollen / welche auch nachmahls / als die Schiffer die Ungewitter erzehlet /was sich wegen der grossen Gleichheit Hermolas und seines Angesichts begeben / zu frieden gewesen / hat auch durch seine Demuth / Hortensiam und ihre gantze Freundschafft zugunstiger Gewogenheit veranlaßt.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 259-263.
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