XIX. Die listige Auffenthalt.

[29] Es begibt sich offtmahlen / daß die gefangene Sclaven fürnehme Leuthe sind / und sich mit der Arbeit gantz nicht beheiffen können / dahero stehen solche Gefangene überauß schlecht / es sey den / daß sie sich mit Practiquen davon helffen / wie auß folgenden 2 Exempeln zu ersehen.

Ein Ritter auß Franckreich war viel Jahr ein Sclave gewesen / hatte aber (weiß nicht / auß was Ursache) weder Schreiben noch Geld von Hauß empfangen /gleichwohl ward er mit aller Arbeit verschonet; Lebete wie ein freyer Mann / war wohl bekleidet / aß und tranck recht delicat / und hielte offtmahls seinen guten bekandten offen Hoff. Diese geruhige Tage aber erwarb und erhielt / er folgender Gestalt: Er machte mit Renegaden / insonderheit seinen Landsleuten gute Kundschafft / von denselben nam er Geld auff Zinse /mit welchem er sich bey dem Guardian von der Arbeit loß kauffte / und vorerwehnter massen sein Leben zubrachte; wenn die Zahl-Zeit heran kam / so nam er von andern auff / und bezahlte den Ersten / weil er sich nun so richtig in der Zahlung hielte / hatte er allenthalben Credit / und konte ziemliche Summen auffbringen / auch jährlich noch ein ziemliches überhaben / in Ansehung / daß alle Renegaden Soldaten seyn /die bald zu Felde / bald auff die freye[29] Beuterey mit dem Feinde zu thun haben / dannenhero allemahl einige seiner Creditoren umb die Hälse kamen / und er also der Zahlung halber quitirt wurde.

Rodrigo ein Spanischer Großsprecher / der in seinem freyen Stande immer von Degen und Pistolen zu pralen pflegte / ob man ihn gleich mit einem rauchen Handschuh jagen könte / wuste sich durch seine Rodomontaden in seinem Sclavenstand zu ernähren; Den er ließ sich bey alle Händel als Scheidsmann mit Spanischer Gravität finden. Es war ihm aber nichts neues / ein oder mehr Paar an einander zu hetzen / damit er sich hernach darzwischen legen / Friede machen / und bey dem Vertrag eine freye Zeche erhalten können. Die Krüger sahen ihn dieser Ursachen halber gerne /weil er ihnen Nahrung brachte / auch ihnen offters zur Zahlung behülfflich war. Den es gibt insgemein bey der Zahlung einig Hader zwischen den Krügern / die Christen-Sclaven sein / und den Türcken / die sich wohl ersoffen haben / nicht zahlen wollen; wenn sich nun ein solch Tumult erheben wolte / so lieff Rodrigo nach dem Guardian / und ließ den Bain schliessen. Fiengen den die Türcken Händel an / und wolten ihr Messer zücken / oder Gewalt brauchen / so kam Rodrigo von hinten zu mit einer Leiter / und warff solche den Türcken übern Halß / hiel sie also / biß der Guardian kam / der zwang sie den zur Zahlung / und nam sie darzu in Geld-Busse / davon Rodrigo sein Antheil hatte.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 29-30.
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