CCXXXVI. Der behende Gastgeber.

[536] Zu Ingolstadt logirte ein junger Edelmann bey einem Wirth / welcher ziemblich in den Tag hinein lebte /daß der Wirth eine grosse Summa von ihm zufordern hatte: Dannenhero begunte ihm angst zu werden / und er gedachte auff mancherley / wie er Raht finden[536] möchte / damit er bezahlet würde. Inzwischen begab sich / daß des jungen Edelmannes Vater (welcher ein Ritter war) nach seinem Sohne schickte / er solte unverzüglich heimkommen. Da fieng dem Wirthe erst an wie die Katze den Rücken aufzulauffen / er wuste nicht wie er seinen Sachen thun wolte / zu letzt gedachte er / wolan / ich muß ein anders für die Hand nehmen / ob ich doch mit Listen zur Bezahlung kommen möchte. Er richtet ein gut Pancket zu / und saget zu dem Edelmann; Juncker / ich verstehe / wie daß ihr heimreiten wollet / nun müssen wir uns dennoch zuvor mit einander letzen / und einen guten Muht haben. Dieß gefiel dem Edelmann wol / und er sagte: Ja mein Herr Wirth / in welcher Mahlzeit muß aber solches geschehen / damit ichs auch andern guten Gesellen / so mir lieb sind / verkündigen mag? Der Wirth sprach: Juncker / zum Nachtmahl bin ich sehr wolgerüst / darumb möget ihr wol gute Gesellen mit bringen / so wollen wir gantz leichtsinnig sein; In Summa die Sache war also abgeredet. Der Wirth befahl allem seinen Gesinde; So bald man zu Tische käme / solten sie nur nicht faul seyn / mit Einschencken; so war der Bescheid auch gegeben / daß sie den besten Wein einschencketen. Nun / so bald es umb die Zeit war / daß man zu Tische saß / trug man auff der Schwere. Da hub sich ein groß Fressen und Sauffen an: Der Wirth aber lieff stets von und zu dem Tische / damit man auff sein Fürnehmen nicht achten /und destoweniger Argwohn haben möchte. Er schürte auch tapffer zu / damit dem jungen Edelmanne kein Mangel an Trincken gelassen würde. Nun hatte der junge Edelmann eine schöne güldene Kette am Halse hängen / die war zum wenigsten in 300 Gülden werth / als nun der Wirth merckte / daß der junge Edelmann gantz[537] wol bezecht war / sagte er zu ihm: Juncker / wie möget ihr doch den gantzen Tag so schwer am Halse tragen? Der Juncker sagte / wie so? Da sprach der Wirth / mich beschweret den gantzen Tag das Hembd / wann es am Leibe / deßgleichen mein Hut auff dem Kopffe / ich geschweige / daß ich einen gantzen Tag solte eine solche Ketten an mir tragen solte / sie aber (sagte der junge Edelmann) beschweret mich gar nichts / ich wolte / es käme einer und schenckete mir noch eine zu dieser / ich trüge sie darzu / ja wenn sie noch so schwer sein solte. Der Wirth sagete: Ich möchte doch wol wissen / wie einem were / der eine solche Ketten trüge. Der Edelmann war nicht unbehend / hinge dem Wirthe die Kette an den Hals; Der Schlamp aber gieng nichts destoweniger für sich; Der Wirth lieff ab und zu / wie er vormahls auch gethan hatte / auff die letzte verlohr er sich gar / und legte sich schlaffen / achtete nicht / wer die Zeche machte. Als nun das Sauffen über die Zeit wärete / blieben etliche in der Stuben auff den Bäncken liegen; Die Sorge war schon bey ihnen allen dahin / der Edelmann gedachte nicht mehr an seine Kette. Als es nun Morgen und Tag ward / saß mein guter Wirth auff sein Roß / ritte dahin / und nahm keinen Abschied von seinen Gästen; Nicht lange darnach stund der Edelmann auff / und meinete hinweg zureiten / er fragte offt / wenn der Wirth auffstehen wolte / daß er ihm seine Kette gebe / denn er muste reiten. Zuletzt sagte ihm der Stall-Knecht / der Wirth were des Morgens frühe davon / so wüste er nicht anders / dann er wehre ins Elsaß nach Weine geritten. Der gute junge Edelmann war der Sachen nicht gar wol zufrieden /wartete biß die Wirthin auch kam; die sagte ihm gleich Bescheid. Was solt er thun? Er muste hinweg[538] auff seines Vaters Schreiben / so kunte ihm die Wirthin gar nichts von seiner Kette sagen. Also zohe er gantz traurig davon / über etliche Zeit schrieb er dem Wirthe umb seine Kette. Als er aber lang umbher gieng / must er ihm sein Geld schicken; da hielte ihm der Wirth seine Kette auch nicht mehr zurück.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 536-539.
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