XXIV. Die boßhaffte List.

[38] In Champagne ist eine Gesellschafft von Tartarn /Egyptiern / oder Zigeunern in einem Marckflecken angelangt / und allda Herberge gesucht: Unter welchen eine Schwangere / so kurtz zuvor ihren Mann verlohren hatte / darnieder kommen / und von den andern /wegen ihrer Schwachheit / zurück gelassen worden. Die edle Frau / welcher der Marck-Flecken eigenthümblich zustunde; erbarmete sich über diese Verlassene / und leistete ihr allen Beystand. Als sie aber vermerckte / daß es der Kinderbetterin das Leben kosten möchte / indem die Kranckheit von Tag zu Tag überhand nahme: Liesse sie die Krancke / durch den Geistlichen des Orths besuchen / und zu Rettung ihrer Seelen bewegligst ermahnen: massen sie auch die kurtze Zeit ihres übrigen Lebens / zu einem seeligen Todte / woll angewendet. Bevor nun die letzte Stunde herbey nahete; bedancket sich die Zügeinerin gegen[38] ihre Wohlthäterin: Und gab ihr zu vernehmen / wie sie in der Jugend ihren Eltern entführet / sich mit einem flüchtigem Edelmann / der einen ermordet / und wegen Sicherheit / sich unter die Zigeiner begeben hatte / verehliget / auch mit ihm diese Tochter Oliviam erzeuget: welche sie ihr befehlen / und einen Beutel mit hundert Kronen / zu ihrer treuen Hand anvertrauen wolte; mit Bitte / ihr solches Geld vorzutragen / biß sie erwachsen / da sie solches zu einer Außsteur von nöthen haben möchte. Avoye / also nennete sich diese Edle / hörte mitleidig zu / und verspricht ihr auch alle müglichste Wilfahrung / deses Mädglein von so böser Gesellschafft ab / und zu allem gutem /in ihren Diensten auffzuziehen: Verhoffend / ein Werck der Christlichen Liebs-Schuldigkeit darinnen zu leisten: empfängt also dem Beutel mit dem Gelde /und nimbt Oliviam auff unter ihren andern Dienerinnen / nach Tamaris / der Zügeinerinnen / bald darauff erfolgten Todt / ehrlich und wohl zu unterhalten. Olivia erzeigt sich wol / ist fleissig und getreu / daß ihre Frau keine Klag über sie haben können; sondern vielmehr wegen ihrer Bescheidenheit und guten Sitten /ihr mehr / als andern ihren Bedienten / mit Gunsten gewogen worden. Hierauß entstunden nun Haß und Neid / unter den andern Mädgen / wieder diese Zigeinerin / wie sie es nenneten: und wurde ihr alles Unheil / so sich in dem gantzen Dorff begabe / meuchellistig beygemessen: Und zu Beglaubung solcher Verleumdung / mischten sie vielerley Wurtzeln / Kräuter / Pergamen-Zettel / mit unbekanten Buchstaben / unter ihr Gerähtlein: Und was verlohren wurde / muste alles die Zigeinerin entzücket haben. Die Frau wil diesem Verdacht keinen Glauben geben / und entschuldiget[39] ihre Unschuld mit der Ankläger Verweiß / darüber sich dann die Feindschafft vermehret.

Was begibt sich? Leon der Sohn im Hause / verliebt sich in Oliviam; und ob er wol vermeinet / es wäre dieses Schloß leichtlich zu erobern; hat er doch mehr Wiederstand gefunden / als er überwältigen mögen; indem er nicht nur mehrmals abschlägige Antwort erlanget / sondern sie auch sein unziemliches Beginnen seiner Frau Mutter angesagt / welche ihm das Haupt mit einer scharffen Laugen gezwaget. Nach diesem wandelte Leon seine Liebe in Haß und Feindschafft; und weil ihm / nach Pariß zu reisen anbefohlen; wil er nicht / ohne zuvor verübte Rache / scheiden / massen er die Gelegenheit erkundschaffet / unvermerckter Weise auß seiner Frau Mutter Schatz /der Olivia hundert Goldstück zu entwenden / und hundert Bltlein Eychen-Laub an die Stelle einzulegen. Damit scheidet er / und verzehrt das Geldlein zu Paris / in vollen Freuden.

Avoye gibt bald hernach der Olivia verlaub / ihrem Sohn alle Veranlassung zum bösen auß dem Wege zu räumen; welcher bald wieder nach Hause kommen /und etliche Streitigkeiten in der Nachbarschafft vortragen solte. Indem sie nun ihr das anvertraute Geld einhändigen wil; findet sie den mit Blättern angefülleten Beutel viel zu leicht / und schleust auß diesem Betrug / daß die Olivia / von ihrer Mutter / die Zauberkunst ererbet / und die vorgemelten Anklagen / ausser allem Zweiffel wahr sein müsten. Hierüber wird ein Geschrey in dem Schloß / Olivia hinauß gestossen /und von den rasenden Bedienten und Bauren mit Steinen verfolget / daß sie in ihrer Unschuld zu Boden geworffen / und also jämmerlich umb ihr Leben[40] kommen müssen. Leon kehret wiederumb nach Hause /und fället in ein Hitziges Fieber / daß die Artzte ihn verlassen / und der Beichtiger seine Seele zu heilen /beschickt wird. Es kunte ihm nicht unwissend sein der Olivia jämmerlicher Todt; und daß er desselben Ursacher / sagte ihm sein Gewissen. Dieses zu entdecken /eröffnet er dem Beicht-Väter und seiner Frau Mutter den hinterlistigen Diebstall / durch welchen er Olivia verächtliches / und wie er es nennete / verrähtliches Verfahren gegen ihn zu rächen vermeinet: Nicht wähnend / daß es zu einem solchem Ende außschlagen solte / und daß diese Unschuldige umb das Leben kommen würde.

Hierüber betrübte sich die alte Mutter / daß sie ihr den blutigen Leichnam der Olivia nicht auß den Sinne schlagen konte: Und bedünckte sie / daß solche That umb Rach gen Himmel schreye / wie das Blut des gerechten Abels. Weil sie nun dieses Verfahren nicht sattsam bereuen kunte; verschaffet sie die hundert Kronen / benebenst noch andern gewissen Einlünfften für Tamaris und Oliviam järliche Seelen-Messen zu lesen: und gehet kurtze Zeit hernach den Weg aller Welt.

Leon stehet von seiner gefährlichen Kranckheit auff: richtet aber seiner Mutter letzten Willen keineswegs auß / und verlachet die Wiederstattung des entwendeten Geldes. Es ruhet aber die Straffe vor der Thür: den er von einem andern von Adel / der ihn /wegen Ehebruchs / in Verdacht hatte / unversehens in allen seinē Sünden ermordet worden.

Dieses wahre und klagwürdige Exempel lehret /daß man niemand / es sey die Bezüchtigung und der Argwohn[41] so groß / wie sie immer wollen / unverantwortet / vielweniger unbefraget / deß Diebstals schuldig halten solle.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 38-42.
Lizenz:
Kategorien: