LX. Der künstliche Betrieger.

[118] Ein junger Mensch / Peter von Braband genannt /hielte sich im vorigen Seculo in Franckreich auff /welcher in seinem Bauch eine vollkommene Rede formiren kunte / und alles sprach was ihm beliebte / sonder eintzige berührung der Lippen / wodurch er viel Menschen hinter das Licht führete. Er war unter andern verliebt in eine schöne Jungfrau zu Pariß / die keinen Vatter mehr hatte / weil er aber ihre Mutter zum Ja-Wort keines Wegs bringen kunte / so machte er in seinem Bauche / als sie mit einander redeten /eine Stimme / wodurch er den abgelebten Mann / als den[118] Vater der Jungfrau / darstellete / als welcher sich beklagte / daß er deßwegen / weil seine Frau bedencken trüge / diesem Brabander die Tochter zu geben im Feg-Feuer grosse Pein leiden müste. Die Mutter erschrack über dieß Weklagen ihres Mannes / und sagte ihm die Tochter zu / welcher aber / nachdem er die Frau etwa ein Monath gehabt / mit ihrem Geld /worumb es ihm eigentlich zu thun war / nach Lyon davon ging / und die Tochter sambt der Mutter sitzen ließ. Hier ward er berichtet daß ein sehr reicher / aber wegen seiner Schinderey übel berüchteter Wechseler /neulich gestorben / gehet deßwegen zu seinem gelassenen Sohne / welcher bey dem Kirch-Hoffe spatzieren ging und sprach zu ihm / daß er etwas wichtiges /so ihn belangte / anzubringen hätte. Da er ihn nun ermahnete / mehr auf die Ehre und die Seele seines Vatters zu sehen als auff seinen Todt / hörete man alsobald eine Stimme / welche den abgelebten Cörper vorstellete / dabey sich der Brabander also zu verhalten wuste / als wann er von nichts wüste. Durch diese Bauch-Stimme ward der Sohn erinnert / des elenden Zustandes / darinnen der Vater nach dem Tode gerathen / und daß er wegen seiner Boßheit nunmehro in der Helle grosse Pein leiden mußte / theils wegen seines bösen Lebens / theils weil er seinen Sohn zum vollen Erben aller mit bösem gewissen erworbenen Schätze eingesetzt hatte. Er berichtete auch / daß er davon nicht könte entlediget werden / es sey dann /daß der Sohn unter die / so dessen am meisten benöthiget / Allmosen außtheilete / solches wären aber die unter den Türcken gefangene Christen. Er solte deshalben dieser Persohn glauben zu stellen / welcher von guthen Leuten / zu befreyung etlicher Christlicher Sclaven / nach Constantinepel abgeschickt / und durch Gottes sonderbahre Führung hierher kommen[119] wäre. Ob nun gleich der Sohn der klügste nicht war /so wolte er doch so leicht nicht vom Geld / antwortete deßwegen / daß er sich hierüber bedencken / und ihm / dem Brabander folgenden Tag an diesem Orth bescheid ertheilen wolte.


Inzwischen dachte er hin und her / und hielte den Orth verdächtig / wo er diese Stimme gehöret / als welcher schatticht / dunckel und bequem were / einen Betrug zu stifften / führete demnach diesen Betrieger andern Tages / an einen andern offenen Orth / aber indem sie schon mit einander redeten / hörete der Sohn gleichwohl den vorigen Vogel singen / mit dem Zusatz / daß er dem Brabander ohngesäumt 6000 Güldee überantworten / und täglich 3 Messen zu Erlösung seines Vaters Seele solte singen lassen / sonsten wäre der selbige in Ewigkeit verdammt. Weil nun der Sohn gewissenhafft und erschrocken war / so dachte er dem Dinge nicht weiter nach (zumahl solch gewonnenes Geld gemeiniglich Flügel zu bekommen pflegt) sonder zehlte dem Betrieger 6000 Gülden zu /ohne zurückgebung einiger Hand-Schrifft / oder gegenwart eines einigen Zeugens: Der Vater kam zwar hierauff nicht wieder / seinem Sohn beschwerlich zu fallen / aber dieser ward von den andern Wechselern /denen er das / so passiret erzehlte / wacker außgelacht / die ihm zugleich den Betrug dieses Brabanders entdecketē: weil aber dieser sich schon unsichtbar gemacht / und alsobald an einen andern Orth begeben /so zog ihm der Sohn diesen Verlust dergestalt zu Hertzen / daß er in wenig Tage auch mit Todte abgieng / und zu seinem Vater reisete / umb sich dieser Sachen wegen gründtlich unterrichten zu lassen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 118-120.
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