LXVI. Die listig-erworbene Buhlschafft.

[129] Zu Genua lebte eine adliche Dame / nahmens Romana welche wegen Mangel behöriger Mittel / sich daselbsten einen reichen Seiden-Weber auf inständiges Einrahten ihrer Eltern / verheurahtete / weil aber ihr Mann / dessen dritte Frau sie war / schon bey zimlichen alter / und also die jenige Schuldigkeit ihr nicht leisten kunte / die ihr alß einer blutreichen frischen adelichen Damen gebühret / bildete sie ihr ein / es sey ihr erlaubet deßfals bey einem andern sich Rahts und Erstattung zu erhohlen. Gleich wie aber das Frauen-Zimmer / dieser Orthen mehr / als anderswo eingesperret ist / und man genaue Achtung auff sie hat /also verbarge sie ihr heftiges Anliegen eine Zeitlang /und ersahe inzwischen einen wackern jungen Edelmann / der ansehnlich von Persohn und von guten Geschlecht / aber gleichfalls nicht sonders von Mitteln war. Zu diesem trug sie eine hertzliche Affection /weil er bißweilen durch ihre Strasse / darin sie wohnet / vorbey gieng / weil er aber hievon den geringsten Winck nicht bekommen hatte / sie auch nicht wuste /wie sie ihm ihre Gunst / und mehr als erlaubte Gewogenheit / zu verstehen geben möchte / erdachte sie endlich nach reiflichen langem Nachsinnen folgende List:[129]

Sie hatte vernommen / daß dieser Edelmann / nahmens Leonardo / gar offt zu einen alten München gieng / und sich in der Gottes-Furcht fleissig mit ihm unterredete / und wie dieser alter Münch wegen seines heiligen Wandels in der gantzen Stadt sehr bekant /also lobte er des Leonardo Tugend und Glaubens-Eyfer über alles / weil er wuste / das solches etwas seltzames bey Edelleuten zu sein pfleget. Romana suchet Gelegenheit zu diesem Münch ins Kloster zu kommen / zu dem sie sprach: Andächtiger Vater /euer heiliger Wandel / und guter Glaube / den ihr bey jederman habt / verdienet nicht / daß man übel von euch rede. Ich bin berichtet worden / daß ein Edelmann / nahmens Leonardo sich offt bey euch einfindet / welcher sich sehr andächtig stellet / da er doch in seinem Hertzen Ehebrecherische Gedancken führet; Ich aber / welcher er seine Liebe anzutragen sich unterstanden / bin nicht von solcher Arth bösen und leichtsinnigen Weibern / wie ich ihm etliche mahl durch seine zu mir gesandte Kuplerinnen gesagt / und ich hatte mir vorgenommen / ihm meinen Mann und Bruder auff den Halß zu weisen / wann er nicht von mir ablassen würde / aber ich schone seines ehrlichen Geschlechtes / darum komme ich zu euch / und bitte ihr wollet ihm bey erster Gelegenheit das Gewissen schärffen / und ihn vermahnen daß er meiner gäntzlich müßig gehe / wo er nicht in Scham und Schaden fallen wolle. Der Münch verwunderte sich sehr über diese Rede / weil aber die Romana dieselbe mit etlichen erdichteten Trähnen bekräfftigte / tröstete er sie nach äussersten vermögen / darauff sie entlich wieder von ihm schied / nachdem sie ihm eine harte Krohne in die Hand gestecket / weil sie wuste / daß er von den Almosen lebte. Wie nun hierauff Leonardo wieder zu diesem Geistlichen Vater[130] kombt / hält ihm derselbe seine Gleißnerey / und ungebürliche Liebe zu der Romana vor / und bestrafft ihn hefftig. Leonardo / der von der Romana gehöret / aber dieselbe im geringsten nicht kante / versuchte sich mit hohen Eyden / daß man ihn mit Unrecht beschuldigte / und wünschete der Romana alles Unglück auff den Halß / und weil er in seine Reden sehr beständig / bringet er den guten Geistlichen in einen Zweiffel. Ob sie auch an seiner Persohn einen Irrthum begehen möchte / tröstete ihn demnach / unn ermahnet ihn / so es ja also gewesen /von der Romana abzustehen / und ihrer gantz und gar müssig zu gehen / worauch sie von einander schieden.

Romana ließ sich von der Zeit stets an dem Fenster sehen / welches auff die Strassen gieng: Sie hatte sich prächtig angekleidet / und passete auff ihren Leonardo / welcher in seinem Sinn gedachte / du must doch zum wenigsten bemühet sein / ob du diese adliche Jungfrau möchtest zu sehen bekommen / welche dich so eigentlich kennet / dahingegen du ihrer doch die geringste Kundschafft nicht hast: Nam also seinen Weg bey ihrem Hause vorbey / und wie er nahe hinzu kommen / thäte sie das Fenster einwenig auff / und grüssete ihn überauß freundlich: Welches ihm seltzame Gedancken machte / gleichwol danckte er ihr / ohne Zorn / und gieng weiter fort / wo er zu thun hatte. Hierauff dachte er der Sachen nach / und bildete ihm ein / der Münch habe sich an der Frauen Persohn geirret / und ob er gleich eben insonst erheit keiner andern nachgienge / mutmassete er dannoch / es müsse ihn eine andere bey dem Ehrwürden Vatter also angegossen haben. Wie er demnach am folgenden Tage wieder zu seinem München kam / erfuhr er die Confirmation /daß es diese Frau und keine andere / die[131] ihn nun zum andernmahl verklagt hatte. Dann dieselbe war sobald Leonardo bey ihr fürüber gangen / zum Pater kommen / hatte gewaltig geweinet / und ihm geklaget / daß ihr der Leonardo itzo noch viel stärcker zusetzete / als jemahlen vorhin / bathe deßwegen ihn bald von der ungebührlichē Liebe zu ihr abzureissen / oder sie wurde nicht ermangeln / ihn deßwegen / für aller Welt zu beschimpfen / der Münch tröstete sie / und hielte ihr für / wie Leonardo mit hohen Eyden bekräfftiget / daß er sie gar nicht kenne / viel weniger jemahlen die Gedancken auff sie gehabt / und bahte / sie möchte solch ungeleiche Gedancken von ihm fahren lassen. O des leichtfertigen Buben! Sprach sie darauff / O des vermessenen Lügeners! kan er es leugnen / daß er gestern etlichemahl meine Wohnung vorbey gangen / und alß ich mich mit fleiß vor ihm verbarg / durch eine alte Kupplerin kurtz hernach diesen Ring und Beutel mit etlichen Gold-Stücken zu mir gesandt / in Hoffnung /mich dadurch zu seiner Ehebrecherischen Liebe zu reitzen? hiemit zog sie einen schönen Ring und einen güldenen Beutel mit etlichen schönen Rosenoblen auß der Tasche / und sprach ferner; sehet da lieber Vater! dieses Unterpfand kan ihn schlagen / als mir die alte Vettel diese Stück überreichte / hette ich sie vor Zorn schier alsobald ins Wasser geworffen / aber nachdem ich mich ein wenig besann / dachte ich / es würde Leonardo am füglichsten von meiner Liebe abgeschrecket werden / wann er die mir übersante Buhlen-Geschäncke wieder bekähme / und daraus erlernete /daß er durch Gaben meiner Ehre keinen Schaden thun würde / weil ich aber besorgte / wann sie die alte Frau wieder zurück bringen solte / dörffte sie leichtlich /wie wol mehr geschehen / dieselbe vor sich behalten /und fürwenden / ich hette sie angenommen /[132] und dadurch wurde Leonardo nur in der Liebe hitziger. Solchem nach habe ich euch / Ehrwürdiger Herr Vatter /diese Dinge gebracht / damit ihr sie ihm selber einhändiget / als einen gründlichen Beweiß seiner Vermessenheit / dabey aber / und worumb ich euch abermahl gar hertzlich wil gebehten haben / vermahnet ihn / daß er diese und alle seine Gifften und Gaben bey mir vergeblich anwenden wird / möge sie demnach für sich selber behalten / weßfals ich ihm diese durch eure Hand wieder zustelle / und daß er sich ja hüte / dann ich durch sein fürters beschwerliche Anhalten nicht genöhtiget werde / ihn bey den Meinigen anzugeben / so dörffte ihm alsdann gewißlich ein offentlicher Schimpff wiederfahren / wornach er sich zu richten haben kan.

Hiemit nahm die Romana Abschied vom Pater und beschenckete ihn mit einem reichen Allmosen-Pfenning / zumahl er ihr versprach alles fleißig auszurichten / worumb sie ihn gebehten hette / der gute Leonardo / der bald darauff auch ankam / ward gar rauch von der Heil. Kloster-Person empfangen / es fehlete wenig / der Münch hette ihn alsobald verdammet / weil er annoch so beständig leugnete. Wie du freches Welt-Kind! sprach er zu ihm / kanstu wol leugnen ein Ding / daß ich dir Sonnen klar machen kan? Siehe hier diesen Ring und Beutel mit Geld! Siehe! schaue! wie stehestu nun? Ey feiner Heuchler! Aber ich sage dir /Romana der Ausbund aller ehrbahren Frauen ist selber nun zum andernmahl bey mir gewesen / und hat mich gebeten / ich solle dir diese leichtfertige Gaben wiedergeben / damit du daraus erkennen mögest / wie so gar nichts du an ihrer Liebe erlangen mögest. Ich bitte dich aber umb deiner Ehr und hohen Freund schafft willen / lasse sie zu frieden / wo du nicht selber dich in das äuserste Verderben[133] stürtzen / und für der gantzen Stadt zu Spott werden wilt.

Leonardo nahm diese schöne Sache / und gedachte / daß diese eine ander Bedeutung haben müsten / nach dem er sich also ein wenig besonnen / eben als wann er seine Sünde innerliche bereuete / sprach er: Ach Vatter / mein Gewissen ist mir gerühret / ach vergebet mir meine Sünde / ich wil mich bessern / und nimmermehr an die Romana gedencken. Auff diese Worte schärffte ihm der Pater das Gewissen noch vielmehr /vermahnte ihn zum Guten / gab ihm endlich auff Begehren / die Absolution / und ließ ihn mit einem Kuß wieder von sich gehen. Leonardo ging also bald nach der Romana Hauß / wo sie sich abermahl unfehlbar am Fenster sehen ließ / und als sie von ihm freundlich gegrüsset worden / sprang ihr das Hertz im Leibe vor Freuden. Nun hastu schon halb gewonnen / sprach sie bey sich selber / und hoffte auff Gelegenheit / ihren Buhlen bald bey ihr zu sehen. Gleich wie es aber in Genua übel gedeutet wird / wann ein Frembder mit einer Hauß-Mutter redet / also sahe sie kein Mittel /zu ihrem Willen. Endlich aber erdachte sie durch ihre Behendigkeit folgende List: Sie ließ einen Brieff schreiben / darin ihres Mannes Bruders Frau zu Massa ihrem Manne / dem alten Seiden-Weber zu wissen thäte / welcher gestalt sein Bruder / ihr Ehe- Mann vor wenig Tagen ohne Kinder verstorben / dahero sie verbunden / ihme solches kund zu thun /damit sie sich fordersambst und zwar in der Güte wegen seiner ziemlichen Verlassenschafft aus einander setzten. Diesen Brieff ließ sie durch eine unbekante Persohn ihrem Mann überlieffern / welcher alsobald nach diesem Bißlein schnapte / und sich also gleich am folgenden Tage[134] auff die Reise nach Massa erhub. Er war aber kaum aus dem Thor kommen / da verfügte sich die listige Romana wieder zu ihrem Pater / fing bitterlich an zu weinen / und klagte ihm /Wie Leonardo / da kaum ihr Mann aus dem Hause gewesen / nach Massa zu reisen / ihr durch eine alte Vettel dieses zarte Hembd und ander Leinen-Gerähte (welches sie hierauff dem Pater reichte.) übersant /und vermelden zu lassen / sich erkühnet hatte / er wolle auf den Abend in Ihren Garten am Norder-Ende kommen / und an dem daselbst befindlichen grossen Maul-Beerbaum zu den Fenstern ihrer Schlaff-Kammer klettern / sich hinein werffen / und wann er dieses Hembd und beygehendes Leinen-Geräht angelegt /sich rechtschaffen mit ihr ergetzen. Ach umb des Himmels willen / helffet mir von diesen Buben / haltet ihm seine Stücklein mit solchen Umbständen für /wie ich sie euch erzehlet / so wird er sie nicht läugnen können / überreichet ihm zu seinem Uberweißthumb auch dieses Gerähte / und versichert ihn / wofern er sich noch ein eintzigesmahl erkühnen wird / meine Erbarkeit und Ehre zu bekümmern / daß ich alsdann keine Gedult mit ihm haben / sondern anderwelt Mittel suchen werde / die zulänglich gnug seyn mögen /ihn seines Frevels / wiewohl allzuspäte / gereuen zu machen: Ach ich betrübte / angefochtene Frau! Hierauff fieng sie hertzlich an zu weinen / daß auch der alte Münch selber mit weinete / dessen sie doch in ihrem Hertzen lachete. Nach empfangenem Trost /den sie abermahl mit einem reichen Allmosen vergolten / ging sie ihres weges / und lebte der Versicherung / ihr Courtisan würde den Possen wol gemercket haben / und sich auff den Abend bey ihr einfinden.

Es ist aber nicht zu beschreiben / wie der Münch hierauff[135] den guten Leonardo / da derselbe seiner Gewohnheit nach fast allemahl ein Tag umb den andern zu ihm kam / mit rauchen Scheltworten anfuhr; Etliche Tage her / sprach er / hastu dich wolgehalten /und die Romana hat keine Anfechtung deinetwegen erlitten / aber jetzo beginnestu dein Gottlosses Wesen wieder herfür zu suchen / welcher Zauber-Geist hat dir so bald sagen können / daß der Romana Ehe-Mann diesen Morgen nach Massa verreiset? Schäme dich / daß du desfals die Wahrsager umb Raht fragest / noch vielmehr aber / daß du dir einbildest / du wollest die allerkeuschete Romana durch Geschencke /und reiche Gaben zu deinen gottlosen Willen bringen. Sie wird sich und dich zugleich vieleher mit einem Dolch erstechen / ehe sie ihrer Ehre und Zucht einen solchen Flecken anhinge. Leonardo wolte sich mit Fleiß etwas unwissend stellen / umb noch mehr von diesen Sachen zu hören / worauff dann der Pater das Leinen-Geräth herfür zog. Dieses warff er ihm ins Gesicht / und sprach: Daß du mitten auf dem Meer sässest mit deinem Ehebrecher-Hembd nimmbs wieder zu dir und gibs lieber den Armen / als daß es zu unehren gebrauchet / dein unverschämbtes Hertz muß nicht zu ergründen seyn / welches sie nicht scheuet /diesen Morgen dieses Leinen-Gerähte zu der Züchtigen Romana zu schicken / und ihr andeuten zu lassen / daß du diese künfftige Nacht zu ihr kommen und deine Unzucht mit ihr treiben wollest / hierauff beschrieb er ihm alle Umbstände / wie ihm solche die listige Romana vorgestellet hatte.

Leonardo nahm das Geräthe zu sich / fiel dem Pater zu Fuß / und sprach: Nun so sehe ich / daß noch ein guter Engel über mich wachet / weil alle meine böse Anschläge zurücke gehen müssen / umb meine Seele zu retten: Er[136] stellete sich ferner / als hätte er überaus grosse Reue wegen des Vorgegangenen / und versprach dem Pater sich zu bessern / und der Romana gäntzlich müßig zu gehen / ja wofern sie ihn noch einmahl verklagen würde / solle er Macht und Recht haben / ihn in der Justitz-Hände zu lieffern / und ihm sein Recht thun zu lassen / solche Poenitentz gefiel dem Pater überaus wol / absolvirte ihn demnach /seegnete ihn / und ließ ihn mit dem schönen Leinen-Gerähte hinwandern / welches er alsobald anlegte /und gegen die Nacht an obbeschriebenem Orthe sich einstellete / den Baum hinauff stieg / und das Fenster offen fand / er stieg in die Kammer / und ward von der Romana mit beyden Armen empfangen / köstlich tractiret / und hernach zu Bette geführet / darin sie des München Eyffer und Thorheit von Hertzen lacheten /auch so offt zusammen kamen / als es die Gelegenheit zuliesse. Aber bey dem Münch kam desfals keine Klage ein / welcher den Leonardo hernach für den frömsten Edelmann hielte / nach etwa einem halben Jahr starb dieser Seydenweber / welcher von seiner Frauen so artlich betrogen und nach Massa verschicket worden / und weil Romana an statt der Kinder lauter Gold und grossen Reichthumb von ihm ererbet / nahm sie Leonardo zur Ehe / umm nicht allein zu Mitteln zugelangen / sondern auch die begangene Schande durch sothanes Heiliges Band einiger massen wieder abzuwischen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 129-137.
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