LXXVII. Das gestohlne Schwein.

[153] Auff einer gewissen Universität in Franckreich / da[153] eben eine heßliche ansteckende Kranckheit grassirte /sahen etliche gar vorschlagene Studenten / daß ein Doctor Medicinä / ihr Nachbahr ein treffliches Schwein geschlachtet / und selbiges im Hoff an einen Pfahl umb auszutrucknen / damit es zum saltzen desto bequemer wäre / auffgeschlagen hatte. Weil sie nun dem Doctor ohne dem nicht gut / trachteten sie darnach / wie sie ihm einen Possen machen / und das Schwein entwenden möchten. Solches geschahe bey Nacht / und wie der Doctor frühe morgens dasselbe nicht siehet / wird er bestürtzet / wirfft gleichwol augenblicklich seinen Argwohn auff die rechte Thäter /als welche umb dergleichen Stücklein ohnedem in keinem guten Ruf warē / dannenhero gehet er zum Stadthalter des Orths / und bittet umb Gerechtigkeit. Er erzehlet ihm so viel Umbstände / daß ihm derselbe einen Stadt-Diener zugibt / der den Studenten 1. 2. 3. und gar zum viertenmahl befiehlet / dem Doctor das Schwein wieder zuzustellen / die Studenten aber wolten nicht dran / sondern giengen hin / und läugneten wacker. Der Doctor erlanget endlich / das Haußsuchung geschehen möchte / wiewohl der Stadthalter /als der ein grosser Studenten-Freund / lange nicht dran wolte / darauff wird den Studenten bange / jedoch erdachte einer davon alsobald eine List / und sprach zu seinen Cammeraden: Wir wollen in einer unserer Cammern einen Tisch mit einem schönen weissen Tuch lassen bedecken / auff dasselbige allerley Gläslein / Becher / Oele / Pflaster / Salben und dergleichen stellen und legen / wie man in denen Cammern / darinnen Patienten liegen / zu thun pflegt /als da man viel und mancherley Artzneyen von nöhten und im Vorraht hat: Und wann der Stadthalter jemand schickt das Schwein zu suchen / und derselbige in die Cammer kommt / so stellet euch allesambt sehr traurig / sehet[154] wie ihr Threnen mit untermischten Seufftzen heraus bringen / und wann jemand die Ursach solcher euerer Traurigkeit zu wissen begehrt / so antwortet ihm mit traurigen Gebärden / und sagt / es liege einer euerer Gesellen an der jetzt regierenden ansteckenden Seuche in dem Bette tödtlich kranck: Und welches das allerärgeste so stehet ihr in Sorgen / es sey auch der meiste Theil der übrigen unter euch mit solcher Seuch albereit auch angesteckt: und damit sie es desto besser glauben / wollen wir das Schwein anstatt des Patienten in das Bett legen / ihm ein Schlaffhauben auffsetzen / und die Decke sein wol hinauffziehen / damit man es desto weniger könne sehen und mercken: Für das übrige last mich sorgen: Dann wie ihr wisset / so stehet die gantze Stadt dieser Schwach heit halben in grosser Forcht / und wird sich keiner leichtlich zu dem Bett hinzu nahen / vielweniger die Decke auffheben / zubesehen / was darunter liege.

Als die übrige ihres verschmitzten Gesellen guten Vorschlag vernommen / kunten sie nicht auffhören zu lachen / richteten alles dasjenige / was er ihnen gerahten / alsobald ins Werck / und schlugen alle Forcht /destomehr von sich / dieweil es ein solche Sach / die nicht umb Leib und Leben zuthun: setzten demnach die Taffel zurecht / das Tuch und alle obgemelte Sachen drauff / legten das Schwein in das Bett / setzten demselbigen ein Schlaffhauben auff / umbwickelten und verdeckten ihm den Halß / Stirn und Rüssel / mit einem weissen Tuch / liessen die vordere Füsse mit Lumpen umbwickeln / und mit Ermeln angethan ein wenig über der Deck heraus ragen: Sie waren mit diesem allem kaum fertig wordē / da kamen die Hauptleute beneben den Scherganten von dem Stadthalter geschickt / klopfften ihrer Gewohnheit mit grosser Ungestümm an der Thür des Hauses an / trungen / als man ihnen die Thier auffgemacht /[155] mit hellem Hauffen ohn allen Gruß oder Zusprechen hinein / giengen strackswegs hinauff in den Saal / funden die Studenten sehr traurig und weynendt beyeinander: Dann der eine seufftzet und klaget der ander weynt / der dritt lege seinen Kopff auff die Hand / schlug die Augen unter sich und war sehr traurig / der vierte schlug die Hände zusammen / sahe über sich und seuffzet: Und so fort an / endlich schriehen sie alle zusammen und rufften / ach des armen Tropffen / unsers Gesellen / ist es müglich / daß wir ihn also sollen verlieren? ach es kan nicht anders seyn / sintemahl kein Artzney das geringste an ihm ausrichten und verfangen wil: O Todt /verschon dieses jungen und freudigen Hertzen / und was sie dergleichen klägliche Wort mehr vorzubringen und zu erdencken wusten.

Uber diesem Klagen und Heulen wurd die gantze Wacht sehr verstürtzt / derowegen dann einer aus den Hauptleuten fragte / was ihnen begegnet / darüber sie sich so sehr beklagen und ängstigen: Deme gab der eine Student zur antwort und sagt: Ach in dieser nächsten Cammer liegt einer unserer Gesellen / mein allerliebster Freund und Bruder an der jetzt regierenden ansteckenden Seuch tödtlich kranck: Und welches noch ärger / so stehen auch wir allesampt in denen Sorgen / daß wir ihme werden nachfolgen / sintemahl fast keiner unter uns / der sich nicht übel befindet: Gehet hinein / liebe Herren / gehet hinein / und helfft uns unsern Bruder beweinen: Als solches der Capitain vernommen / macht er die Cammerthür ein wenig auf / sah hinein / zuvernehmen / ob ihm also wer / wurde des Krancken / wie oberzehlt / in dem Bett und eines andern / welcher bey dem Bett saß / und den Krancken tröstet und zu einem seligen Abschied mit vielen Weinen / Worten und Gebärden stärckt / zusampt den vielen Gläsern und Häfelein[156] auff dem Tisch gewahr /geriet darüber in eine grosse Furcht / zohe den Kopff alsobald wiederumb zurück und gieng ohn alles GOtt behüte euch / mit seiner Gesellschafft wiederumb aus dem Hauß hinaus / verfüget sich in solchem Schrecken zu dem Stadthalter / konte kaum reden / bracht endlichen so viel heraus und sagte: Ach Herr / wo habt ihr mich hingeschickt? Was ist es / fragt der Stadthalter / der Herr hat mich / antwortet er / wiederumb / in ein Hauß gesendet / in welchem ich einen an der jetzt regierenden bösen Seuch hab gefunden todtkranck liegen: Und alle übrige Studenten / so in demselbigen Hauß sind / sitzen beysammen und dasselbige nicht allein von wegen ihres krancken Gesellen /sondern auch umb sich selbsten / dieweil sie sich gleichfals dieser Kranckheit zu befahren / und allbereit jetzund nicht wol befinden. So bald solches der Stadthalter vernahm / schrie er mit lauter Stimme /weg / weg mit euch allen / gehet umb Gottes willen aus meinem Hauß / sintemahl wie ich besorg / ihr eben so wol angesteckt seyd / und kompt so lieb euch euer Leib und Leben ist / so bald nicht wiederumb herein / biß ich euerer selbst begehr und nach euch schicke: gieng damit in seine Schlaff-Cammer und sucht seine gewöhnliche Artzney / solchen Schrecken zu vertreiben. Nach dem der listige Student das schnelle Abweichen des Hauptmanns und seiner Gesellschafft vernommen / zog er sich alsobald an /gieng zu dem Stadthaltern / ließ die übrige Studenten in grossem Gelächter zu Hauß / kam vor den Stadthalter / erzehlet demselbigen die gantze Sache / wie es nemblich von Anfang biß zum Ende ergangen / welches ihm denn überallemassen wolgefiel / und kont dessen nicht gnugsam lachen / sonderlich dieweil er vernamm / daß niemand unter ihnen kranck / und sagt / O ihr Studenten seyd ärger und listiger als der Teuffel selbst / glaub demnach gäntzlich / es sey[157] kein List und Bubenstück in der Welt / daß ihr nicht wisset /und wehe dem / der in euere Hände kombt. Befahl ihnen gleichwohl dem Doctori das Schwein wiederzugeben / welches doch den Studenten gar nicht beliebt /als welche nichts zu dem Ende nehmen / daß sie es wollen wiedergeben: Und sagt der Student / es wer ihnen solches ein ewige Schand und ihrer Klugheit sehr verweißlich / umb welches willen man sie für Narren in beyden Rechten halten würde: Sintemahl nehmen und wiedergeben keinem Verständigen wol ansteh / und derowegen auch ihnen nicht gebühren woll: Aber damit sie für billiche Leute angesehen würden / die die Gerechtigkeit lieb hetten / schickten sie dem Stadthalter einen Schincken und etwas von den Würsten / das übrige aber verzehrten sie mit grossen Freuden und bey gutem Wein / also daß der gute Doctor nicht das Geringste darvon genoß.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 153-158.
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