XCIII. Der grobe Spitzbube.

[182] Anno 1676. hat sichs zugetragen / daß eine gewisse junge Persohn im Herbst aus dem Haag kommen /welcher wegen seines Herrn / der zu Amsterdam wohnete / etwas Geld im Haag empfangen hatte / und itzo auff dem Weg war / über Leyden nach Amsterdam zu fahren / dieser ward in besagter Stadt Leyden von dreyen Messieurs / wie sie äuserlich schienen / angesprochen / daß sie sich stelleten / als wann sie auch mit nach Amsterdam wolten / in seiner Geselschafft denselben weg zu reisen. Es hatte aber vorbesagter Jüngling ein Räntzel mit ohngefehr 800 Gulden / den er selber trug / welches die Gäste vermerckten[182] und gedachten / daß es sich nicht gebühre ihnen diesen Hasen entwischen zulassen / wendeten derhalben allen Fleiß und Mittel an / solches ins Werck zurichten. Nachdem sie nun mit einander durch Leyden gangen waren / von dem weissen Thor an / biß auf die Fehre bey dem See-Thore / so war es noch eine halbe Stunde zu früh / mit der Schuyt von dannen zufahren /da sie dann die Zeit zu vertreiben / biß so lange die Schuyte abfahlen solte / ein paar Spiele in der Karte spielen wolten; wie der Jüngling ein Spiel oder gespielet / stehet er auf / hinten auf das Secret zugehen /und nimbt seinen Räntzel / mit sambt dem Gelde und gibt ihm der Wirthin / solchen so lange zu bewahren /biß die Schuyte fahren solte. Einer von diesen Spitzbuben / der stillschweigend aufgestanden / und ihm nach gangen war / gab acht darauf / was er wegen des Räntzels bestellete / kombt sachte wieder in die Kammer / und erzehlt es seinem Mitbruder / was er von dem Jüngling gehöret / und wie er den Rentzel der Wirthin zu bewahren gegeben hatte / biß daß die Schuyte fahren würde. Wie dieser Jüngling hinten gewesen war / kombt er wieder in Kammer / dachte an nichts arges / und fänget wieder an zu spielen. Da stehet einer von diesen Spitzbubē auf / gehet aus der Kammer und sagte / ich muß eins hinten gehen. In dem gehet er zu der Wirthin und sagt: Frau Wirthin /beliebet euch nicht mir meines Bruders Rentzel zu geben / es wird Zeit / daß wir uns bereit machen nach der Schuyte zu gehen / es wird sonsten auff die letzt so voll / daß man kaum in der Schuyte sitzen kan. Die Wirthin sagte ich wil dem Freund / der mir den Rentzel gegeben hat / denselben wieder zu stellen. Wol /Frau / sagte dieser Spitzbube / ob ich mir ihn zu stellet / oder ihm / das gilt gleich viel / er ist mein Bruder / und hat noch was zuthun / ich wil vorhin gehen / vor uns bey[183] den Raum zu hatten / er wird so folgen / denn sie sind jetzo beschäfftiget die Rechnung zu machen. Die Frau dieses glaubete / gibt dem Spitzbuben den Rentzel / und gehet darmit in die Schuyt / wie ihm denn von der Wirthin nachgesehen ward. Wie dieser Spitzbube in die Schuyte kommen war / sahe er sich umb nach dem Hause / ob ihm auch jemand nachsehe / und wie er nun seine Gelegenheit ersahe / machte er hinten in der Schuyte das Türchen offen / und gieng zur Schlupe der Schuyten hinauß. Die andern 2 Spitzbuben hielten unter des den Jüngling auf / endlich es ward Zeit / daß die Schuyte fahren solte / und ward geruffen / ob noch jemand da wäre / der mitfahren müste / da bezahleten sie in der Eil ihr Gelach / und laufft ein jeder geschwind zur Thür hinauß / in die Schuyte zukommen / dieser Jüngling lieff auch nach der Wirthin / und sprach / beliebt ihr mir meinen Rentzel wieder zugeben. Euren Rentzel sagte die Wirthin mein Herr / den hab ich eurem Bruder zugestellet / er sitzet ohngefehr hinten in der Schuyt / der Jüngling erschrickt sehr / und sprach; Frau / was habt ihr gethan / es ist mein Bruder nicht / ich kenne die Leute nicht mehr als ich euch kenne / sie sind auff der Strassen zu mir kommen / hierauf erschrickt die Frau imgleichen / sie lauffen mit einander nach der Schuyten /die Persohn zu suchen / wie sie in die Schuyte kommen / finden sie dergleichen Persohn nicht / die Leute die in der Schuyte sassen / sagten / daß eine Persohn mit einem schweren Rentzel in die Schuyte kommen /aber hinten wieder hinauß gegangen war. Die Wirthin sambt dem Jüngling gehen wieder aus Schuyten / die andern zween umb ihren Mitbruder zufragen / wie aber ins Hauß kommen / hatten diese sich auch auß dem Staube gemacht / und war niemand zufinden /welches einē grossen Aufflauf und Tumult unter[184] dem Bolck auf der Fehre gab / dieser Jüngling prätendiret den Rentzel von der Wirthin / als welchen er ihn gegeben / so wolte er ihn von ihr auch wieder haben /die Wirthin sagte hingegen / ihr seyd selb dritte miteinander hereinkommen / ich hab unter euch Leut kein Unterscheid gemacht; dem möchte sein wie ihm wolte / der Jüngling muste seine fortsetzen und seinen Rentzel mit dem Gelde dahinten lassen / welcher seinem Herrn sonder Zweiffel nicht wird wilkommen sein gegewesen / weil er auf solche weise seine Sachen nicht wol außgerichtet hatte.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 182-185.
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