Wie Fortunatus wider gen Venedig kam, von dannen gen Constantinopel fůr, den iungen kayser krönen, zusehen.

[50] Als sy nun zu Venedig waren, das wer der recht wege, die künigreich alle durch zufaren gewesen. Als sy aber zu Venedig still lagend, horten sy, wie der kayser von Constantinopel ainen sun hett. den woltt er lassen zu kayser krönen, wann er vast alt waß vnd wolt, das er das regimentt bey seinem leben besässe. des hetten die Venediger gewiße kuntschaft vnd hetten zugerichtet ain Galeen vnnd dartzu ain eerwirdiege botschafft mit vil kostlichen klainat, die man dem neuen kaiser solt schencken. do gieng Fortunatus vnd dingt sich vnd sein volck auch auf[50] die Galee vnd fůr mitt den Venedigern gen Constantinopel, das ain grosse stat ist. Noch so was souil frembds volcks darkommen, das man nit mocht herberg haben. man gab den Venedigern ain aigen hauß. die wolten niemmant frembder bey yn lassen. Also sůcht Fortunatus mit seinem volck lanng ain herberg, doch tzu lötst, do fand er ainen wirt, der was ain dieb. bey dem waren sy zu herberg vnd giengen alle tag vnd lůgten dem fest vnnd der grossen kostlichait zu, so dann da volbracht ward, daruon lang zu schreiben wär. doch so will ich fürbas schreiben, wie es Fortunato gangen ist.

Als Fortunatus altag auß gieng zu dem fest, het er ain aigne kamer, die beschlussen sy, mainten, ir sach wär wol versorgt. Aber der wirdt hett ainen haimlichen eingang in Fortunatus kamer, dan die grösser betstan stůnd an ainer hültzin wand, darauß er ain breet nemen vnd wider zutůn mocht, das es niemand mercket, dardurch er auß vnd ein gieng. die weil sy bey dem fest warn, hett er ire pulgen vnd watseck ersůcht, darinnen er doch kain bar gelt fand, dass yn frembd nam vnd gedacht: sy tragen ir geltt bey yn eingenäet in ire wammeß. Als sy nun etlich tag bey jm gezert hetten, rechneten sy mit dem wirt, der nam gar eben war, wer das gelt auß gäb vnd sach, das Fortunatus gelt vnder dem tisch het fürbracht vnd es Lüpoldo gab, der bezalt den wirt. Nun het Fortunatus Lüpoldo beuolhen, das er kainem wirt nichtz solt abbrechen, wann was ainer hayschet, das solt er ym geben. das thet er mit dem wirt auch vnd gefiel ym wol. yn benüget aber nit, er het es gern alles vnd den seckel zu dem gelt gehabt. Nun was der tag nahet, das Fortunatus hett verhaissen, ainner armen tochter ainen man zugeben vnd die tzu begaben mit vierhundert stuck goldes des landes werung. fieng er an vnd sprach zu dem würt, ob er nit wisset ainen armen man, der fromm vnd ain tochter hett, die mannbar wär vnd ir aber von armůt wegen nit ainen mann künde geben, das er dann den vater zu ym weiset, so wolt er ym ain tochter außsteüren nach eeren. der würt sprach: Ja, ich waiß ir mer dann ainen, vnd morgen wil ich zu üch bringen ainen frommen man, der můß sein[51] tochter mit ym hye her zu eüch bringen. Vnnd das geuiel Fortunato fast wol. Was gedacht jm aber der wirt? Ich will ynen aber noch heynacht das gelt steelen, die weil sy es noch haben, wann beyt ich lenger, so geben sy es auß. vnd in der nacht stig er durch das loch vnd als sy all hert schliessen, ersůcht er yn die klaider alle, vermaynet, er solt groß fleck mit guldin in iren wammessern funden haben. do er aber nichts fand, do schnaid er Lüpoldo seynen seckel ab, darinn waren wol fünfftzig ducaten vnd schnaid Fortunato seinen seckel auch ab. do er aber den seckel herfür bracht vnd griff aussen daran vnd nichtz darinnen was, do schmützet er den seckel vnder die betstat vnd gieng also zu den drey knechten vnd schnaid yn allen die seckel ab, darinnen er lützel gelts fand vnd thet thüren vnd fenster auf, als ob dieb ab der gassen hynein gestigen wären, vnd do Lüpoldus erwachet vnd die fenster vnd thür offen sach, fienge er an die knecht zu schelten, warumb sy nit haimlich außgiengen vnd irn herren also vnrů anlegten. die knecht schlieffen vnd wuschten auff auß dem schlaff. ain yeder sprach, er hett es nit geton. do erschrack Lüpoldus vnd lůgt bald zu seim seckel, der was jm ab geschniten vnd hiengen die stümpf an der gürtel. Er růfft Fortunato vnd sprach: Herr, vnser kamer steet offen an allen orten vnd mir ist eüer gelt, so ich noch het, verstolen. das hortten die knecht, den was es auch allso ergangen. Fortunatus wüschet bald an sein wammeß, daran er den glückseckel trůg, befand, das er ym auch abgeschniten was. mügen ir wol gelauben, das er ser erschrack, ja er erschrack so ser, das er nidersanck vnd ym geswand, vnd lag glich sam er tod wär. Lüpoldus vnd die knecht erschracken vnd was yn layd vmb iren herren. sy wißten aber nit den grossen verlust, so ir herr geton het, sonder sy labeten vnd riben yn, byß das sy jn wider zu der vernunfft brachten. Als sy also in der angst vnd nodt waren, do kam der würt vnd stalt sich gar wunderlich vnd sprach, was lebens sy hetten. sy sagten dem würt, jnen wär als ir gelt gestolen. der würt sprach: was seind ir für leüt, hound ir nit ain wolgespert kamer, wes haben ir eüch nit versehen? sy sagten: wir haben fenster vnd thür verspert vnd haben es[52] alles offen funden. der würt sprach: ir sölt lůgen, das ir es nit vnder eüch selb ainander verstolen haben. Es ist vil frembdes volk hye. ich waiß nit, was yeder kan. doch do sy sich so übel gehůben, gieng er auch zu Fortunatus vnd sach, wie er sein gestalt so gantz verwandelt het vnd sprach: ist des gelts vil, so ir verloren hond? Sy sagten, es wär nit vil. wie künden ir eüch dann so übel geheben vmb lützel gelt? ir wolten nächt ainer armen tochter ainen man geben. ersparen das selb gelt vnd verzerend es. Fortunatus antwurt dem wirt gar onmächtigklich: mir ist mer vmb den seckel dann vmb das gelt, so ich verloren hab. da ist ain klains wechssel brieflin inn, das doch niemand kains pfennings wert nützen mag. do der wirt sach, das Fortunatus so ser betrübt was, wiewol er ain schalk was, yedoch ward er bewegt zu barmhertzigkait vnnd sprach: lassent vns sůchen, ob man den seckel künde fünden, wann kainer hat fröd ab ainem lären seckel, vnd hyeß die knecht sůchen. da schloff ainer vnder das bett vnd fand den seckel vnd sprach: hye ligt ain lärer seckel vnd bracht yn dem herren für vnd fragt yn, ob das der recht seckel wär. Er sprach: laß mich den besehen, ob er der sey, der mir abgeschnitten ist. do was er der recht. Nun forcht Fortunatus, so der seckel ab geschniten wär, das er die tugent verloren het vnd torst nit darein greiffen vor den leütten, wann ym layd wär geweßen, das ain mensch die tugent des seckels gewißt hett, forcht, er wurde vmb das leben mit dem seckel kommen. Fortunatus legt sich wider nider, wann man sach wol, daz er blöd was vnd vnder der tecken thet er seinen seckel auff vnd griff dareyn vnd befand, das der seckel in allen krefften wie er vor gewesen was, des er sich wol erfreüwet. Doch so was der schreck so groß gewesen, das er so bald nitt wider zů seiner farb noch stercke kommen mocht vnd blib also den tag still ligen. Lüpoldus wolt yn trösten vnd sprach: O herr, gehabt üch nit so übel. wir haben noch schöne roß, silberin ketten, guldin ring vnd andere klainat vnd so wir nit gelt haben, wöllen wir eüch mit der hilff gotes auch wol haim helffen. ich byn durch manig künigreich gezogen on gelt. Lüpoldus maint, er wär fast reich[53] in seinem haimat, wenn er haim käm, das jm kain verlurst schaden möchte. Fortunatus redett gar onmechtigklich vnd sprach: wer das gůt verlürt, der verlürt die vernunfft. Weißhait wär zuerwölen für reichtumb, stercke, gesunthait, schöne, langes leben, das mag man kaim stelen vnd darmit swig er. Lüpoldus verstůnd die wort nit, wißet nit, wie er die wal gehabt het vnder disen stucken allen vnd fraget nit verrer, maint, er wißt nit, was er sagte also in der onmacht, doch theten sy fleyß vnd brachten yn dartzu, das er aß vnd wider zu jm selbs kam vnd sein rechte farb gewan, fieng wider an frölich zu werden. doch do es nacht was, befalch er den knechten, das sy lyechter kaufften vnd die gantzen nacht liechter brantten vnd yeder sein bloss schwert tzu ym näm, damitt sy nit mer also beraubt wurden, das auch beschach.

Fortunatus hett die trimmer, so ab dem seckel kommen waren, gar starck wider angemacht vnd ließ den seckel so lang vnd er lebt nit mer an dem wammeß hangen, sonder er bewaret yn alweg so wol, das ym den nyemant mer gestelen kund. des morgens stůnd er frü auff mit seinem volck vnd gieng in Sant Sophia kirchen, darinnen gar ain schöne kappel ist, geweicht in der eer vnser lieben frawen. da gab er den priestern zwen guldin, das sy ain loblich ampt sungen vnser lieben frauwen zulob vnnd eer vnd dass lobgesang Te deum laudamus. Do das ampt vnd lobgesang volbracht was, gienng er mitt seynem volck an den blatz, da die wechßler vnnd kauffer waren vnd als er da stond, hieß er die knecht haim geen, die maltzeit zu zerüsten vnd die roß versehen vnd gab Lüpoldo gelt vnd sprach: gang vnd kauff fünf new gůt seckel, so wil ich gon zu meinem wechsler vnd wil gelt bringen, ich hon kain freüd, so wir also all on gelt seyen. Lüpoldus thet, was ym beuolhen was vnd bracht fünf lär seckel. vnd thet bald in ainen seckel hundert ducaten vnnd gab die Lüpoldo, das er außgäb vnd sich versäch vnd nyeman kainen mangel ließ, wenn er nit mer het, so welt er ym mer geben. Er gab yedem knecht ainen neüen seckel vnd zehen ducaten darein vnd sagt jn, sy solten frölichen sein, doch das sy sorg hetten, das ym kain schad mer widerfür, als jm vor[54] geschehen wär. sy danckten ym fast vnd sagten, sy woltten wol sorg haben. Fortunatus thet vierhundert guldin in den fünfften seckel vnd sandt nach dem wirt vnd sprach: als ich vor mit ewch geredt hab, wo ain frommer man ain manbare tochter hett, dem woltte ich sy auß steüren. Er sprach: ich wayß mer dann ainen, doch so wil ich ainen da her bringen vnd die tochter mit ym, das irs sehend vnd merkent. das geuiele ym wol. Der würt gieng zu dem frommen man, vnd sagt, wie ain reicher gast bey ym wär, das er sein tochter näm vnd mit ym gieng, er hoffte, sein ding solt gůt werden.

Quelle:
[Anonym]: Fortunatus. Halle a.d.S. 1914, S. 50-55.
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