Achte Szene


[85] Vorige, ohne Rosl.


DUSTERER. No, no – is a dalkets Ding, die Rosl. – Grillhofer, am Schürzenbandl bin ich ihr hängen bliebn, ja, ja, am Schürzenbandl, sunst nix! Trinkt. Ah, das is a Tropfen! [85] Stellt das Glas vor sich bin. Ja, daß ich also sag, Schwoger, weil ich mich hitzt leichter mit dir red und weil wir allein sind. – Grillhofer – Erhebt sich feierlich. – Grillhofer, mir machst nix weis! Schenkt im Stehen wieder ein.

GRILLHOFER. Wie meinst dö Red?

DUSTERER setzt sich, indem er den Wein austrinkt. Schwoger, ich weiß, warum ich dir gsagt hab, daß ich dir das Höllbüchl erst spater bring. – Ich hab dich fruher betracht – du hast gsagt, besser wär dir. – Laugn's net – wir sein hitzt unter vier Augen –, dir is übler als gestern.

GRILLHOFER. No, werd ich's leicht laugnen unter uns? Nur vorm Wastl, daß er sein vorlauten Wesen Einhalt tut, hab ich's gsagt. Aber ich muß's wissen, daß mir einwendig wohler ist, die Seel is mir gsünder wie jemal.

DUSTERER. Dös gab der liebe Herrgott, aber leicht is dös Ganze nur a hoffartig Einbildung von dir. Erhebt sich wie oben. Grillhofer, weißt, warum dir net besser is? Schenkt ein.

GRILLHOFER. Wußt's net.

DUSTERER. Weil dir die Bußhaftigkeit fehlt. Setzt sich und trinkt aus. Weil dir die Bußhaftigkeit fehlt.

GRILLHOFER. Dös wußt ich a net.

DUSTERER. Grillhofer, glaub mir, wann i dir was sag! Dir fehlt die Bußhaftigkeit!

GRILLHOFER. Möcht wissen warum!

DUSTERER. So, so – beispielmäßig laß dir sagn, es is a Unterschied zwischen Frummheit und Frummheit und Reuhaftigkeit und Reuhaftigkeit, wie zwischen 'm Rosolie und 'm Wacholder, der eine is zur Hochfahrt, der andere warmt einm 's Einwendige. Erhebt sich wie oben. Grillhofer, es steht geschrieben: »Wer mir nachfolgen will –

GRILLHOFER. – der nehme sein Kreuz auf sich!«

DUSTERER. Nein.

GRILLHOFER. Was na? Nachher nöt.

DUSTERER. Das heißt, so steht wohl a gschriebn, aber so mein ich net, 's Kreuz hast schon auf dir. Aber es steht[86] ferner geschrieben: »Wenn du mir willst nachfolgen, so wirf dein Gut ins Meer!«

GRILLHOFER. Tragst du mein Hof aufm Buckel hin bis zum Meer?

DUSTERER. »Ins Meer und teile es mit den Armen.«


Setzt sich und trinkt aus.


GRILLHOFER. So kann net gschrieben stehn!

DUSTERER. Warum!

GRILLHOFER. Wann ich's ins Meer wirf, kriegn's ja die Fisch und net dö Armen.

DUSTERER erhebt sich wieder. Aber es steht doch so geschrieben.

GRILLHOFER. Wird doch kein Unsinn gschriebn stehn?!

DUSTERER. Und warum net, Grillhofer? Glaub mir, wann ich dir was sag. Es steht geschrieben!

GRILLHOFER. Na, da mach du a Nutzanwendung drauf, ich bin mir z' dumm dazu.

DUSTERER setzt sich und trinkt aus. Is kein Kunst, denn es is beispielmäßig zu verstehn. Wann du willst mitm Himmel auf gleich kämma, dann mußt du alles Weltwesen, um was dich noch sorgen und bekümmern könntst, von dir tun, du mußt das Deine verschenken, mußt es an die Armen verteilen.

GRILLHOFER. Da sein eahner doch z' viel, kam ja auf kein was, wär schad um das schöne Anwesen!

DUSTERER. Kannst es ja beinandlassen; wann d' ein einzigen Armen a Guttat derweist, gilt's für alle! Schau dich halt um, vielleicht findst unter der Hand in einer einzigen Familie a ganz Träuperl Arme beinander, die leicht noch zneben der christlich Nächstenlieb no a verwandtschäftliche Zuneigung für dich hätten – ja – ja – brauchst etwa gar net weit herumzsuchen, Schwoger – ja – hm – ja, daß ich sag, beispielmäßig, ich und mein Weib und meine fünf Kinder, wir möchten dich schon rechtschaffen pflegen, möchten dir's im Gebet gedenken, a nach dein seligen End – ja – ja beispielmäßig![87]

GRILLHOFER. Schneid net so hrum, 's hat ja alls a christlich Absehn, und hab ich schon selber dran denkt. Aber in d' Ausnahm gehn, wo andere mit ihnere leiblich Kinder aften nix Guts derlebn, zu Fremde auf Gnoden und Ungnoden!? Net beklagn könnt i mich, heißet's doch gleich: der Narr, was hat er 's Unnötig tan? Und von fruher her hot's mir nie taugt, dein Sippschaft, zwegn engerer Duckmauserei – na, es is nur, daß ma sich ausdischkariert – ja – ja – därf dich net beleidingen! Jetzt stcht's mer ja an, verwahrt war ich schon, wie in ein Kloster, selb weiß ich. Wohl, wohl. Aber ich denk nur so, koan andrer da hrum tat a so.

DUSTERER. Grillhofer – Schwoger – laß dir sagn, tu's oder tu's net. Mir is net um mich. Aber nach die andern mußt net fragn, na, na, nach dö mußt net fragn. Mußt es der Sippschaft net antun, daß ma's derlebt, wir fahreten am Jüngsten Tag allzsamm in Himmel und müßten dich zrucklassen und für alle Ewigkeit voneinander. Sorg di um di, laß du nur dö andern in d' Höll abipurzeln. Hihi, laß nur dö abipurzeln!

GRILLHOFER. Na jo – selb war schon recht, wann's nur net ein oder der andere etwa doch billiger richtet und rumpelt a da obn eine und hernzet mich d' halb Ewigkeit: daß mei Himmel z' teuer war. I möcht nur fragn, ob sich's a auszahlt? Wann no die andern bräver warn –! Bin ich denn so sündig?

DUSTERER fährt empor. Fragst no – fragst no, Grillhofer, ob d' sündig bist?! Solltst nit fragn, Grillhofer, du net, du vor alle andern net – sollst darnach fragn; du bist's – Grillhofer, und schon wie! Beispielmäßig laß dir sagn, auf der Alm im Fruhjahr, wann sich der Schnee ballt, fliegt so a Malefizvogel – meint selber nix Args – vom Astl oba und nimmt sich a Maul voll Schnee – und denkt bloß, er tut sein Schnabel a Guttat, paar Bröckeln rutschen weiter, es wird a Kügerl draus, aus der Kugel a Knödel, ausm Knödel a Bünkel wie a Fuder Heu, dös törkelt allweil Tal obi,[88] immer größer und größer und raumt 'n Wald mit, haut abi ins Tal, und die Lawin is fertig. So a Unglücksvogel bist a du, Grillhofer! Schenkt ein. Bist auch du! Frag net, ob d' sündig bist! Denk an die Riesler – Magdalen, was vor fünfundzwanzig Jahr in dein Dienst war, wie mein Schwester, dein Weib, Gott hab s' selig, noch glebt hat, denk an die Riesler – Magdalen, sag ich, dö hast du a ins Kugeln bracht, daß ins Rollen kämma und in die siedige Höll hneingfalln is und wer weiß wieviel Seeln mitgrissen hat! Neamand hat mehr was von ihr derfahrn, die fufzigmal ist s' vom Gricht zwegn einer Erbschaft aufgfordert wordn, verschollen is s' bliebn! Grillhofer, aber am Tag des Gerichts, da wird alles ans Licht zogn, da wird sich herausstellen, was du alles angstellt hast in sündhafter Begehrlichkeit! Grillhofer, wann da Sachen ans ewige Licht kommen, was uns gar net träumt?! Wann s' gfragt wird: wer is Schuld an deiner armen Seelverderbnus? Grillhofer, Schwoger, nöt um a Million möcht ich da an deiner Stell unbußfertiger vor Gottes Thron stehn, nöt um a Million!

GRILLHOFER. Hätt ihr doch nachfragn solln!

DUSTERER. No wohl – no wohl! Aber hitzt is's z' spat, gschehn is gschehn. Ich wollt dir's ehnder net sagn, aber heunt nacht hat mir wieder von ihr traumt, wie s' da gsessen is in ewign Feuer, rundum es höllische Glast! O Jesses, es war schreckbar! Heunt fruh hab ich glei zu meiner Alten gsagt: für dö zwei armen Seelen muß was gschehn.

GRILLHOFER. Hast recht, dumm is schon, aber hast recht. No hilft nix als fleißig fürbitten. Am End hast doch schlecht gsehn – na ja – na ja –, im Feuer und Rauchen verlassen einm ja leicht die Augen, wird am End gar net dö Höll gwesen sein, sundren nur 's Fegfeuer, wo die Magdalen hast sitzen gsehn?

DUSTERER. Beschwörn kunnt ich's net, daß's die Höll war!

GRILLHOFER. No, so gebn wir's halt an, wär mir lieb, wann's dere armen Seel a zguten kam! Wann mer wieder[89] a bissel besser is, fahrn mer nach der Kreisstadt, und da mach mir's halt richtig – ja – ja – du ziehst aufn Hof samt deine Leut, a kleine Probzeit, und ich verschreib dir 'n, aber, daß nichts verabsaumt wird!

DUSTERER. No nix, gar nix, kannst dich verlassen. No schau, selb gfreut mich, deintwegn, Schwoger, deintwegn! Meiner Seel! Abgsehn, daß 's gute Werk a a Staffel in Himmel is. Aber deintwegn schon gar. Hitzt wirst schon Herr werdn über den sakrischen Gwissenswurm, verlaß dich drauf, es is net der erste, den ich ausm Nest nimm! – Ja – ja, kannst dich verlassen! Was ich sagen wollt: wann geht's nach der Kreisstadt – wann dir leichter is? Sixt, Grillhofer, sixt, schau, Schwoger, hitzt laß ich dir a 'n Bader holn, ja, ja, man derf nix außer acht lassen, und die Kräuter habn ja ihnere Heilsamkeit a vom lieben Gott. Ja, ja, weißt, hitzt is was anderscht, früher wär der Bader zu nix net nutz gwesen, aber hitzten habn wir zum Anfang 'n Wurm 's Zappeln glegt, dös is 's erste! Wann dös vorbei is, kann a der Bader wieder was richten. Mein Seel, heunt gfreut mich mein Lebn! Ist aufgestanden und tätschelt den Grillhofer zärtlich in den Rücken. Weil ich so ein Schwagern hab! Ja ja. Na, die Freud, so a bußfertige Seel z' finden bei derer schlechten Zeit! Beispielmäßig war der Saul im Alten Testament a schlechter Sucher gegen meiner, hat ein Esel gsucht und a Kron gfunden, mir aber war kein Kron so lieb, als daß ich 's Gsuchte a find, – Umarmt Grillhofer. – mein lieben Schwagern!

GRILLHOFER. No, no, laß's nur gut sein, und wann d' meinst, so schick halt nachm Bader! Wann amal was sein soll, so hab ich's gern bald in Richtigkeit.

DUSTERER sitzt wieder auf seinem früheren Platz. Ich weiß, ich weiß, mer kennt dich dafür, du haltst auf die Ordnung: Ja, ja, und no war's ja recht! Hat das Gesangbuch aus der Rocktasche gezogen und vor sich aufgeschlagen. Und daß wir net draus kämman, so laß uns unser Bußlied singen!


[90] Dusterer setzt ein, Grillhofer singt mit.


Lied


Erlös uns von des Lebens Pein,

O Herr, in deinen Gnaden,

Und führ uns in den Himmel ein,

Das kann uns gar nicht schaden!


Wie beide einsetzen, um die zwei letzten Zeilen zu wiederholen, fällt rasch der Vorhang.


Verwandlung

Freie Gegend. Im Hintergrund ein Teil des Grillhoferschen Hauses, ein Fenster nach der Bühne zu steht offen, dessen bunte, kurze Vorhänge verwehren den Einblick in die Stube. Ein Zaun mit Einlaß in der Mitte schließt den Hintergrund ab. Vorne rechts über einen niederen Graben führt ein Steg. Links im Vordergrunde ein Heuschober.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 85-91.
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