Zehnte Szene


[45] Vorige. Liesel und Anton. Ganz zuletzt der Großbauer.


LIESEL von außen noch. Gehn laß mich, sag ich ...

ANTON desgleichen. Aber Liesel, schau ...

VEIT in der Nähe der Türe, hinaussehend. Der Gelbhofbauer – und auf hat er a! No, heut, scheint's mir, kehrt keiner mehr nücht bei mir ein!

ANTON offenbar stark erhitzt vom Trunk, verfolgt die Liesel. Aber schau, heut – heut mußt gut sein mit mir, Liesel, sonst nimmst es aufs Gwissen – schau, heut – heut därf ich net zu meiner Sepherl – 's is für d' gut Sach, wann d' mich dabhaltst!

LIESEL hat sich seiner erwehrt. Bist ja a verheirat Mon! Mir sollt's doch nit glauben, was die »guten« Sachen auf derer Welt für »schlechte« Kerln machn!

MICHL. Ho – Kreuzelschreiber! Da is hitzt enger Hauptmann, vielleicht kommandiert eng der: »Kehrt euch!«

ANTON kommt vor, wild, die Burschen mit Blicken messend. Wer redt vom Hauptmann? Wer ist der Hauptmann?

STEINKLOPFERHANNS. Der am meisten hrumschreit!

ANTON gibt ihm einen leichten Schlag in den Rücken. Is dein Glück, daß du's gsagt hast, ein andern hätt ich samt 'n Sessel in d' Erd hneinghaut! Setzt sich auf den Stuhl, auf dem Brenninger gesessen.

STEINKLOPFERHANNS. No, ich bin schon so auch zfrieden!

MICHL. Der möcht uns fürchten machen – er hat aber z' stark auf!

MARTIN. Der tragt heut nix aus! Fang nur an mit unsere Trutzliedeln!

STEINKLOPFERHANNS steht auf. Warts bissel, bis ich weg bin! A Drangab zwegn engerer Rauferei hon ich grad kriegt – und 's andere vergunn ich eng schon alleinig! Geht gegen den Hintergrund.


[45] Lied mit Chor. Melodram


MICHL singt.

Unten im warm Federbett

Liegt es Bauersweib,

Und der Bauer selber liegt

Obn am Boden im Heu!

CHOR.

Kreuzelschreibn! Kreuzelschreibn!

Laß ich mein Lebtag bleibn,

Kreuzelschreibn! Kreuzelschreibn!

Dös tu ich nöt!

ANTON dreht sich auf seinem Stuhl um, wild. Geht dös auf uns?

SEPP lachend. A bewahr!

LOISL singt.

Wann nur Bauers junger Knecht,

Net so frumm sein möcht –

Weil der Bauer liegt im Heu,

Bet er mit 'em Weib!

CHOR.

Kreuzelschreibn! Kreuzelschreibn!

Laß ich mein Lebtag bleibn,

Kreuzelschreibn! Kreuzelschreibn!

Dös tu ich nit!

ANTON steht auf und stellt sich knapp an den Bubentisch. Ich muß doch schaun, ob einer von eng leicht noch a Gsetzel weiß!

ALTLECHNER gerührt. Jesses! Jesses! So ein schön Abschied vom Heimatland hon ich mir nit erhofft – hitzt tan mer a noch raufen!

MARTIN sitzt Anton gegenüber an der anderen Seite des Tisches und singt.

Gimpel! Gimpel! Vogelleim!

Schau, da bleibn s' dran pickn!

Wolln die Manner nit pariern,

Muß man d' Weiber schickn!


Setzt ein.


Kreuzelschreiben – –


Er und Chor brechen ab, weil.[46]


ANTON über den Tisch hinüber den Martin beim Halstuch faßt. Laff, elendiger! ... Kumm her!


Alles stürzt rauflustig auf die Gruppe zu, a tempo erscheint der.


GROSSBAUER schreit. Halt – Auseinand, sag ich! – In solcher Sach gilt kein Raufen! – Da kimm ich grad zrecht ... Die Gruppen lösen sich.

GROSSBAUER kommt vor. Manner! Eine komische Fagottstelle im Orchester malt ein vergebliches Ringen nach Luft aus. – Großbauer gewinnt Luft und sagt mit Entrüstung. Einer hat mich aufn Bauch gschlagn!

MICHL. Da hat er nit lang z' zielen braucht!


Gelächter.


LOISL. Und weil wir schon dabei sein, so tu halt a mit!

ALTLECHNER schlägt mit seinem Stock die Lampe herunter. Angeht's!


Die Bühne wird dunkel – eine große Raufgruppe entwickelt sich, und unter barock – komischer Schlachtmusik fällt der Zwischenvorhang.

Verwandlung

Der Gelbe Hof. Links ein kleines, einstöckiges

Gebäude im Schweizerstil, hellgelb angestrichen. Ganz vorne unter einem halboffenen Fenster eine Bank. Rechts Scheune und Tenne. Der Hintergrund ist durch einen Zaun abgeschlossen, der in der Mitte einen Einlaß har. Hinter dem Zaun Raum zum Gehen. Ein praktikabler Fußsteig, der in Mannshöhe über dem Podium hinläuft und hinter dem hochragende Tannen aufsteigen, schließt die Dekoration. – Helles Vollmondlicht fällt von rechts durch die Tannenstämme auf das Gebäude.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 45-47.
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