Alte Zeiten ...

[201] Alte Zeiten sah der Erde Antlitz,

Ungezählt durchlief des ewigen Tages

Glanzesbahn das rollend Rad der Sonne –

Aber dennoch


Scheinet jung und frisch der Frühlingsmorgen,

Wann der Feind der Nächte, strahlgewappnet,

Wirft des Lichtes Pfeil hin über dunkler

Wolken Wälle.


Denn das Herz, das menschlich reiche Fühlen

Altert nie. Wie oft entzückten Augen

Auch geöffnet sich der Rosengarten

Erster Liebe,


Ewig bleibt sie jung die Lust der Liebe

Ewig jung des Mutterherzens Jubel,

Ewig jung der Schmerz am Grab des Vaters.

Lieben, Leiden


Ist des Menschen nievergeßnes Wollen,

Nimmer ehrt der Kampf mit solchem Zwange,

Nimmer wird ein Mensch, wie sehr er strebt, den

Kampf vollenden.

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 201-202.
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