3.

[213] Leuchtet mir nicht allein des Taghimmels flammende Stirne,

Krönt sich mir nicht die Nacht mit des Mondes silbernem Reife?

Waren des dunkelen Waldes melodische Stimmen

Nicht nur ein Wiederhall dieser wundersam strömenden Klänge,

Die Seligkeit athmend meines Herzens Kirche durchwallten?

Stammte aus himmlischen Höhen der befiederte Pfeil nicht,

Der mir die Brust durchbohrte und die rosige Wunde mir schlug,

Der entquollen mein Glaube, die Kraft und das Wagniß? –

Schon schaute ich mich mit dem Pfluge des Geistes

Die Lande durchfurchend, die Seelen der Menschen,

Brennender Worte lohende Fackel tief in die Herzen versenkend,

In saphirnem Gewande hinschreitend zum sonnigen Aether, zum Lichte. –

Alles zerschlagen nun, alles zerrüttet;

Traumgleich verschäumen die blendenden Bilder

In entmastetem Boote treib' ich auf uferloser, unendlicher See,

Düstre Gestalten saugen sich fest mit spitzigen Nägeln

An meiner Seele zum kühn aufstrebenden Schwunge geöffneten Fittich;

Bitterer Zweifel schleicht sich heran mit blutleerem Auge,

In fahler Finsterniß versanken meines Lichtes Strahlengarben,

Zwerghaft verschrumpft ist meines Muthes stolzer Stamm,

Aus schmerzzerrissenem Herzen fleh' ich Rettungshülfe,

Und bebend stammeln meine Lippen auf zu der Sterne goldenen Räthselzeichen!

Warum – warum bin ich so tief herniedergesunken? – –

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Nein, nein, es soll nicht sein, es darf nicht sein!

Zerschlag', mein ermattetes Herz, mit wagendem Schwerte

Des Zagens bänglich bedrückende Sargesumhüllung,

Schüttele von dir den aschgrauen Staubesmantel,

Dessen Falten zu Falle gebracht deinen Muth.

Bin ich doch Herr meiner selber geworden,

Hab' ich nicht gesühnet all' meine sündigen Thaten?

Schritt ich nicht büßendes Fußes über sonnengeschmolzene Sandeseinöde?

Ist mein Wille nicht stark und mächtig wie des Sturmwinds Gewalt,

Der tändelnden Spiels Oceane zum Himmel emporstäubt

Und ihre Tiefe aufwühlt dem Auge des Tages!

Wozu denn in schwankendem Kleinmuth erzittern,

Mit trüblichen Nebeln umschleiern das Morgenroth,

Das gewißlich erscheinende?[214]

Hab' ich vom Heileswerk das Halbtheil nicht schon jetzo vollendet?

Hab' ich in mir eine Welt nicht niedergezwungen? –

Vergeh', sei hingescheucht vor neuem Windesodem,

Du der Beklemmniß dumpfer Qualen, du Zweifelsangst, –

Ja, ich werde sie heilen, die klaffende Wunde,

Welche die Seele der Menschheit zerspaltet,

Aus der des Elends bittere Thräne,

Aus der des Frevels Sündenblut entträuft!!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 213-215.
Lizenz:
Kategorien: