Die Rosen von Florenz

[262] Ihr Lieblichen, ihr Rosen,

Nun muß ich still euch preisen

Mit zarten Liedern, leisen,

Ihr Rosen von Florenz.


Gar hoch ist diese Mauer,

Da nickt ihr mir herüber,

Dein Himmel stumm darüber,

Tiefblau, mein schön Florenz!


Gar hoch ist diese Mauer,

Ich kann euch nicht erreichen,

Ich kann euch nicht beschleichen,

Ihr Rosen von Florenz.


Weit liegt das Thal gebreitet,

Da schimmern mild Oliven,

Cypressen stehn, als schliefen

Die Todten von Florenz.


Doch euch allein, ihr Rosen,

Euch will ich lächelnd preisen

Mit leichten Liedern, leisen,

Ihr Rosen von Florenz.


Jungfräuliches Erinnern

Beschleichet meine Träume

Durch ätherferne Räume

Nach meiner Liebe Lenz.


So weit weilt meine Liebe!

So hoch ist diese Mauer!

Ausweinen meine Trauer

Muß ich nun dir, Florenz.


Jungfräuliches Erinnern,

Ein süßer Liebesschauer

Singt durch Cypressentrauer –

O seliges Florenz!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 262-263.
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