Kornmuhme

[261] Schwül und schweigend glüht der Mittag,

Schlummert tief im Sonnenzauber.

Flimmernd bebt der blaue Aether,

Müde neigt das Korn die Aehre.


Wie in tiefe Nacht versunken

Strömt der stille Glanz des Tages;

Bang verhalten geht ein Athem

Und ein Summen durch die Weite.


Sieh! da schreitet riesenmächtig

Schwarz wie Nacht zum Himmel ragend,

Schwarz vom dunklen Hemd umflossen

Ein gespenstisch Weib im Korne.


Niederfallen rings die Aehren

Wie vom Schnitter hingebreitet,

Und die blauen Blumen welken,

Werden weiß wie blaue Lippen.


Thränentropfen weint die Mutter,

Brandig stirbt beträuft die Aehre,

In den Himmel ragend schreitet

Ernst die Nacht im Tag von dannen.
[261]

Stumm und schweigend in die Bläue

Webt sie sich des heißen Himmels

Und im schwülen Glanz der Sonne

Ist sie endlich ganz verschwunden.


Schwül und schweigend glüht der Mittag,

Schlummert tief im Sonnenzauber,

Flimmernd bebt der blaue Aether,

Müde neigt das Korn die Aehre.

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 261-262.
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