Aufruf an die Deutschen bei Schills Tode

[71] 1809.


O Deutsche, nicht mehr Deutsche,

Nicht Männer, eitel Weiber!

Was krümmt ihr tief die Leiber

Dem Schlag der Sklavenpeitsche?

Was kriecht ihr wie die Hunde

Vor Henkern und Banditen

Und lernt die Worte hüten

Des Zorns vom freien Munde?


O eure tapfern Väter!

O eure großen Ahnen!

Die Helden, die Germanen!

Das waren kühne Täter,

Nicht schöner Worte Sprecher,

Nein, stolzer Freiheit Kinder,

Tyrannenüberwinder,

Entnervter Tugend Rächer.


Ihr aber, Sklavenhorden,

Wie macht ihr Eisen blutig?

Wie seid ihr kühn und mutig?

Ach! nur euch selbst zu morden.

Feil steht ihr dem Tyrannen

Zum Brudermorde fertig,

Steht seines Winks gewärtig,

Euch selber zu entmannen.
[71]

O Sonne, die noch scheinet!

O Himmel, der noch rollet!

Versteht ihr, was ihr wollet?

Weint eurem Wahnsinn! Weinet!

Verflucht den Trug, die Schande,

Womit ihr euch zerreißet,

Womit ihr Knechte heißet

In freier Väter Lande.


Zusammen! Risch zusammen!

Es will die Welt vergehen,

Ihr seht sie schon verwehen

In hellen, lichten Flammen.

Ihr habt den Brand gezündet,

Ihr müßt mit Blut ihn dämpfen

Und mit den Räubern kämpfen,

Bis ihr die Freiheit findet.


Dann, auf getürmten Leichen

Der Schänder schreitend, pflücket

Den Schmuck, der Freie schmücket,

Das Laub der deutschen Eichen;

Dann schwört den Schwur der Treue

Dem lieben Vaterlande,

Daß nie Despotenschande

Die heilige Erd' entweihe.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 71-72.
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