Ermunterung

[294] 1855.


Willst du sinken, nichts als sinken,

Armes, krankes Menschenherz?

Immer nur den Becher trinken,

Den dir füllet Sorg' und Schmerz?

Immer alles nur in grauen,

Schwarzen Erdenfarben sehn?

Lerne doch nach oben schauen,

Wo die heitern Sterne gehn.


Dahin schau'! Da ist dein Eigen,

Da dein altes Heimatland;

Dahin schau'! Und lerne steigen

Aus dem dürren Erdensand,

Aus dem trüben Nebelstaube –

Nimm den Flug und zittre nicht,

Glaube, was der Christenglaube

Bald zweitausend Jahre spricht.


Da hinauf! Da ist dein Streiter,

Vor dem Not und Tod zerfällt,

Dahin schau'! Und hell und heiter

Blüht dir wieder Gottes Welt –

Schaue, schau' auf diesen Einen:

Immer steht der Held bereit,

Der sein Himmelreich läßt scheinen

Auf dein kurzes Erdenleid.
[294]

Ja, auf diesen Einen, deinen

Heiland, schaue, halte fest

An dem Einen, der die Seinen

Nun und nimmermehr verläßt;

Aus ihn sollst allein du schauen,

Der vom Himmel niederkam,

Der hinweg des Todes Grauen

Und der Hölle Schrecken nahm.


Schaue! Suche! Du wirst finden,

Halt, was du gefunden hast,

Und so gib den leichten Winden

Alle schwere Erdenlast

Mutig! Denn der höchste Sieger

Schreitet dir im Streit voran,

Und die Losung tönt dem Krieger:

Sei ein Christ und steh als Mann!

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 294-295.
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