4.

[115] Wann beginnt das Heil zu tagen?

Es braust mit Rossen und mit Wagen

Wild durch die weite Welt der Krieg,

Brandgemalte Teufel scherzen

Mit Menschenrechte Menschenherzen,

Die schwarze Hölle hat den Sieg.

Sie rufen trotzig aus

In alle Welt hinaus:

Jauchzet! Jauchzet! Das Heil ist da,

Die Freiheit da,

Der Menschheit ew'ger Friede da.


Doch die Wahrheit steht und schweiget,

Die stolze Freiheit traurt und zeuget

Des Satans glatten Worten nicht,

Die Ehre fliehet vor der Schande,

Die Treue räumet flugs die Lande,

Sie wohnet nur mit Recht und Pflicht.

Die hohen Zeugen all

Erklingen lauten Schall:

Nimmer, nimmer war Gottes Reich

Der Hölle gleich,

Ihr Bund heißt Elend, Trug ihr Steig.
[115]

Seid gegrüßt, ihr edlen Zeugen!

Der höchste Richter wird nicht schweigen,

Der waltend hoch auf Sternen geht,

Der die lichten Himmelskerzen

Entzündet und die Menschenherzen

Mit seines Odems Kraft durchweht.

Er ist der rechte Mann,

Der einzig helfen kann:

Preis dem Mächtigen! Preis dem Hort!

Es steht sein Wort:

Das Gute sieget hier und dort.


Tobe, Satan! Sei verwegen!

Vor dieser Macht zersplittern Degen,

Zerspringet diamantner Stahl!

Gott will Recht und Ehre schützen

Und Trug und Bosheit niederblitzen

Mit seiner Rache Donnerstrahl:

Der starke Siegesheld,

Der Erd' und Himmel hält,

Schmettert Schande hinab ins Nichts,

Der Gott des Lichts

Ist nicht ein Gott des Bösewichts.


Darum himmelauf, Gedanken!

Mit Gott dem Helfer in die Schranken

Für Freiheit, Recht und Vaterland!

So ihr's meint mit rechten Treuen,

Bläst Gott euch an mit Mut der Leuen

Und stärkt mit Kraft die schwächste Hand!

Der gute fromme Gott,

Er bleibt in Not und Tod.

Fallet nieder und betet an!

Der helfen kann,

Er ficht als Streiter euch voran.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 115-116.
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