XII.

[23] KAISER kommt ins Wachthaus zurück.

Ei, ei, hier war ein Poltern im Haus,

Ich glaube, ihr werdet vertraulich beim Schmaus.

RITTER.

Ach leider, wir weinten so bittere Thränen,

Der Seufzer will ich gar nicht erwähnen,

Die Schiffsleute treiben uns fort von hier,

Der Wind sey günstig, sagten sie mir.

MATROSEN kommen.

Der Wind ist gut,

Das Schiff ist flott,

Auf, junges Blut,

Vertrau auf Gott,

Er führt uns nah, er führt uns weit,

Er führt uns in die Ewigkeit.

KAISER.

Zur Ewigkeit ist eine weite Reise,

Ei, bleibt noch hier und trinket euch erst weise,

Und dieser Wind wird nicht der einzge seyn,

Er blaßt wohl morgen auch noch munter drein.

MATROSEN.

Der Wind ist gut,

Das Schiff ist flott,

Und wer jetzt ruht,

Der wird zum Spott,

Wer einen guten Wind versäumt,

Der hat sein bestes Glück verträumt.

RITTER.

Ihr seht, mit diesen Leuten ist nicht viel zu spaßen,

Sie haben derbe Fäuste zum Anfassen.

KAISER.

Ach Ritter, ich gäbe euch gerne was mit,

Euer Fräulein hat Kleider von schlechtem Schnitt.

Ich will zu meiner Frau gleich gehen,

Die wird sie willig mit bessern versehen.

MATROSEN.

Kein Augenblick

Sey mehr versäumt,

Des Sturmes Tücke

Das Meer jetzt räumt,

Und blauer Himmel überall

Und aller Vögel Wunderschall.[24]

KAISER.

Ja wär mein Kasper nur zurück,

So störte nichts der Abfahrt Glück,

Doch der muß euch erst Pässe geben,

Sonst kommt ihr nicht davon mit dem Leben.

RITTER vor sich.

Ich hol den Kanzler aus dem Topf,

Er bleibe bei dem armen Tropf.


Laut.


Da kommt der Kanzler schon angegangen,

Nach Pässen habe ich kein Verlangen,

Weil ich sie alle mir selber kann schreiben,

So darf ich länger nicht hier verbleiben.

KAISER.

Wenns also ist, so fahrt mit Gott,

Aufm Meere scheint mein Name ein Spott,

Dieweil ich nicht kann die Seefahrt ertragen,

So mögen die Schiffer nicht viel nach mir fragen.

RITTER.

So ist es leider, mein gnädiger Kaiser,

Doch ihr seyd drüber hinaus als Weiser.


Vor sich.


Ich kann das eine Bein noch nicht finden,

Sonst thät ich den Kanzler ganz eilig verbinden.

KAISER.

Ihr sehet den Kanzler, ich seh ihn nicht.

RITTER.

Jetzt ist er recht nahe euch im Gesicht.


Vor sich.


Das Bein ist da und auch das Gesicht,

Wir müssen fort, noch ehe er spricht.


Laut.


Nun werdet ihr ihn doch erblicken.

KAISER.

Es will mir wirklich noch nicht glücken.

KAISERIN.

Er steht ja vor euch so kurz und so breit.

KAISER.

Ich dachte, er käm von jener Seit,

Willkommen, du lieber Kasper, mein,

Wir sollen nun wieder alleine seyn,

Geh, küsse die Hand der gnädgen Frau,

Und diesen Wein dem Schiffe vertrau.

KASPER.

Wo ist denn der Kopf, sitzt er jetzt fester.

RITTER.

Ich habe noch nichts getrunken, mein Bester.

KAISER.

Der Kasper spricht ja ganz unverständig,

Ich glaube, wir werden regieren elendig!

So lebt denn wohl, vergeßt mich nicht.[25]

KAISERIN.

Das wäre die allerschlimmste Pflicht,

RITTER steigt mit ihr ein.

Lebt wohl, mein Kaiser, grüst eure Frau,

Wie kommt es, daß sie nicht niederschau.

KAISER.

Das dumme Ding kommt nicht ans Fenster,

Der Hochmuth macht ihr solche Gespenster,

Es ist doch lustig anzusehn,

Wie sich die Segel alle drehn!

KASPER.

Aber Herr, die Kaiserin zieht ja fort,

Wie kann sie denn sehen aus dem Schlosse dort.

KAISER.

Nicht wahr, sie gleicht der Kaiserin sehr

Erst dachte ich auch, daß sie es wär,

Doch meine Frau, die schnarcht jetzt im Schlosse,

Der Ritter wär ihr ein schlechter Genosse,

Sie liebet so hübsche runde Leute,

Wie ich es bin – ich heirath sie heute.

RITTER auf dem Meere.

Lebt wohl, eure Braut ich stohl.

KAISERIN.

Allzu lang litt ich eurer Liebe Zwang.

MATROSEN.

Hat der Wind uns erst ergriffen,

Lachen wir des festen Lands,

Und dies Lied wird da gepfiffen:

Wind, der achtet keines Stands;

Ob ein Kaiser unterm Segel,

Oder ein gemeiner Flegel,

Ist dem Winde einerlei,

Keinem Menschen ist er treu,

Doch vor allen mag er necken

Ehekrüppel, Liebesjecken,

Führt einst Helena von dannen,

Weiß die Griechen lang zu bannen,

Die sie suchen auf dem Meer,

Liebe führt er leicht daher,

Liebe führt er schnell zum Ziel,

Nun Ade, du Possenspiel.


Das Schiff verschwindet.


KAISER.

Ich werde aus dem allen nicht klug.

KASPER.

Die Kaiserin weiß wohl mehr als genug.

KAISER.

Ich will bei ihr nach allem fragen.[26]

KASPER.

Ach laßt das in so betrübten Tagen,

Wer viel frägt, der muß viel hören,

Und schweigen wir, bleiben wir alle bei Ehren,

Ich habe doch mehr als ihr ausgestanden,

Mir kamen ein Dutzend Glieder abhanden,

Und in den andern ist keine Besinnung,

Und in dem Kopfe ein großer Sprung.

KAISER.

Ich ahnde schlimme Verwechselung,

Die Kaiserin mir vielleicht entsprung?

KASPER.

Ich meine, ihr habt ganz recht gerathen.

KAISER.

Was soll ich beginnen bei solchen Unthaten?

Mich hält ein jeder künftig zum Narren,

Und meinet, ich hätte wie ihr, einen Sparren.

KASPER.

Ich meine, wir schleichen uns sachte fort.

KAISER.

Und sehen aus einem versteckten Ort.

KASPER.

Wer künftig in unserm Schloß wird regieren.

KAISER.

So werden wir auch die Leute anführen,

Wir sind dann die Narren nicht allein,

Ein jeder Bürger wird angeführt seyn.


Beide ab in den Wald.


Quelle:
Achim von Arnim: Das Loch. Berlin 1968, S. 23-27.
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