Eilfter Auftritt.

[53] LYSANDER allein. O dieser Kuß, ich wollt, ich wär ihn los von meinen Lippen, die ganz in Himmelswonne träumend sich erquicken, hier in Olympiens Nähe wird mir Gemeines ganz verhaßt, wie wünschte ich mein voriges Leben zu vergessen. Gemeine Sünden könnt ich hier nicht thun, so tröstet's mich, daß ich erschrecklich freveln will. Was thue ich? Es ist der Sprung des ganz Verzweifelten hin über einen Abgrund, schon hinter mir versinkt die Welt, ich kann nicht mehr zurück. – Ich möchte mit dem Himmel den Vertrag hier schließen, für diese eine Schuld wollt ich mein Leben seinem Dienste weihn; o heil'ger Gott schließ den Vertrag, schlag ein. – Wie sprech ich so von Gott und hab den Teufel in dem Herzen, doch hier in ihrer Nähe verliert, wie in dem Kelch des Abendmahls die Schlange all ihr Gift, der enge Raum wird hier zum weiten Himmel. – Wie die Musik mich quält, wohl mir, da hier ein Licht, es ist genug in dieser kleinen Welt die trüben Nachtgedanken zu zerstreuen. – Wie friedlich steht das kleine Bett, die weiße Decke ist so straff darauf gezogen, es ist nicht weichlich, ach ich muß doch einen Augenblick darauf mich setzen – und nun ich sitze, fühl ich erst, wie's mir so weich, in diesem Augenblicke möchte ich für eine Ewigkeit erstarren, zum Denkmal werden[54] meiner eignen Ruhe. – Wie quälen mich die sanften Flöten wieder; sind ich denn nichts, was mich auf andere Gedanken bringen kann. – Da liegt ein aufgeschlagnes Schreibebuch, wie liegt es ordentlich in gleicher Linie mit dem Rand des Tisches, mit dem Stuhle, das Dintfaß steht in richtiger Entfernung recht davor, die Feder liegt so reinlich ausgewischt daneben, o schöne Ordnung, Spiegel ihres Geistes. – Was hat das liebe Kind geschrieben? Er liest. »Führ mich nicht in Versuchung Herr und Gott, schenk mir die Wahrheit und bewahr mein Herz.« Nur wenig Worte, aber inhaltschwer, sie drücken meinen bösen Willen nieder, der schwarze Vorsatz weicht mir wie in Fieberwahn, kaum glaub ich, daß ich ihn geheget. Führ mich nicht in Versuchung, liebes Kind, so will ich nun zu dir auch beten: Es wird mir leicht, ich eile fort noch eh die Liebliche gekommen, daß nicht mein Aug die Heimlichkeit erblickt, der es nicht widerstehen kann. Er springt zur Thüre, in dem Augenblick ruft Olympie draußen.

OLYMPIE. Doris bring Licht, ich will zu Bette gehen.

LYSANDER springt zurück. O Himmel, als ich mich bessern wollte, war's zu spät; fort in den Schrank, fort in die dunkle Hölle. Er springt in den Schrank, den er hinter sich zudrückt.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 53-55.
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