Sechster Auftritt.

[93] LYSANDER kommt eilig. Guten Tag Herr Nathan. Ich komm zur guten Zeit ins Haus, die beiden Kinder spielen in ihrem weißen Barte, in Ihren Augen glänzen Freuden-Thränen, jetzt störe ich Sie wohl? Ich komme in Geschäften.

NATHAN. Geschäfte gnädger Herr – ihr Kinderchen springt fort – da habt ihr jedes einen Dreier, geht kauft euch Mazzekuchen, – Geschäfte mit solchem reichen Herrn, der leider nur so selten zu mir kommt, wir hätten lange schon Geschäfte machen können,[93] ich lasse alles stehn und liegen, kann ich gefällig Ihnen sein, – wollt ihr gleich gehen, Kinderchen, ihr bösen Buben fort, ich sags sonst der Mama, die soll euch hauen. Die Kinder ab. Nun sagen Sie was steht zu Dienste?

LYSANDER. Ich muß gleich tausend Thaler haben, zu meiner Hochzeit, die ich heut Abend feire.

NATHAN. Glück und schöne Nachkommen, mein Herr Graf. Mit Respekt zu melden, mit wem ist denn die werthe Vermählung.

LYSANDER. Fräulein Olympie ist mir verlobt.

NATHAN. Die schöne Schwester von dem Herrn Professor, ja gestern sagt ich noch zu meiner Frau hör Edelchen –

LYSANDER. Nun, können Sie das Geld mir schaffen? Sie habens in acht Tagen baar zurück, es liegt bereit zur Zahlung bei dem Pächter meines Gutes.

NATHAN. Der Amtmann Gaudieb, gar ein guter Zahler, der ist mir so sicher, als hätt ich das Geld im Sacke, erst gestern sagt ich meiner Frau, hör Edelchen –

LYSANDER. Ich muß heut eilen, sagen Sie mir kurz, ob Sie das Geld mir schaffen können, ich brauchs nothwendig.

NATHAN. Schwer wirds halten, baar, gleich, die Messe ist so vor der Thüre, wir Handelsleute nehmen selber auf, so viel wir können, und jeder hält[94] das baare Geld so an sich, als wenn es gar davon zulaufen dächte. Ich sagte gestern meinem Edelchen –

LYSANDER. Sie können also nicht?

NATHAN. Wer sagt das – nur – ich mein, es wird was kosten, ich dächt, Sie schöben das Geschäft nur einen Monat auf, ich rath es ihnen als ein alter Freund des lieben Herrn Vaters, das war ein braver Herr. Mit meinem Edelchen sprach ich noch gestern von dem Herrn Vater –

LYSANDER. Mein trefflicher Herr Nathan, wo haben Sie denn Ihre Ohren – könnt ich acht Tage warten, so braucht ich nicht Ihr Geld. Was wirds mir kosten auf acht Tage –

NATHAN. Ich mag nichts dran verdienen, ich thus aus Liebe zu Ihrem Herrn Vater, dem Hirschel muß ich selber neun Prozente geben.

LYSANDER. Neun Prozente, wie kanns der Mann bei Gott verantworten.

NATHAN. Ei was, der liebe Gott von oben, der sieht die Neune für eine Sechse an.

LYSANDER. Heut muß ich geben, was Sie fordern, ich bin so froh, ich werd so reich, aß ich auch andern heute zu verdienen geben möchte. In einer Stunde komme ich, das Geld mir abzuholen. Adies. Ab.

NATHAN allein. Er wird so reich, davon hat mir mein lieber Sohn Nathanael doch nichts gesagt, daß die Olympie so reiche Mitgift habe, Vermögen[95] hat sie, aber reich – das werden sie auch bald verthun, ich muß das Fett nur schöpfen ab. Hätt ich geglaubt, daß der Herr Graf Lysander sein Geld auch so verthun. Ein Christ, ein Verschwender, einer mehr, der andre weniger. – Wenn eines meiner Kinder sich wieder taufen läßt, so will ichs enterben. – Ich hätt es gethan schon um die Hälfte, wär er so hitzig nicht darauf gewesen, als wäre ich der einzige Mensch der schaffen, konnte Geld. – Das Geld liegt mir zur Last, der Graf ist mir so sicher. – Nathan, du bist ein kluger Kopf, ein wahrer Iles, ein Genie, du sollst dir was zu Gute thun, hast heut noch nichts gegessen als ein kleines Stücklein Matzekuchen, und doch, mir ist so im Gemüthe, als hätte ich den Magen schon gefüllt, der Magen ist ein Beutel und mein Beutel ist der Magen – so neunzig Thaler fallen drein um nichts und wieder nichts, verdient in acht Tagen und mach ichs recht, so hol ich mir das Geldchen doppelt wieder mit köstlichem Geschmeide, was ich ihm für die Braut verkaufe – wer weiß, der Wechsel wird auch prolongirt – und prolongiert. Hör kluger Nathan, Edelchen ist ausgegangen, trink einen Schnapps? Ich denke, nein, denn einmal, darf ich heute nicht und zweitens hab ich einen schon genommen. – Wein muß ich doch vorsetzen meinem Herrn Grafen, so mancher ärgert sich, sieht er ein solch Geschäft recht schwarz und weiß auf dem Papiere,[96] da setzt es oft ein Schimpfen, Fluchen, Maulschelliren – ein Handelsmann muß was vertragen können, doch besser ists, wir scheiden heut im Guten. Er wird so viel nicht trinken, ich schenk ihms Glas nicht voll, was kann er trinken, kommt es hoch, ein Viertelquart, – den Wein statt Geld hab ich genommen, das Quartier zu vier Groschen, macht einen Groschen, er muß mir meine Dose machen voll mit Schnupftaback, da hab ich einen Sechser noch Profit, dafür geb ich ihm etwas Semmel. Er holt Wein aus einem Verschlage. Mein Edelchen, mein Edelchen, sie darf mir heut nichts thun, ich hab gemacht ein gut Geschäft, Kauscher ist wohl der Wein noch nicht – ob ers ist? – es ist bald Essenzeit, die Zunge ist mir trocken wies Gebetbuch; – Ein Glas Nathan? Trinkt. – Wie Milch und Honig! – Einmal erlaubt mirs der Papa, Trinkt. einmal erlaubt mirs die Mama Trinkt. und einmal erlaub ich mirs. Trinkt. – Nathan, Nathan, gedenk, kannst du auch vertragen den Wein, daß du nicht wieder kriegst Schreitzschmerzen, Nathan, du bist ein miserabler Kerl, ein ganz miserabler Hund, kannst nichts vertragen, Lumpenkerl – noch ein Glas, wer siehts denn, die Flasche steht ja da wie die Ceder vom Libanon. Trinkt. Was wird Edelchen sagen? – Neun Prozent – mag sie keifen – prolongiren – Geschmeide. – Ach, was wird Edelchen sagen? –[97] Da liegt ihr Buch, muß einmal sehen, was das sagt. – Sprich Buch: Er liest. Einmal sagte zu Rabbi Chanina seine Frau. Wie lang sollen wir Armuth leiden, thue ein Gebet, das man dir etwas vom Himmel herabgebe von wegen deiner guten Werke, die du gethan hast, und deiner Frömmigkeit, die du an dir hast. Das thäte der Rabbi. Da ging eine Hand aus dem Himmel und gab ihm einen güldenen Fuß von einem güldenen Tisch, daß er reich ward. In der Nacht kam der guten Frau für, wie die Fromen in jener Welt essen auf güldenen Tischen mit vier Füßen und sie beide essen auf einem Tisch mit dreien Füßen, der da wackelte und mangelhaftig war. Da sagte der gute Rabbi: Wie soll ich ihm denn thun? Sie sprach, bitte Gott, daß man dir den Fuß wieder nehme. Das thäte er und es geschahe also. Wir haben gelernt, daß es ein größer Wunder sei gewesen daß der Herr Gott den Fuß wiedergenommen hat, als daß er ihn erstlich gab. – – Ein groß Wunder, ein schlecht Wunder, was bedeutet mir das, ich habe Forcht, der Tisch wackelt mir so. Nathan, du hast zu viel getrunken, trink noch ein Glas. Trinkt. Der Wechsel ist geschrieben, der goldene Fuß, was ist ein goldner Fuß? Das ist Vermögen? Was ist Vermögen? Wenn man viel vermag? Ich hätt ihn nicht weg gegeben, ich behalt ihn, hör Frau, Er packt den Tischfuß. krieg die Kränk Edelchen, wer mir mein Vermögen[98] nimmt, der nimmt mir mein Leben. – Ach da kommt wohl der Herr Graf.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 93-99.
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