Doktor Faust

[202] Fliegendes Blat aus Cöln.


Hört ihr Christen mit Verlangen,

Nun was Neues ohne Graus,

Wie die eitle Welt thut prangen,

Mit Johann dem Doktor Faust,

Von Anhalt war er geboren,

Er studirt mit allem Fleiß,

In der Hoffarth auferzogen,

Richtet sich nach aller Weiß.

Vierzig tausend Geister,

Thut er sich citiren,

Mit Gewalt aus der Höllen.

Unter diesen war nicht einer,

Der ihm könnt recht tauglich seyn,

Als der Mephistophiles geschwind,

Wie der Wind,

Gab er seinen Willen drein.

Geld viel tausend muß er schaffen,

Viel Pasteten und Confekt,

Gold und Silber was er wollt,

Und zu Straßburg schoß er dann,

Sehr vortreflich nach der Scheiben,[202]

Daß er haben konnt sein Freud,

Er thät nach dem Teufel schieben,

Daß er vielmal laut aufschreit.

Wann er auf der Post thät reiten,

Hat er Geister recht geschoren,

Hinten, vorn, auf beiden Seiten,

Den Weg zu pflastern auserkohren;

Kegelschieben auf der Donau,

War zu Regensburg sein Freud,

Fische fangen nach Verlangen,

Ware sein Ergötzlichkeit.

Wie er auf den heiligen Karfreitag

Zu Jerusalem kam auf die Straß,

Wo Christus an dem Kreuzesstamm

Hänget ohne Unterlaß,

Dieses zeigt ihm an der Geist,

Daß er wär für uns gestorben,

Und das Heil uns hat erworben,

Und man ihm kein Dank erweißt.

Mephistophles geschwind, wie der Wind,

Mußte gleich so eilend fort,

Und ihm bringen drey Ehle Leinwand,

Von einem gewissen Ort.

Kaum da solches ausgeredt,

Waren sie schon wirklich da,

Welche so eilends brachte

Der geschwinde Mephistophila.

Die große Stadt Portugall,

Gleich soll abgemahlet sein;

Dieses geschahe auch geschwind,

Wie der Wind:

Dann er mahlt überall,

So gleichförmig,[203]

Wie die schönste Stadt Portugall.

»Hör du sollst mir jetzt abmahlen,

Christus an dem heiligen Kreuz,

Was an ihm nur ist zu mahlen,

Darf nicht fehlen, ich sag es frei,

Daß du nicht fehlst an dem Titul,

Und dem heiligen Namen sein.«

Diesen konnt er nicht abmahlen,

Darum bitt er Faustum

Ganz inständig: »Schlag mir ab

Nicht mein Bitt, ich will dir wiederum

Geben dein zuvor gegebene Handschrift.

Dann ist es mir unmöglich,

Daß ich schreib: Herr Jesu Christ.«

Der Teufel fing an zu fragen:

»Herr, was gibst du für einen Lohn?

Häts das lieber bleiben lassen,

Bey Gott findst du kein Pardon

Doktor Faust thu dich bekehren,

Weil du Zeit hast noch ein Stund,

Gott will dir ja jetzt mittheilen

Die ewge wahre Huld,

Doktor Faust thu dich bekehren,

Halt du nur ja dieses aus.

»Nach Gott thu ich nichts fragen,

Und nach seinem himmlischen Haus!«

In derselben Viertelstunde

Kam ein Engel von Gott gesandt,

Der thät so fröhlich singen,

Mit einem englischen Lobgesang.

So lang der Engel da gewesen,

Wollt sich bekehren der Doktor Faust.

Er thäte sich alsbald umkehren,[204]

Sehet an den Höllen Grauß;

Der Teufel hatte ihn verblendet,

Mahlt ihm ab ein Venus-Bild,

Die bösen Geister verschwunden,

Und führten ihn mit in die Höll.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 202-205.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Des Knaben Wunderhorn
Ludwig Achim's von Arnim sämtliche Werke: Band XVII. Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L. A. v. Arnim und Clemens Brentano. Band 3
Sämmtliche Werke, Neue Ausgabe. Herausgegeben von Bettina von Arnim und Wilhelm Grimm. Band 06: Des Knaben Wunderhorn I und II. - Reprint der Ausgabe von 1857
Des Knaben Wunderhorn Band 2
Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L.A.v. Arnim und Cl. Brentano. Neu bearbeitet von Anton Birlinger und Wilhelm Crecelius; ... in Holz geschnitten von C.G. Specht: Band. 1
Ludwig Achim's Von Arnim Sämmtliche Werke: Des Knaben Wunderhorn. T. 3 (German Edition)

Buchempfehlung

Haller, Albrecht von

Versuch Schweizerischer Gedichte

Versuch Schweizerischer Gedichte

»Zwar der Weise wählt nicht sein Geschicke; Doch er wendet Elend selbst zum Glücke. Fällt der Himmel, er kann Weise decken, Aber nicht schrecken.« Aus »Die Tugend« von Albrecht von Haller

130 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon