Gott grüß euch Alter

[371] Fliegendes Blut.


»Gott grüß euch Alter, schmeckt das Pfeifchen?

Weißt her! – Ein Blumenkopf

Von rothem Thon mit goldnem Reifchen:

Was wollt ihr für den Kopf?«


»O Herr, den Kopf kann ich nicht lassen,

Er kömmt vom bravsten Mann,

Der ihn, Gott weiß es, einem Bassen,

Bey Belgrad abgewann.


Da, Herr, da gab es rechte Beute,

Es lebe Prinz Eugen!

Wie Grummet sah man unsre Leute

Der Türken Glieder mähn.«


»Ein andermal von euren Thaten!

Hier, Alter, seyd kein Tropf:

Nehmt diesen doppelten Dukaten

Für euren Pfeifenkopf.«


»Ich bin ein armer Kerl, und lebe

Von meinem Gnadensold,[371]

Doch, Herr! den Pfeifenkopf, den gebe

Ich nicht um alles Gold.


Hört nur: Einst jagten wir Husaren,

Den Feind nach Herzenslust,

Da schoß ein Hund von Janitscharen

Den Hauptmann in die Brust.


Ich hob ihn flugs auf meinen Schimmel,

Er hätt' es auch gethan,

Und trug ihn sanft aus dem Getümmel

Zu einem Edelmann.


Ich pflegte sein. Vor seinem Ende

Reicht er mir all sein Geld,

Und diesen Kopf, drückt mir die Hände,

Und blieb im Tod noch Held.


Das Geld must du dem Wirthe schenken,

Der dreymal Plündrung litt,

So dacht' ich, und zum Angedenken,

Nahm ich die Pfeife mit.


Ich trug auf allen meinen Zügen,

Sie wie ein Heiligthum,

Wir mochten weichen oder siegen

Im Stiefel mit herum.


Vor Prag verlohr ich auf der Streife

Das Bein durch einen Schuß,

Da griff ich erst nach meiner Pfeife,

Und dann nach meinem Fuß.«


»Ihr rührt mich, Alter, bis zu Zähren,

O sagt, wie hieß der Mann?[372]

Damit mein Herz auch ihn verehren

Und ihn beneiden kann.«


»Man hieß ihn nur den tapfern Walter,

Dort lag sein Gut am Rhein.«

»Das war mein Ahne, lieber Alter,

Und jenes Gut ist mein!


Kommt, Freund! Ihr sollt bey mir nun leben,

Vergesset eure Noth,

Kommt, trinkt mit mir von Walters Reben

Und eßt von Walters Brod.«


»Nun top! Ihr seyd sein wahrer Erbe,

Ich ziehe morgen ein,

Und euer Lohn soll wenn ich sterbe

Die Türkenpfeife seyn!«


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 371-373.
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