Romanze vom großen Bergbau der Welt

[172] Im Ton: Wie schön leucht uns der Morgenstern.

Der durch das geistliche Schlegel andächtiger Berg-Reihen das Gedinge seines Glaubens herausschlagende Bergmann. Anno . S. 56-61.


Auf! richtet Augen, Herz und Sinn

Zu jenen blauen Bergen hin,

Da Gott der Berg-Herr thronet!

Fahrt von der Erde tiefen Bahn[172]

In grünen Hoffnungs-Kleidern an,

Wo milder Segen wohnet;

Betet, tretet

Im Gemüthe

Zu der Güte,

Die bescheret,

Was den Leib und Geist ernähret.


Gott hat in diesem Erdenball

So mancher Erze reichen Fall

Mit weiser Hand verborgen.

Gold, Silber, Kupfer auf sein Wort,

Streicht in den edlen Gängen fort,

Die Menschen zu versorgen,

Mächtig, prächtig

Durch die Flötzen

Heißt er setzen

Die Metallen,

Daß sein Ruhm muß herrlich schallen.


Es sieht so manches rauhe Land

In Werken seiner Wunder-Hand

Macht, Kraft und Weisheit spielen,

Wo man kein zartes Blümchen spürt,

Kein Frühlings-Gras sich grün aufführt,

Muß die Natur erzielen,

Lichte, dichte

Berggeschicke

Zum Gelücke,

Die erweisen,

Wie man soll den Schöpfer preisen.


Es streicht in diesem Erdenhaus

Im Erz zu hellen Tage aus[173]

Des großen Vaters Liebe,

Die wittert vor bei Tag und Nacht,

Aus jeden Stollen, Kluft und Schacht;

Die weissen Quarzgeschiebe

Geben eben

Wie die Gänge

Durch die Menge

Zu erkennen,

Was wir Vater-Güte nennen.


Denn da sieht ihren milden Gott

Die Armuth nach dem herben Spott,

Und vielen Zähren-Triefen.

Wenn das Vermögen ist verwüst,

Und alle Mittel zugebüßt,

Kommt aus der schwarzen Tiefen

Letzlich, plötzlich

Reiche Beute

Für die Leute,

Die vertrauen

Gott, und gläubig auf ihn bauen.


Drum rufen wir auch diesen an,

Der fündige Gebirge kann

Eröffnen und erhalten;

Er wolle mit der Segens-Hand

Auch über unser Sachsenland

Forthin genädig walten;

Hören, Lehren,

Wenn wir schürfen

Und bedürfen

Hülf und Rathen,

Sonst ist nichts mit unsern Thaten.[174]


O großer Grundherr aller Welt!

Weil deine Vorsicht uns erhält

Auch von der Erden Schätzen;

Bescheere gutes Erz allhier,

Und laß die Gänge, Macht und Zier

In ewge Teufen setzen.

Klüglich, tüglich

Laß uns bauen

Ohne Grauen,

Mittel finden,

Und den Mangel überwinden.


Zähl uns in Assers Stamm mit ein,

Und laß uns so gesegnet seyn,

Daß Erz an Schuhen klebe,

Daß sich kein edler Gang abschneid,

Und uns vergnüge jederzeit,

Viel reichen Vorrath gebe.

Größ're, beß're,

Sieh aufs Gleiche,

Daß der Reiche

Dem nicht schade,

Der bedürftig deiner Gnade.


Doch bitten wir dich, Herr! zugleich,

Mach' uns zuerst am Geiste reich,

Mit himmlischer Genüge;

Daß unser Gang zu dir gericht,

Die Stunde ja verrücke nicht,

Noch tausend Mittel kriege,

Handel Wandel,

Sey gerichtig

Und vorsichtig[175]

Laß uns bleiben,

Weil wir hier das Bergwerk treiben.


Schenk uns nur, allerhöchster Hort!

Was Christus hat gefördert dort

Aus seiner Leidens-Grube,

Da er zum Lebens-Gange brach,

Und hieß uns alle folgen nach,

Die Beuten, die er hube,

Muthig, blutig,

Durch die Klüfte

Seine Hüfte

Hilft uns wallen,

Wenn des Leibes Schacht muß fallen.


Die Welt ist unser Golgatha,

Wo ein Kreuzgang dem andern nah:

Laß Zion uns erblicken,

Und Karmel, da in stolzer Ruh,

Elias ruft der Knappschaft zu,

Weit von den Erdgeschicken:

Glück auf! Blick auf!

Komm gefahren

Vor den Jahren,

Komm in Sprüngen

Von der Sabaths-Schicht zu singen.


Drum führ' uns einst, wie Simeon,

Auf einer sanften Fahrt davon,

Zu deinen Friedenszechen,

Wo man das neugeborne Kind,

Auch den Erz-Engel mächtig find,

Und Freuden-Gold kann brechen:[176]

Oedes, schnödes,

Müssen merken

Die Gewerken

Hier in Hoffen,

Bis sie dort den Gang getroffen.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 172-177.
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