Klagelied Philipp Landgrafs aus Hessen im Jahre 1550

[109] Fliegendes Blat.


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

Mein Herz mich treibt zu Klagen,

Viel Untreu, Mißgunst, Haß und Neid,

Ach ich jezund muß tragen,

Viel falscher List zu dieser Frist

Wird mir zu lang mit Schmerzen,

Daß ich oft klag

All Nacht und Tag,

Doch denk ich Gotts im Herzen.


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

In Trauren bin ich sitzen,

All meine Freund mir weichen weit,

Mich stellen an die Spitzen,

Zu denen ich hab stetiglich[109]

Mich aller Treu versehen,

Die setzen gar

Mich in Gefahr,

Niemand will bey mir stehen.


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

Ach Gott mich wollst ergötzen,

Steh du allzeit auf meiner Seit,

Auf dich mein Hoffen setze,

Sieh zu mein Gott, wie ich ein Spott

Bin unter meinen Feinden,

Ich ruf hinauf,

Ach Herr wach auf,

Laß deine Güt erscheinen.


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

Wie ist es mir doch kommen,

All meine Macht und Herrlichkeit

Hast du von mir genommen;

So weiß ich doch, wie tief und hoch,

Dein Gnad sich streckt am Ende,

Wie weit und breit

Barmherzigkeit,

Die wollest du mir senden.


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

In Hoffnung thu ich harren,

Gedanken sind mir Herzeleid,

Ach Gott kehr um die Karten,

Führ mich doch auf geradem Weg

Zu meinem Land und Leuten,

Zu Kindern mein

Ach führ mich heim,

Ach Gott thu für mich streiten.[110]


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

Ich wollt mein Hörnlein gellte,

In Jägerweis, nach gutem Brauch,

Durchs Holz und auch im Felde;

So Gottes Wort, mein höchster Hort,

In meinem Land sollt klingen,

Und hüten fein,

Die Schäflein mein,

Und Gottes Lob besingen.


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

Gott öffne deine Ohren,

Denn meine Stimm ist schwach vor Leid,

Mein Ruf ist nicht verloren,

Mein Herz und Muth, mein Leib und Gut

Ergeb ich ihm bey Zeiten,

Ich bin gewiß

Zu dieser Frist,

Er wird wohl für mich streiten.


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

In Brabant muß ich warten,

Verheissen ist mir Gnadgeleit,

Wie grün ist nun mein Garten,

Gott gabs, Gott nahms in Lieb und Leid,

Wie es sich schickt auf Erden,

Wies Gott gefällt

Von ihm bestellt,

Sonst kann nichts anders werden.


Schwer, langweilig ist mir mein Zeit,

Zu Oudenar in Mauern,

Bin ich in Elend und in Leid[111]

Mit schwerem Mund und Trauern,

Ade mein Kind und Land und Leut,

Bald ist es überwunden,

Für meine Noth

Bescheer euch Gott

So viele sel'ge Stunden.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 109-112.
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