Siebenter Auftritt.

[311] Virginius, Appius, Lucius, Lictoren. Appius geht vorwärts zum Virgin; Lucius und die Lictoren treten zurück zu den Wachen.


APPIUS.

Virgin! kamst du

nach Rom die Tochter zu vertheid'gen, oder

ein Haupt strafbarer Meuterer zu seyn?

VIRGINIUS.

– Ich kam als Bürger Roms – der Vater ist.

APPIUS.

Der echte Bürger flieht Tumult im Staate.

VIRGINIUS.

Drum löscht' ich eben jetzt ein wider dich

im Volke lodernd Feur.

APPIUS.

– Nicht für die That,

doch für den Willen dank' ich dir: er zeigt,

daß ich mit Recht dich schätze. – Doch Virgin!

ist dir des Marcus Fodrung schon bekannt?

VIRGINIUS.

Ja Herr!

APPIUS.

Auch seine Rechtsbeweise?[311]

VIRGINIUS.

Ganz!

APPIUS.

Was wirst du seiner Klag' entgegen setzen?

VIRGINIUS.

Vor Allem die Gerechtigkeit des Richters.

APPIUS.

Die handlet leidend. Des Gesetzes Diener,

vollzieht der Richter, was ihm Dieß gebeuth.

Und das Gesetz, Virgin spricht für den Marcus.

VIRGINIUS.

Vor des Betrugs und Meineids Täuschung mehr

bewahret – spräch' es sicher wider ihn.

APPIUS.

Des Marcus Zeugnisse sind unverwerflich.

VIRGINIUS.

Man liefre nur die Zeugen Mir, so wird ...

APPIUS.

Wer darf es? – Träume nicht Unmöglichkeiten!

Such Hülfe dir, die das Gesetz erlaubt! –

Weißt du zur Wehre dir nicht stärkre Waffen

als die, womit schon Numitor gestritten?

VIRGINIUS.

Wo fänd' ich sie? Wo fänd' ein Andrer sie,

dem irgend ein meineid'ger Bösewicht,

nach dieser Art sein Kind zum Sklave schwöre?

Kann so nicht Jeder ohne Scheu Gesetz

und Wahrheit äffen?

APPIUS.

Ich beklage dich,

bedrängter edler Mann!

VIRGINIUS.

Beklagen nicht,

ihm helfen mußt du Herr, dem edlen Manne.[312]

APPIUS.

Ich wills – und weiß ein Mittel – doch nur Eins!

VIRGINIUS.

Ach Herr!

APPIUS.

Ein Mittel, das Virginien

– sie sey nun deine Tochter oder nicht! –

errettet, und zugleich Befördrung dir

für manch noch unbelohnt Verdienst verspricht.

VIRGINIUS.

Wie Herr?

APPIUS.

Dein Gegner Marcus gab schon oft

Beweise seiner Lieb und Freundschaft mir.

Aus dieser Freundschaft soll dein Heil entstehn!

und ich kann ihrer Wirkung dich versichern,

versicherst du – mich Deiner Freundschaft auch.

VIRGINIUS.

Der Freundschaft? Wie? du kannst von deiner Höhe

herunter bis zu meiner Freundschaft denken?

APPIUS.

O setze tiefer nicht dich selbst herab,

als Jeder, der dich kennt, ganz Rom, dich setzet!

Auch kehrst du – ich schwör's beym Jupiter! –

als Legions-Tribun zum Heer zurück.

Und deine folgenden Befördrungen

bis zu dem höchsten Rang, sind meine Sorge.

Nur deine Freundschaft o Virgin! nur sie! –

Darf ich hoffen?

VIRGINIUS.

Herr! ist wirklich sie

von ein'gem Werthe dir – so rechne drauf!

APPIUS.

Wohl! sie berechtigt mich, verpflichtet mich,[313]

mein ganzes Herz dir aufzudecken. Wiß

Virgin! – ich liebe deine Tochter.

VIRGINIUS.

Du?

APPIUS.

Ja Freund! und nie hat edler, zärtlicher,

ein Sterblicher geliebt. Sie zu beglücken,

beglückt von ihr zu werden, ist der Wunsch

der nun seit einem Jahr allein mein Herz

erfüllt, und der – ich fühle das in mir! –

es nie verlassen wird. Ich hätte längst

dir meine Lieb' entdeckt: doch das Gesetz,

das Ehebündnisse Patriziern

mit den Plebejern untersagt, verschloß

mir stets den Mund. Ich hoffte, diese Glut

durch Hülfe der Vernunft einst zu ersticken:

Allein die Pflicht, als Richter jetzt die selbst,

die mich entzückt, verurtheilen zu müssen,

reißt die noch ungeheilte Wunde mir

mit Höllenpein in meinen Herzen auf.

Nur Du kannst noch o Freund – indem du Retter

der Tochter wirst – mein Arzt und Retter seyn.

Ein einzig Wort von dir beglücket mich,

besiegt das Mißgeschick Virginiens,

und macht auf ewig mich zu Deinem Schuldner.

VIRGINIUS.

O Himmel! also wahr? von Dir bewähret,

die schreckliche, verwünschte Leidenschaft –

die gestern öffentlich du leugnetest?

APPIUS.

Sollt' ich wohl zum Vertrauten meines Herzens

Roms Pöbel machen? Du! sonst Niemand, Freund,

ist in mein Inneres zu schauen werth.

Und nur von Dir erwart ich auch mein Glück.[314]

VIRGINIUS.

Wie? – Noch begreiff' ich deinen Anschlag nicht.

Willst du, daß meine Tochter Sicherheit

vor Marcus Fodrungen, als Buhlerinn,

in deinen Armen suche?

APPIUS.

Nein Virgin!

mißdeute nicht den redlichsten Entschluß!

mein Herz verehrt Virginien und Dich.

Als Gattinn liefre sie mir in die Arme!

VIRGINIUS.

Als Gattinn – vom Gesetz nicht anerkannt?

von deinem eignen, Rom entzweyenden

Gesetz, das die Natur der Phantasie

des Stolzes unterjocht, nicht anerkannt?

APPIUS.

Verweise mir nicht noch den Fehl, den ich

schon oft bereut, jetzt schmerzlich büßen muß!

Zum Glück, ist noch ein Weg zur Ausflucht offen.

In Jahres Frist, – die Götter zeugen mir! –

ist dieß unselige Gesetz nicht mehr.

O wär' es minder neu – ich tilgt' es heute!

Jedoch mein Ruhm begehrt den Augenblick

des Widerrufes, erst vorzubereiten.

Bis dahin kette mich ein heimlich Bündniß

(doch vor der Laren Angesicht beschworen!)

an deine Tochter, an die theure Hand,

die, willst du nur, uns alle glücklich macht! –

Erkennst du nun Virgin, den Freund in Mir?

– Du schweigst – doch nicht aus Unentschlossenheit?

VIRGINIUS.

Nein! aus Erstaunen, Herr! denn Ehr' und Pflicht

bewahren mich vor Unentschlossenheit. –

Virginia kann nicht die Deine werden!

ihr Herz, mein Ehrenwort – hat schon Icil.[315]

APPIUS.

Icil? – Beachte nicht dieß Ehrenwort:

Icil muß sterben!

VIRGINIUS.

Sterben?

APPIUS.

Als Empörer!

Den Tod des Cassius!

VIRGINIUS.

O daß dich nie

dein Schutzgott diese That vollbringen lasse!

Icil ist furchtbarer als dich es dünkt.

Ein großer Theil des Volks war itzt bereit

den Weg, den Bellutus es einst geführet,

zu neuer Drangsal Roms, mit ihm zu gehn.

Aus seines Bruders Mord entbrannt' ein Feuer,

das ich nicht ohne große Müh gelöschet.

APPIUS.

Aus seines Bruders Mord? Wann? und von Wem

ward er ermordet?

VIRGINIUS.

Heut – und man nennt Dich.

APPIUS.

O Kühnheit!

VIRGINIUS.

Auch mir selbst war dieses Loos

bestimmt.

APPIUS.

Was hör' ich! Gleich soll Untersuchung,

Bestrafung dieser That, dich überzeugen ...

VIRGINIUS.

Nicht meinetwegen! Ich, blieb unverletzt,

und hatte nur zur Rettung meines Lebens

zween Elende zu tödten. Auch kann ich[316]

solch eines Frevels dich unmöglich zeihn.

Ich würd' ihn nicht erwähnen, wär' es nicht

um dich vor seiner Wirkung, und noch mehr

vor deinem Anschlag auf Icil, zu warnen.

Und diese Warnung Herr – so gut gemeint –

sey dir der erste Dienst des neuen Freundes!

APPIUS.

Auch unnütz, Dankeswerth. Nur nimm von Mir

auch Warnung an, Virgin! Laß von Icils

und seines Anhang Lärm dich nicht betäuben!

Sie haben gegen Mich nicht mehr Gewalt

als gegen Scyllas Fels des Meeres Wogen.

Du weißt, daß meine Macht den Riesen Roms,

und um so mehr, Icil dem Zwerge, trotzt;

Du kennest mein Gefühl für deine Tochter;

Auch sahst du tief genug schon in mein Herz,

dort deines eignen Glücks Entwurf zu sehn:

O laß nicht auf der Bahn zu diesem Glücke

dich durch ein Nichts, durch ein aus Unbedacht

ertheiltes Ehrenwort, zurücke schrecken!

Zu strenge Tugend heißt nicht Tugend mehr;

Stolz, Prahlsucht, nennt der kluge Weltmann sie;

und billig hat für ihn das Laster selbst

nicht mindern Werth.

VIRGINIUS.

Auch nicht ein solcher Spruch

in eines Herrschers Mund? – Nein Appius!

mein Wort bleibt unverletzt. Ich wiederhol's:

Virginia kann nicht die Deine werden!

APPIUS.

Undankbarer! – so werde sie des Marcus!

Sein Recht ist unleugbar; und das was itzt

zum Fall Virginiens Du selbst beschließest,

bestätigt, daß du nicht ihr Vater bist.[317]

VIRGINIUS.

So wüthend, Grausamer, bestürmest du

mein Vaterherz? ... Ach Appius! verlaß

den tadelhaften Zweck! sey Mann! erstick

in deiner Brust ein Jammer drohend Feuer!

und ich gelobe dir ein ewig Schweigen.

Durch diesen über dich erhaltnen Sieg

ertheilst du deinem Nahmen neuen Glanz;

wirst Richtern Beyspiel der Gerechtigkeit,

und lenkest tausend Herren, jetzt dir feind,

vom Haß zur Liebe. Selbst Icil wird ...

APPIUS.

Schweig

von dem Verwegnen! Er und seine Rotte,

Du selbst, der meine Huld verschmähet – zittert!

VIRGINIUS.

Ich zittern? – Sieh dieß Haar! es ward im Dienste

des Vaterlandes grau; sieh diese Narben!


Er entblößet seine Brust.


im Dienst des Vaterlands erhielt ich sie,

mit einem Muth, der nie die Furcht gekannt.

Und nun sollt' ich als Greis erst zittern lernen?

Mich tödten kannst du Herr – mich schrecken nicht!

Mehr schreckt das Übel ich, das dein Entwurf

Rom und dir selbst bereitet. Glaub, du wirst

mehr Widerstand, als du vorhersiehst, finden.

Zwar stehst du hoch – allein du stehst nicht fest;

du stehst auf Wolken. Nicht um dir zu drohn,

mein Her dir auszuschütten, sag ich dieß.

Dir zeigte schon das gestrige Gericht

Des Volkes Hang zum Aufstand und Tumult.

Sein Unmuth stieg seitdem zum höchsten Grade.

Denk, welch ein wüthend Thier der Pöbel ist,

entreißt er sich dem Bande, das ihn zähmt![318]

Ein Theil der mächtigsten Patrizier,

selbst manches Mitglied des Senats, wünscht nur

Gelegenheit, aus dir ein Opfer – Der

des Neides, Der des Hasses, sich zu machen.

Das Kriegsheer, mir geneigt, vernimmt gewiß

mit Gram und Zorn den mir erwies'nen Schimpf.

Kurz. Alles Appius, räth Mäßigung,

räth Klugheit dir – ich schweige von der Pflicht ...


Gegen Ende obiger Rede zeigt sich Virginia verschleyert an einer Kulisse.


APPIUS.

Gnug Unbesonnener! Zu lange schon

hör' ich des kühnsten Stolzes Lehren an.

Bleib unbesorgt um Roms und Mein Geschick.

Dafür sorgt Appius. Virginiens

Bestimmung, wird ein Rechtsspruch nun entscheiden.


Er will abgehen.


Quelle:
Cornelius von Ayrenhoff: Sämmtliche Werke. Band 2, Wien 1802, S. 311-319.
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