Actus secundus.

[2150] PENICULUS geht ein vnd sagt zornig.

Enuclem hab ich im gedreng

Auf dem Rathhauß in des Volcks meng

Vor meim angsicht alsbalt verlohrn,

Als wenn er wer vnsichtbar worn.

Nun hab ich meine zäen gewetzt,

Auff ein gut mal mein sinn gesetzt,

Dann mich thut nach essen verlangen.

Bin vor der Thasa Hauß hingangen,

Aber kein Menschen sehen kan.

So darff ich auch nicht klopffen an,

Dann die Thasa ist mir nicht gut,

Weiß wol, das sie mir nicht auffthut,

Wenn mich der Juncker nicht führt hinein.

Die Schlöt schon all verrochen sein.

Das Essen ist versaumet schon.

Vor hunger ich nicht bleiben kan.

Sol man mich nit noch heut begraben,

Muß ich warlich zu fressen haben.

Wil derhalb des Junckern Weib sagen,

Er hab jhr das schönst Kleidt entragen

Vnd hab das der Thasa geschenckt.

Was Gelts? es sol jhm werden eindrenckt,

Das er mich vmb die Malzeit bracht,

Vnd ich sol wol worden bedacht

Von seim Weib, das ich jhr solchs sag,[2150]

Das ich zu fressen kauffen mag.


Er geht ab.


PHILEMAN geht allein ein, tregt das gestolen Kleidt vnd sagt.

Hie bin ich vnbekandt jedoch

Kommen in ein gar gutes gloch,

Dergleich mir nicht gschach in meim leben.

Mann hat mir Essen vnd Trincken geben

Vnd hat mich die Frau in dem Hauß

Für jhrn Bulen ghalten durchauß,

Mir auch das kleidt zugstellet wol,

Das ich jhrs ferben lasen sol.

Dasselbe hab ich angenommen,

Weil sie nit recht mit her ist kommen,

Vnd wils zu eygen bhalten mir,

Dann ich komb doch nit mehr zu jhr,

Wil jetzt zu meim Gsind ins Wirthshauß.

COCLEUS, DER KOCH geht ein, tregt ein Ketten vnd sagt.

Juncker, mein Frau schickt mich herauß

Vnd schickt euch diese Ketten mit.

Sagt, das sies also trage nit!

Es wird verrahten dadurch eur Sachen.

Darumb solt jhr drauß lassen machen

Zwey Armbender, wie jhr wol wist.

PHILEMAN schüttelt den kopff vnd sagt.

Wenns eur Frauen also lieb ist,

Laß ich drauß machen zwey Armband.

COCLEUS sagt.

Juncker, wir sein nun lang bekand.

Ich bitt, der Juncker wol mein dencken

Vnd mir ein schönes Ohrgheng schencken,

Weil er sunst jetzt geht zum Goltschmidt.

PHILEMAN sagt.

Mein Koch, daran sols fehlen nicht.


Der Koch geht ab.


PHILEMAN sagt.

Ich bin schir meiner sinn beraubt.[2151]

Hett man mirs gsagt, ich hetts nit glaubt,

Was sich nur den tag in der Stadt

Mit mir schon zugetragen hat.

Ich soll mich des wol halb kranck lachen.

PENICULUS geht ein vnd ist zornig vnd sagt.

Eur mal will ich euch saur gnug machen,

Deß jhr mich habt dißmal beraubt.

PHILEMAN sagt.

Ich mein, du seist der sinn beraubt,

Du alter lecker! balt sag mir!

Was hett ich meine tag mit dir,

Der ich dich nie gesehen han?

Wer bistu? thu mir zeigen an,

Vnd auch wie heist der namen dein!

PENICULUS sagt.

Soll ich euch jetzt nicht bekand sein?

Bin ich nicht eur Peniculus?

PHILEMAN sagt.

Deins fürgebens hab ich verdruß;

Du heist derhalben, wie du wilt,

Es bey mir nit ein schieben gilt.

Drumb magstu deines wegs fort gahn.

PENICULUS sagt.

So will ich auch gehn von stund an,

Eurer Frauen als zusambt sagen,

Das jhr jhr thut das Kleid auß tragen

Vnd thut es eurer Hurn auhencken.

Was gelts? sie wird euch das eintrencken.

Der Teuffl soll euch mit jhr bescheissen.

PHILEMAN zuckt die faust vnd sagt.

Ich dörff dich an den halß balt schmeissen,

Du alter verlogner bößwicht!

Kein Weib hett ich mein lebtag nicht.

Was wolstu denn meim Weib vil sagen?


Er schlecht nach jhm.


PENICULUS droht jhm vnd sagt.[2152]

Was gelts? ich wil euch lernen schlagen.


Er geht ab. Phileman lacht vnd geht auch ab. Kompt Enucles vnd sagt.


Ietzt gehe ich erst von dem Rahthauß,

Bin gar zu lang gewesen auß.

Darauf bin ich auffghalten worn,

Hab den Peniculum verlern,

Der wird das essen versaumbt han.

Ach, wie wird der alt fresser than,

Wenn er geht hindr der Malzeit hin!

Daran ich zwar vnschuldig bin,

Dieweil der hendl ein gantzen hauffen

Droben fast alle stund für laufen.

Nun will ich zu der Liebsten nein.

Ich hoff, sie hab gewarttet mein.

JAHN PANSER geht ein, redt den Enuclem an, lacht vnd sagt.

Juncker, wie hat man euch empfangen?

Ists euch wol auff der Bulschafft gangen,

Das jhr nicht kambt in das Wirthshauß?

Wir haben weidlich zehret drauß,

Auch zimlich weidlich gessen darzu,

Darnach gespilt der blinden khu,

Den Wirth betrogen vmb die zech.

ENUCLES sagt.

Was habt jhr da für ein gesprech?

Wer seid jhr? was ist eur beger?

JAHN PANSER sagt.

Ey, Juncker, kent jhr mich nicht mehr?

Ich bin eur Diener, der vor sechs Jarn

Mit euch auß Syracusa gfahrn.

ENUCLES sagt.

Ey, ich weiß nichts von diesen dingen.

JAHN PANSER sagt.

Ich will gehn eurn Beutel bringen,

Den jhr mir aufzuheben gabt,[2153]

Dabey jhr euch zu erinnern habt.


Er geht ab.


ENUCLES sagt.

Ach was ist disem Kerl geschehen?

Vnd für wen thut er mich ansehen?

Nun, ich wils halt geschehen lahn,

Den Beutel von jhm nemen an,

Iedoch nur biß auff weitem bscheid.

JAHN PANSER kompt, bringt jhm den Beutel, reicht jhm den dar vnd sagt.

Secht da, Juncker! bey meinem Eydt,

Es ist kein pfenning darauß kommen.

ENUCLES sagt.

Ich will dich frey sprechen darumben

Vnd solst fort nicht Leibeygen sein.

Verzeich hie! dann ich muß hinein,

Dann ich hab dort in einem Hauß

Etwas nötigs zu richten auß.

Ich will balt wider bey dir sein.


Er geht ab.


JAHN PANSER sagt.

Ich merck, es will der Juncker mein

Wider gehn zu seiner Jungfrauen.

Er wird jhr schir zu vil vertrauen.

Fürwahr, ich hab nicht recht gethan,

Das ich jhm den Beutl geben han.

Ich hab sorg, er werd drumb betrogen.

Schau! dort kompt er gleich her gezogen.


Kompt Phileman, tregt das Kleidt vnd Ketten vnd sagt zu Jahnnen.


Was Teuffls machstu auff der Gassen,

Das du mich so gar thust verlassen?

Es thet schir noth, ich wartet auff dich.

JAHN sagt.

Bey euch bin erst gewesen ich,

Als jhr eurn Beutel empfangen habt

Vnd mich meines Diensts ledig gabt[2154]

Vnd niest mich hier warten auff euch.

PHILEMAN sagt.

Halt nur das maul vnd stille schweig!

Wo solt ich habn mein Beutl empfangen?

Seit ich bin auß dem Wirthshauß gangen,

Hab ich dich mit keim aug gesehen.

JAHN sagt.

Juncker, auff dem platz ists geschehen.

Da spracht jhr mich meiner Dienst frey.

PHILEMAN sagt.

Ich glaub für wahr bey meiner treu,

Du seyst erst von dem Schlaf auffgstanden.

JAHN PANSER sagt.

Still, still! es sind frembt Leut vorhanden.


In dem kompt Leonora mit dem Peniculo, sicht gar zornig auß vnd sagt zu Phileman.


Du loser, Ehbrecherischer Mann,

Was gehn dich meine Kleider an

Vnd mein Ketten, die du in ecken

Verbulst mit andern losen Secken?

Hastu denn nicht Weibs gnug an mir?

PHILEMAN sagt.

Du lose Vettel, was ist dir?

Ich hab kein kleinot, die dein send.

Ich hab dich all mein tag nicht kend,

Vnd du wolst mich also auß schenden?

LEONORA sagt.

Du Ehbrecher, wirst mich nit blenden.

Du must ein loser lecker sein,

Das du verlaugnest das Ehweib dein,

Bey der du stets ligst an der seiten.

PHILEMAN sagt.

Deiner schmachwort werd ich nit leiden.

Ich kenne dein nicht, mag ich wol jehen,[2155]

Vnd hab dich mein tag nicht gesehen,

Auch gar kein Weib in dieser Stadt,

Dann was sich heind zutragen hat;

Was solt ich dir dann haben gestoln?

PENICULUS sagt.

Tragt jhr doch bey euch vnverholn

Den Mandl vnd darzu die Ketten

Vnd wolt mit worten vns blind reden.

Meint jhr, vnd das wir Narren sein?

PHILEMAN sagt.

Halts maul! der stück ist keines dein;

Darumb so last mich nur zu fridt!

LEONORA sagt.

O mein Penicule, ich bitt,

Lauff eillend, bring mein Vatter her!


Peniculus laufft ab.


PHILEMAN sagt.

Daran ich mich fürwar nicht kehr.

Wolt jhr euch selbst schaffen vnruh,

So bringt halt eur Mutter darzu,

Auch eurn Anherrn vnd Anfrauen!

Ich förcht sie nicht, solt jhr mir trauen.


Die Frau weint; in dem kompt Socerus, der alt, gibt dem Phileman die hand vnd sagt.


Ach mein Eyden, mir ists ein Leid,

Das jhr zwey Ehleut alle beyd

Seit mit einander vneins worn.

PHILEMAN sagt.

Mein alter Herr, es thut mir zorn,

Das ich sol euer Eyden sein.

SOCERUS geht zu Leonora vnd sagt.

Ey Tochter, Tochter, es ist nicht fein,

Das du deim Mann thust die vnehr.

Mich bedunckt, du eyfferst zu sehr.

Kompt vnd last vns die sach vertragen![2156]

PHILEMAN schüttelt den kopff vnd sagt.

Mein alter Herr, was thut jhr sagen?

Die sach darff keins vertragens nit.

Ir vnd eur Tochter last mich zu frid!

Ich bin nicht eur Tochter Mann.

SOCERUS verwundert sich vnd sagt.

Ach, Tochter, was hast jhm gethan,

Das er vns doch nicht kennen will?

LEONORA sagt.

Ey, solt ich darzu schweigen still?

Er kompt den Tag nicht in das Hauß,

Tregt mir darzu mein Kleider auß,

Deßgleich mein Ketten vnd Armbender.

Er ist ein schand all andern Männer

Vnd verbult mir darzu die Kleider.

SOCERUS sagt.

Das wer wol zu beklagen leider.

Ach, mein Herr Eyden, thut das nit!

PHILEMAN sagt.

Mein alter Herr, last mich zu frid!

Dann ich kan euch sagen auff trauen,

Das ich weder euch noch die Frauen

Mein lebentag nie hab gesehen.

SOCERUS sagt.

Ach Gott, wie ist dem Menschen gschehen!

Fürwar, er ist der Sinn beraubt.

Hett ichs nicht gsehen, ich hetts nit glaubt.

Wie fang wirs ewig mit jhm an?

PHILEMAN geht auff die seiten vnd sagt zu den zusehern.

Die Leut werden mir noth an than.

Auff das ich nur vor jhn mög bleiben

Vnd ich sie von mir mög abtreiben,

Will ich mich gar vnsinnig stelln

Vnd sehen, was sie als dann wölln.


[2157] Er wirfft als von sich, was er bey jhm hat, stellt sich nerrisch, ziecht vom leder, schlegt vmb sich.


SOCERUS sagt.

O Tochter, flieh vnd eylend lauff

Vnd schick du mir den Doctor rauff,

Das man jhm eylend zu hülff kumb!


Leonora vnd Peniculus lauffen ab.


SOCERUS sagt.

Mein lieber Eyden, ich bitt euch drumb,

Ir wolt dein Teuffl nicht raumb geben.

Es kan in dem Ehlichen leben

Nicht alles zu gehn, wie es sol.

PHILEMAN stellt sich gar nerrisch vnd sagt.

Du alter Narr, du weist es wol,

Das ich gar nicht dein Eyden bin.

Drumb, wirstu dich nicht backen hin,

Solstu bekommen schlechten lohn.


Er schlegt auff den alten; der läufft ab, er klaubt seine wahr auff vnd sagt.


Also komb ich mit lieb davon.

Weil sie mir all thun entweichen,

Will ich in mein Wirthshauß heim streichen,

Das mir nicht noch mehr gscheh der gleichen.


Abgang.


Quelle:
Jakob Ayrer: Dramen. Band 3, Stuttgart 1865, S. 2150-2158.
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