Actus quartus.

[2166] Kompt Enucles mit Phileman allein vnd sagt.


Ach, mein Bruder, Gott bezahl dir,

Das du so lang hast gsucht nach mir!

Weil ich dann von dir hab vernommen,

Wie da bist zu der Thasa kommen,

Die dich für mich hat gsehen an,

Hastu nun was guts bracht davon,

Das ich dir denn wol gönnen will,

So bitt ich dich: schweig darzu still!

Bring mich vnd sie nit vndert Leut!

Ich hett mit meinem Weib offt streit

Von wegen jhres losen Guts.

Die macht mir vil Creutz vnd vnmuths,[2166]

Weil ich jhr nichts hett zugebracht

Damit hats mich so zornig gmacht,

Das ich nicht thet, was mir gebürt.

Hab jhr das best Kleidt außgeführt,

Deßgleichen Ketten vnd armband,

Die du jetzt hast in deiner band.

Diß alles ist daher geschehen,

Das man dich hat für mich angsehen;

Dann so kriegt ich den Beutel dein.

Darumb bitt ich: gib mir das mein!

So schleig ichs wider heim zu Hauß,

Das folg kein weiters vnglück drauß

Vnd mein Weib mit mir zieh von hinnen.

PHILEMAN sagt.

Das du jhr Lieb thust wider gwinnen

Vnd neben mir bestehst in ehrn,

So wil ich dirs als wider kehrn.

Allein was soll ich darzu jehen?

Dein Weib vnd Schwehr haben gesehen,

Das ich jhr wahr hab bey mir tragen.

ENUCLES sagt.

Da wöll wir zu jhn beden sagen,

Wie ich es Gester gar frü gwist,

Das du alhie gewesen bist

Vnd hett dir mein anligen klagt,

Das ich von meim Weib würd geplagt

Mit der argwönigen eyffersucht,

Das sie mich bschuldigt der vnzucht.

Das hastu mir nicht glauben wöllen,

Begert, ich soll sie für dich stellen,

Darzu dir geben jhr schönstes Kleidt

Vnd jhre Ketten alle beyd,

Da wolstu es selbst von jhr hörn

Vnd sie etwas gwiß darfür lehrn,

Das sies forthin soll nimmer than.

Als dann zeig jhr diß gleichnuß an,

Das der argwohn sey ein bößwicht![2167]

Manchs Mensch eim andern gar gleich sicht

Vnd sey doch ein andre Person;

Also sey es mit dem argwohn.

Man vermuth offt, das sey geschehen,

Vnd wenn mans bey dem Liecht thut sehen,

Fehl es wol vmb ettlich Baurnschrit.

So machstu mir bey meim Weib friedt,

Das sie dest lieber mit mir zeucht.

Ir Thorheit halb sich vor dir scheucht,

Das sie dich hat für mich angsehen,

Thet vnschuldig schenden vnd schmehen.

Zu mal mein Schweher, der fromb Alt,

Der glaubt, was man jhm sagt, gar balt.

Der wirds vns beden bitten ab.

PHILEMAN sagt.

Mein Bruder, gnug bescheids ich hab.

Ich hab der Sachen eben gnug.


Er schreit.


Jahn, komb balt herein ohn verzug


Jahn geht ein.


Vnd bring drinn in der Kammer mein

Die Ketten vnd das Weibskleidt rein!


Jahn geht ab vnd bringts.


ENUCLES nimbts vnd sagt.

Danckbar verdien ich das vmb dich,

Also behelst bey ehren mich.


Sie gehn ab. Kompt Socerus mit Leonora, seiner Tochter, vnd sagt.


Tochter, was hat heut dise nacht

Dein Haußwirth für ein leben verbracht?

Hat er niemandt kein schaden than?

LEONORA sagt.

Ey nein, man merckt jhm gar nichts an.

Ich hab jhn heut frü gsetzt zu red,

Er mir aber kein wort nicht gsteht

Vnd sagt, wir haben jhn nicht erdapt,[2168]

Das er hab mein schönst kleinot ghabt.

So verlaugnet er auch die Ketten

Vnd alles, das wir mit jhm redten,

Sagt auch, er hab kein Doctor gsehen,

Es thu jhm von vns vnrecht gschehen,

Vnd hat mir geben die besten wort.

SOCERUS sagt.

Du solst anrichten main vnd mordt.

Villeicht wird ers nicht gwesen sein.

Schau! dort geht er gleich herein.

Den will ich der sach halb selbst fragen.


Enucles geht ein.


SOCERUS sagt.

Mein Heber Eyden, thut mir sagen!

Was war euch gester in dem Hirn,

Das jhr also thet Fantasirn

Mit meiner Tochter Ketten vnd schauben?

ENUCLES sagt.

Ey, Herr Vatter, jhr solts nicht glauben.

Der ding ist keins von mir geschehen.

SOCERUS sagt.

Ey wie? hab ichs doch selber gsehen!

Als jhr euch nicht wolt lassen weisen,

Hab ich den Doctor holen heisen,

Der sol euch wider zu recht bringen.

ENUCLES sagt.

Herr Vatter, von all disen dingen

Weiß ich kein wort in der warheit.

Doch ist war, das ein lange zeit

Mein Weib mich gar wol tribuliert,

Von eyffers wegen mich vexiert,

Das ichs hab nimmer können tragen

Vnd habs auch niemand dörffen klagen.

Weil aber gester vngefehr

Mein lieber Bruder ist kommen her,

Den ich in sechs Jarn nicht gsehen,[2169]

Thet ich jhm mein anligen verjehen,

Der die ding selbst versuchen wolt.

Der befahl mir, das ich jhm solt

Bringen meins Weibs Ketten vnd Kleid;

Der wolt suchen gelegenheit,

Das meins Weibs eyfer würd gelegt.

SOCERUS sagt.

Ach, Eyden, jhr habt mich erschreckt,

Das ich dem frommen ehrlichn Mann

So grose schmach hab auffgethan,

Gehalten jhn für einen Thorn.

Nun hett ich je ein Eyd geschworn,

Ir werds gwest; ach weh der schand!

LEONORA sagt.

Wo ist mein Ketten vnd mein gewand,

Das ich bey jhm hab gsehen wol?

ENUCLES sagt.

Geh! es in deinem Kasten hol!

Vnd wenn das nicht darinn wirst finnen,

Als dann solstu das spiel gewinnen.

Finstus aber, so merck dabey,

Das mir gar vnrecht geschehen sey

Von wegen deiner eyffersucht,

Die mich beschuldigt der vnzucht,

Daran ich doch unschuldig bin.

LEONORA sagt.

So geh ich jetzt von stund an hin.

Find ich mein Ketten vnd mein Kleid,

So ist es mir im hertzen leid,

Was ich dir vnd deim Bruder than.


Sie laufft ab, Kompt wider, fellt jhrem Mann zu fuß vnd sagt.


Ach du mein hertzenliebster Mann,

Wie bin ich so schendlich bethört!

Die falschen zungen hab ich ghört

Vnd glaubet jhrem blosen lallen,[2170]

Des bin ich in groß Torheit gfallen,

Vnd bitt, du wolst mir das vergeben,

Dann ich wil bey all meinem leben

Dir der gleichen nimmermehr thon.

Solt ich auch etwas sehen schon,

Glaub ichs nicht mehr, biß ichs auch greiff.

SOCERUS sagt.

Tochter, dein zorn ist gar zu steiff.

Du thust wie all fürwitzig Frauen,

Die jhrn Männern so übel trauen,

Die sich doch offt wol selbst verbrennen.

Solstu dein eygnen Mann nicht können?

Ein andern für jhn schenden auß?

ENUCLES sagt.

Schau! dort kompt gleich mein Bruder rauß

Mit allem seinem Hofgesind.

LEONORA sagt.

Ach, ich erschreck, das ich erblind.

Nun hett ich gschworn, wo auff der Ern

Zwen Brüder künden gfunden wern,

Die so gleich sehen an einander,

Als dise Brüder beede sander.

Ach, wie sol ich vor jhm bestehn?


Ietzt kompt Phileman mit Jahnen vnd andern Knechten.


SOCERUS sagt.

Wir wollen jhm entgegen gehn

Vnd wöllen jhn ehrlich empfangen.

Was wir an jhm haben begangen,

Woll wir jhm wider bitten ab.

LEONORA gibt jhm die Händ, fellt jhm zu fuß vnd sagt.

Ach, günstiger Schwager, ich hab

Euch warhafftig vnrecht gethan,

Euch angsehen für meinen Mann,

Weil ich meinen schmuck hab gekend.

PHILEMAN hebt sie auff vnd sagt.[2171]

Der argwohn gar vil Leut verblend

Vnd bat gar oft angsehen schlecht

Ein weisen Hund für ein Müllknecht,

Als wie dann jhr auch habt gethan,

Mich gsehen für eurn Haußwirth an

Vnd mich vnschuldig außgeschmecht.

SOCERUS, DER ALT geht hin zu, gibt jhm die Handt vnd sagt.

Wir haben bede than nicht recht.

Ich hab gemeint, jhr seit mein Eydman,

Wolt andern Weibern hencken an

Meiner Tochter Ketten vnd Ring

Vnd sich an ander schlepseck hieng,

Vnd ward im argwohn so verstört,

Da jhr euch habt mit worten gwehrt,

Hab ich euch ghalten für ein thorn.

Drumb bitt ich: leget ab eurn zorn

Von vns! seit vnser guter freund!

Mit mir so solt jhr Essen heunt:

Da woll wir vns als leidts ergötzen.

PHILEMAN sagt.

Des will ich mich nicht widersetzen,

Vngeacht das es mir thut zorn,

Das ich also bin außgmacht worn,

Der ich nur sucht meim Bruder rath.

Bin vor nie gwest in diser Statt,

Must jhr Ehbrecher vnd bößwicht sein,

Auch irr sein in den sinnen mein,

Da sie doch an jhr selber war.

Doch ists vergessen gantz vnd gar,

Dann was ich red, das ist nicht mehr,

Als jhr gemeint zu einer lehr,

Dann es ist gar ein schweres leiden,

Wer sich die eyffersucht lest reiten.

Besser wers, ein Weib hett ein Mann,

Der schönen Weibern hencket an

Vnd sie hielt jhn für ehrn frumb,

Wenn sie nur kein wort west darumb,[2172]

Als das sie eyffer vnverschult,

Macht jhr vnd dem Mann vngedult,

Des sie doch keine vrsach hat.

Argwohn nie nichts guts gschaffet hat,

Denn welchem gar nicht ist zu trauen,

Dem hilft in warheit kein auffschauen,

Wie etwann auch die alten reden.

Enthweder es ist nicht von nöhten

Oder aber es ist vergebens.

LEONORA sagt.

Herr Schwager, ich will die zeit meins lebens

Meim Haußwirtt nicht böß mehr zutrauen,

Mich haltn, wie einer frummen Frauen

Wol ansteht, will jhn liefen vnd ehrn

Vnd mit euch in eur heimet kehrn

Vnd alles thun, was euch gefelt.

JAHN sagt.

Weil sich dann als so wol verhelt

Vnd vns glück wohnt mit hauffen bey,

So bitt ich euch: machet mich frey

Von meiner langen dienstbarkeit!

Dann durch mich jhr zsam kommen seid

Vnd geht das vnglück gar wol auß.

PHILEMAN sagt.

So halt wir nur kommen zu hauß,

Solstu deines diensts ledig sein.

SOCERUS sagt.

Ich bitt: kombt all mit mir herein

Vnd esset heint mit mir zu nacht!

Vnd jhr, Eyden, euch ferttig macht!

Deßgleichen auch, mein Tochter du,

Richt dich nach deiner noturfft zu!

Thu mit gen Syracusa fahrn!

Der liebe Gott wöll euch bewahrn

Vnd alle sambt lang gesund sparn!


Sie gehn alle ab.


Quelle:
Jakob Ayrer: Dramen. Band 3, Stuttgart 1865, S. 2166-2173.
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