Der arme Dichter

[238] Ein Dichter, rund und feist bei Leibe,

Mit einem Antlitz, lang wie breit,

Und glänzend, wie des Vollmonds Scheibe,

Sprach einst von seiner Dürftigkeit,

Und schimpfte brav auf teure Zeit.


»Das thun Sie bloß zum Zeitvertreibe,

Rief einer aus der Compagnie;

Denn dies Gedeihn an Ihrem werten Leibe,

Und Ihr Gesicht, die schöne Vollmondsscheibe,

Herr Kläger, zeugen wider Sie!« –
[238]

»Das hat sich wohl! seufzt der Poet geduldig.

Doch, Gott gesegn' ihn! meinen Bauch –

Sanft strich er ihn – und diesen Vollmond auch

Bin ich dem Speisewirt noch schuldig.«


Quelle:
Bürgers Gedichte in zwei Teilen. Teil 1: Gedichte 1789. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 21914, S. 238-239.
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