170. Der Rötterer Berg bei Rastatt.

[152] Als noch der Rhein am Rötterer Berg vorbeifloß, stand auf diesem das Schloß der Grafen von Rötter. Einer derselben brachte durch Flußräuberei einen großen[152] Schatz zusammen; zur Strafe versank er aber mit seinem Schloß und allem, was darin war, und spukt seitdem, auf einem Schimmel reitend, in der Gegend.

Zu einem Hirtenhäuslein unweit des Berges kam er öfters und sah ruhig durch das Fenster den Leuten zum Nachtessen zu. Einmal aber klopfte er dreimal an die Scheiben, und da, wie bisher, niemand ihn anredete, sprengte er in die anstoßende Schweinsteige und jagte den Säuen einen solchen Schrecken ein, daß sie wie toll nach der Stadt rannten.

Auch die Tochter des Grafen muß am Berg umgehen, wo sie, als die Schuhuhütte noch stand, manchmal auf deren Dach in einem brennenden Nest erschienen ist.

Einst um Mittag stand sie plötzlich vor einem Hirtenbuben, der auf dem Dudelsack blies, und bat ihn, in den drei folgenden Nächten um zwölf ein weißes Hemd herzubringen und es ihr überzuwerfen, ohne ein Wort zu reden; dann sei sie erlös't, und sein Glück gemacht. Dreimal kam auch der Knabe und fand die Jungfrau, welche in einem Busche stand, in der ersten Nacht ganz schwarz, in der zweiten mit einem weißen Kopfe, und in der letzten auch mit einer solchen Brust. Obgleich sie Feuer, Schlangen und Kröten gegen ihn spie, und dies von Nacht zu Nacht ärger wurde, warf er ihr doch zweimal das Hemd über; aber das dritte Mal fiel er, als er es ihr halb angezogen hatte, mit dem Schrei: O Jesus! in Ohnmacht. Da war es mit der Erlösung vorbei, und ein schreckliches Getös erscholl in den Lüften. Sieben Jahre nachher starb der Bube.

Zu einem ältern, etwas blödsinnigen Jungen, der am Berg Kamillen sammelte, kam, aus einer Oeffnung des[153] letztern, das Fräulein in weißer Gestalt, was ihre gewöhnliche ist. Sie hieß ihn ihr folgen und führte ihn dann durch die Oeffnung in das Innere des Berges, wo eine Reihe Kisten voll Geld stand. Aus einer derselben gab sie ihm so viel er tragen konnte und bemerkte ihm, er dürfe Freitagmittags wiederkommen und vom Schatze holen; wenn er es aber jemand sage, erhalte er nichts mehr. Diese Erlaubniß benützte der Bursch noch zweimal und brachte viel Geld nach Hause, wurde aber darüber von seinem Vater ertappt und so eingeschüchtert, daß er ihm alles entdeckte. Darauf ließ der Vater leere Säcke auf einen Wagen laden und fuhr mit seinem Sohn an den Berg, um den ganzen Schatz zu holen. Allein dort sahen sie die Oeffnung nicht mehr, und vom Gipfel winkte ihnen die Jung frau, umzukehren, was sie auch unverweilt thaten. Kaum nach Haus zurückgekommen, wurde der Junge krank und starb nach wenigen Tagen.

Um Mitternacht sah man schon das weißbeschleierte Fräulein und eine Menge kleiner weißer Gestalten aus dem Berg kommen und an demselben herumgehen.

Ein weißer Mann läßt sich ebenfalls dort sehen, wie auch ein Jäger in altertümlicher Kleidung.

Als eines Tages die Edelknaben aus dem Rastatter Schloß am Berg lustwandelten, erblickte der Einfältigste von ihnen, welcher hinter den andern herging, in einem frischen Maulwurfsloch etwas Glänzendes. Er griff darnach und erfaßte einen silbernen Kettenring, woran er zog und dreißig solcher Ringe herausbrachte. Voll Freude rief er seinen Gefährten; aber bei dem Rufe versank klirrend der Theil der Kette, welcher noch im Boden war, während der herausgezogene dem Edelknaben in Händen blieb.[154]

Ein anderes Mal sah daselbst ein armes Mädchen einen Maulwurf schönen weißen Sand aufstoßen. Sie füllte davon in einen kleinen Sack, und als sie denselben auf die Erde gelegt hatte, kam eine Schlange aus dem Maulwurfsloch, kroch dreimal um ihn und schlüpfte wieder in die Oeffnung. Beim Heimgehen wurde dem Mädchen der Sack so schwer, daß sie ihn abwarf; da klingelte es darin, und als sie ihn öffnete, fand sie ihn mit altem, fränkischem Silbergelde gefüllt.

Ein anderes Mädchen fand, beim Umstoßen einer dortigen Wiese, einen Kronenthaler nach dem andern. Schon hatte sie damit zwei Schürzen und einen Schabhut gefüllt, als ihre Frau dazu kam und den Fund, weil auf ihrem Grundstück geschehen, dem Mädchen abnahm. Um noch mehr zu bekommen, half sie dann selbst mit umgraben; aber nun hatte es mit dem Geldfinden ein Ende.

Am Berge zeigen sich manchmal nachts glühende Kohlenhaufen, welche Geld sind, und aus seinem Innern ertönt zuweilen dumpfes Gespräch oder Gesang.

Auf dem Grund eines dortigen Wassers, das der Keßler heißt, liegt ein silberner Kessel. Einst versuchten etliche Männer ihn zu gewinnen, und schon hatten sie eine Stange durch seinen Ring geschoben, als einer den andern fragte: »Hast du ihn?« Da versank augenblicklich der Kessel in die Tiefe des Wassers; der Ring aber, welcher auch von Silber, blieb an der Stange hängen und wird noch heute zum Andenken aufbewahrt.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 152-155.
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