107. Der Käsebaum bei Boitzenburg.

[94] In der Nähe von Boitzenburg, auf dem Stadtfelde, steht eine alte Eiche, die unter dem Namen ›der Käsebaum‹ allgemein bekannt ist.

Vor Jahren pflegte hier ein Ackerknecht seine Mahlzeiten zu halten und auszuruhen. Er war nicht der Fleißigste, dafür aber ein rechtes Leckermaul, dem das Essen oft gar nicht recht war. Einmal packte er wieder seine Kiepe aus, und als er darin zwei tüchtige mit Käse belegte Butterbrote fand, rief er aus ›Der Teufel soll mich holen, wenn ich schon wieder Käsebutterbrot esse!‹ Damit warf er das eine Butterbrot in die Kiepe zurück, das andere aber nagelte er an den Stamm des Baumes fest. Dann legte er sich zum Schlafen nieder. Als er erwachte, spürte er wirklichen Hunger und verzehrte nun das eine Butterbrot, das angenagelte aber ließ er hängen. In der Nacht kam der Böse und holte seine Seele, die seitdem von Zeit zu Zeit des Nachts bei der Eiche umgeht und von vorübergekommenen Leuten gesehen worden ist.


Niederh. 1, 151 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 94.
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