149. Hexen lernen.

[129] Ein Knabe wollte das Hexen lernen. Er ging tief in den Wald und rief ›Wer lehrt mich das Hexen?‹ Da kommt ein altes Weib aus dem Erlenbusch und fordert ihn auf, ihr zu folgen. Sie führt ihn in eine Hütte; drei Kröten hüpfen neben ihm über die Schwelle; am Herde sitzt ein schönes Mädchen. Wie es Abend wird, setzt die Alte eine der Kröten auf den Tisch, die leuchtet mit ihren grünen Augen wie eine Lampe. Zu Abend essen sie aus einem Kessel Schwarzsauer von Menschenfleisch. Der Knabe will nicht essen, sondern verlangt schlafen zu gehen. Des Nachts kommt das Mädchen an sein Bett, weckt ihn und sagt ihm, die Alte wolle ihn am andern Morgen vor Sonnenaufgang schlachten und kochen. Sie heißt ihn aufstehen und mit ihr fliehen. Er geht mit ihr, das Mädchen spuckt beim Hinausgehen auf die Schwelle. Am andern Morgen ruft die Alte dem Mädchen zu ›Steh auf‹ ›Ich bin schon auf,‹ antwortet das Mädchen auf der Schwelle; ›ruhe noch ein wenig, bis ich Laub und Holz zum Herde bringe.‹ Nach einiger Zeit steht die Alte auf und sieht die Hütte leer. Sie schafft sich eine Wolke und reitet auf einem Besenstiel den Fliehenden nach. Das Mädchen sieht den dichten Rauch hinter sich und sagt ›Das ist die Hexe; ich will ein Schlehdorn wer den und du eine Beere.‹ Die Hexe aber steigt ab und will die Beeren pflücken. Schon hat sie alle Beeren verzehrt bis auf eine in der Mitte. Die stak mitten zwischen Dornen, aber die Hexe langt danach; da fällt die Beere ab in eine Niederung. Hier wird das Mädchen zu Wasser, der Knabe zur Ente, die darauf schwimmt. Da warf die Alte mit ihren Pantoffeln nach der Ente, aber die tauchte unter. Da legte sich die Hexe am Teiche nieder und wollte das Wasser austrinken. Sie trank immer mehr und mehr, bis ihr der[129] Bauch platzte. Da war sie todt. Das Wasser ward wieder zum Mädchen, die Ente zum Knaben und beide heirateten einander.


Mussäus, Jahrbücher 5, 82.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 129-130.
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